Nach Tod mehrerer Frauen Polens Regierungschef Tusk will Abtreibungsgesetz lockern
Kaum im Amt will Polens neue Regierung das restriktive Abtreibungsgesetz lockern. Unter dem von der PiS-Regierung eingeführten Gesetz waren mehrere Frauen gestorben.
Polens neuer Ministerpräsident Donald Tusk will das bislang restriktive Abtreibungsgesetz lockern. "Wir sind bereit, in den nächsten Stunden einen Entwurf zur legalen und sicheren Abtreibung bis zur 12. Woche ins Parlament einzubringen", sagte Regierungschef Donald Tusk am Mittwoch in Warschau. Ein weiterer Gesetzentwurf soll den Zugang zur "Pille danach" erleichtern. Frauen und Mädchen ab einem Alter von 15 Jahren sollen sie demnach ohne Rezept erhalten können.
Das polnische Gesundheitsministerium feierte Tusks Ankündigung als "großen Moment für uns alle". "Wir geben den Frauen das Recht zurück, über sich selbst zu entscheiden", erklärte das Ministerium in den Online-Netzwerken. Wann das Parlament über die Gesetzentwürfe abstimmen wird, steht allerdings noch nicht fest.
Unklar ist auch, ob Tusks Regierungskoalition eine Mehrheit zustande bekommt. "Wie Sie wissen, gibt es innerhalb der Koalition unterschiedliche Ansichten zu dieser Frage (der Abtreibung)", sagte Tusk. Falls die Gesetzentwürfe vom Parlament verabschiedet werden, muss zudem Polens konservativer Präsident Andrzej Duda die neuen Gesetze noch in Kraft setzen. Er steht der PiS-Partei nahe und ist als Abtreibungsgegner bekannt.
Abtreibungsgesetz eines der restriktivsten in Europa
Das Abtreibungsgesetz ist im katholisch geprägten Polen seit Jahren ein Streitthema: 2021 war es nach einem umstrittenen Urteil des Verfassungsgerichts verschärft worden und ist seit dem so restriktiv wie fast nirgendwo sonst in Europa. Abtreibungen sind demnach nur im Fall von Vergewaltigung oder Inzest erlaubt oder wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist. Vergewaltigungen müssen zudem durch einen Staatsanwalt bestätigt werden, bevor eine Abtreibung legal stattfinden darf. Frauenrechtlerinnen kritisieren in der Vergangenheit, dass diese Regelungen selbst legale Abtreibungen so gut wie unmöglich mache.
Zudem waren auch Ukrainerinnen, die vor dem russischen Angriffskrieg in das Nachbarland geflohen waren, von dem restriktiven Abtreibungsgesetz in Polen betroffen. Sie suchten sich, wie viele andere ungewollt Schwangere, Hilfe bei Organisationen, die Medikamente zur Abtreibung etwa per Post verschicken oder den Eingriff im Ausland organisieren. Mehr dazu lesen Sie hier. Frauenrechtsorganisationen schätzen, dass auf diese Weise jedes Jahr zehntausende Polinnen abtreiben.
Tod von Schwangerer löst Massenproteste aus
Doch das restriktive Abtreibungsgesetz in Polen brachte in der Vergangenheit auch gewollt Schwangere in Gefahr: Erst im vergangenen Jahr löste der Tod einer jungen Frau Massenproteste im ganzen Land aus. Sie war während eines Krankenhausaufenthaltes an einer Blutvergiftung gestorben, nachdem das Fruchtwasser aus der Gebärmutter ausgelaufen war. Mehrere Frauen waren in den vergangenen Jahren so ums Leben gekommen.
Frauenrechtlerinnen warfen den Ärzten vor, dass sie sich trotz der Komplikationen nicht für eine Abtreibung entschieden hätten – aus Angst vor juristischen Folgen. Ärztinnen und Ärzte können wegen einer Abtreibung in Polen bisher mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden.
- Nachrichtenagenturen dpa und AFP
- Eigene Recherche