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Julian Assange ist frei: Zum Symbol der Meinungsfreiheit taugt er nicht


Julian Assange
Assange ist frei, doch zum Helden taugt er nicht


25.06.2024Lesedauer: 2 Min.
Meinung
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WikiLeaks-Gründer Julian Assange: Möglicherweise wird er bald an die USA ausgeliefert.Vergrößern des Bildes
Wikileaks-Gründer Julian Assange: Kein Symbol für Meinungsfreiheit. (Quelle: Kirsty Wigglesworth/ap)

Julian Assange ist frei. Ein Kompromiss zwischen Verdienst und Schuld: Für seine politische Agenda riskierte er Menschenleben.

Der Name Argaw Ashine steht nicht auf Plakaten, sein Foto ziert keine Häuserwände. Keine Menschenmassen demonstrieren für ihn. Dabei ist Julian Assanges Freilassung eine gute Gelegenheit, an ihn zu erinnern.

Als der Wikileaks-Gründer 2011 beschloss, Hunderttausende US-Regierungsdokumente unzensiert ins Netz zu stellen, musste der Journalist Ashine um sein Leben fürchten. Über Jahre hatte er der äthiopischen Diktatur getrotzt. Als durch Assange bekannt wurde, dass er mit einem Mitarbeiter der US-Botschaft über das Regime gesprochen hatte, wurde die Gefahr für ihn so groß, dass er aus seiner Heimat fliehen musste.

Gefahr für Informanten weltweit

Ashine ist nur ein Beispiel für all jene, die Assange zu opfern bereit war, um seine politische Agenda voranzutreiben. Ohne Rücksicht auf Menschenleben ließ er die Welt an Staatsgeheimnissen vor allem der USA teilhaben. Für seinen Kampf gegen die aus seiner Sicht verschworenen westlichen Eliten mussten wohl viele büßen, die in autoritären Regimes für Freiheit stritten.

Video | Hier verlässt Julian Assange Großbritannien
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Quelle: dpa

In China wurden Informanten der US-Botschaften enttarnt – also dort, wo Menschen vermutlich zahlreich ermordet wurden, die mit der CIA zusammenarbeiteten, wie die "New York Times" später berichtete. In Afghanistan konnten Taliban in den Dokumenten zum Nato-Einsatz nachlesen, wer mit den Koalitionstruppen kooperierte.

Das hatte mit Journalismus nichts zu tun. Assange ist in den USA nicht angeklagt, weil er seine Meinung frei äußerte und das zum Teil brutale Vorgehen der US-Truppen offenlegte. Ihm werden Straftaten vorgeworfen. Dass er einige begangen haben dürfte, ist zumindest nicht unplausibel. Schon deshalb taugt er nicht zum Helden.

Kriegsverbrechen aufgedeckt

Gleichzeitig ist unbestritten, dass Assange Material veröffentlichte, das der Öffentlichkeit wichtige Einblicke in Kriegseinsätze und Geheimdienstarbeit gab und mit dem Folter und Kriegsverbrechen aufgedeckt wurden. Er hat den Diskurs vorangebracht, wie transparent Regierungshandeln sein muss. Das sind zweifelsohne Verdienste, die aber nicht vom Kern der Vorwürfe ablenken sollten.

Denn das alles wäre möglich gewesen, ohne mutmaßliche Straftaten zu begehen. Seine Rolle ist nicht zu vergleichen mit jener der Whistleblower, die ihm das Material zuspielten, und auch nicht mit der Rolle der Journalisten, die das Material für eigene Veröffentlichungen auswerteten.

Präzedenzfall befürchtet

Meinungsfreiheit und Pressefreiheit sind in den westlichen Demokratien hohe Rechtsgüter. Sie sind aber nicht absolut. Sowohl die Recherche als auch die Berichterstattung unterliegen gesetzlichen Schranken, die von anderen Rechtsgütern bestimmt werden oder zumindest mit ihnen abzuwägen sind.

 
 
 
 
 
 
 

Journalisten dürfen niemanden auffordern, Straftaten zu begehen, um an Informationen zu gelangen, wie es Assange vorgeworfen wird. Staatsgeheimnisse liberaler Demokratien zu offenbaren, darf kein Selbstzweck im eigenen politischen Kampf wie bei Assange sein.

Dennoch haben sich zahlreiche Journalistenverbände und Menschenrechtsorganisationen gegen seine Auslieferung positioniert. Sie befürchteten, dass die Anklage einen Präzedenzfall auch für die Strafverfolgung von Journalisten schaffen könnte. Das war bis zuletzt eine reale Gefahr. Dass es nun einen Kompromiss zu geben scheint, ist gut. Zur Symbolfigur der Meinungsfreiheit sollte Assange dennoch nicht überhöht werden.

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