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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Der tödlichste Erreger der Geschichte ist zurück "Stehen am Beginn des nächsten Teufelskreises"

Seit Jahrzehnten ist die Tuberkulose im Westen eigentlich kein Thema mehr. Doch nach der Entscheidung von Elon Musk und Donald Trump, USAID zu schließen, sind Experten besorgt.
1,2 Millionen Menschen sterben jedes Jahr an Tuberkulose. Mycobacterium tuberculosis ist der tödlichste Erreger der Menschheitsgeschichte. John Green, Autor von "Tuberkulose", schreibt: "Sie ist das fast perfekte Raubtier. (...) 218.000 Kinder werden in diesem Jahr an der Krankheit sterben. Und diese Zahl wird sich in der Zukunft nur erhöhen."
Ein Grund dafür: Donald Trumps und Elon Musks Sparprogramm in der US-Entwicklungshilfe. Bereits kurz nach Amtsantritt höhlte Musk die Behörde USAID aus, bevor er sie schließlich dichtmachte. Damit will er Milliarden einsparen – aber zu welchem Preis?
Tuberkulose ist eine Krankheit, die außergewöhnlich langsam tötet – manchmal hundertmal langsamer als andere Erreger. Green nennt sie deshalb "komisch", aber auch "perfekt für Geschichten", die man langsam aufbauen will.
- 1,5 Millionen Tote jedes Jahr: Tückische Infektion breitet sich weltweit aus
Tuberkulose zehrt den Körper aus
Eine davon erzählt "Red Dead Redemption 2" – mit rund 70 Millionen Verkäufen das siebtbeliebteste Videospiel überhaupt. Im ersten Viertel der Geschichte, die im Amerika von 1899 spielt, versucht der Protagonist, Cowboy Arthur Morgan, Geld von einem kranken Schuldner einzutreiben. Er schlägt den Mann nieder, der hustet Blut. Morgan weiß es noch nicht, doch in diesem Moment beginnt er, zu sterben.
Über Monate lebt Morgan weiter, bemerkt zunächst wenig von seiner Krankheit. Doch dann wird der Protagonist schwächer und schwächer. Auch der Spieler spürt das: Die Figur verliert an Ausdauer, Kraft und Widerstandsfähigkeit. Am Ende kann Morgan kaum noch gehen. Über Monate zieht sich das hin, bis der Cowboy, der noch ein halbes Jahr zuvor der Beschützer seiner Gruppe war, nach einem Kampf letztlich völlig entkräftet dahinsiecht.
Morgan weiß bis relativ kurz vor seinem Tod nicht, welche Krankheit ihn eigentlich so quält – auch deshalb kommt für ihn jede Behandlung zu spät. Tuberkulose war im 20. Jahrhundert auch als Schwindsucht bekannt, eine Krankheit, die den ganzen Körper auszuzehren scheint. Lungen kollabieren, füllen sich mit Wasser oder werden durch die Krankheit so zerstört, dass Menschen beim Atmen ersticken. In anderen Fällen befällt sie das Gehirn oder zerstört das Rückenmark oder führt zu so heftigen Bauchbeschwerden, dass ein Mensch nichts mehr zu sich nehmen kann.
USAID lieferte lebensrettende Medikamente
Heute wissen wir im Großen und Ganzen, womit wir es zu tun haben – und wie man den Erreger behandelt. Ist die Krankheit identifiziert, lässt sie sich meist mit wochenlanger Medikation heilen. Überdies führt nicht jede Tuberkulose-Infektion auch zu einem Ausbruch, oft kann das Immunsystem den Erreger abfangen. Man schätzt, dass weltweit jeder vierte Mensch mit dem Tuberkuloseerreger infiziert ist. Unter normalen Umständen erkranken von ihnen zwischen fünf und zehn Prozent.
Ein Land, das bis vor Kurzem viel Geld und Zeit investiert hat, um den tödlichsten Erreger der Geschichte einzudämmen, sind die USA. Besonders in Afrika und Teilen Asiens, wo Mycobacterium tuberculosis sich besonders in armen Regionen rasend schnell hätte verbreiten können, stellten die Vereinigten Staaten kostenlose oder sehr günstige Medikamente zur Verfügung – alles in dem Bewusstsein, dass eine außer Kontrolle geratene Tuberkulose eine globale Bedrohung wäre.
Um das zu verhindern, gaben die USA viel Geld für USAID aus, die US-Behörde für Entwicklungshilfe – ebenjene Einrichtung, die Elon Musk innerhalb weniger Wochen zerstörte. Das bedeutet nicht nur, dass lebensrettende Medikamente nicht mehr geliefert werden: Bereits vor Ort eingelagerte Dosen können nicht mehr ausgegeben werden, weil die US-Regierung auch die Mitarbeiter im Ausland entlassen hat.
WHO: Ende der US-Hilfen gefährdet Millionen Menschen
Dort hat das dramatische Konsequenzen. Die BBC berichtet vom Fall der 17-jährigen Kajol. Sie lebt in der bangladeschischen Hauptstadt Dhaka. Kajol arbeitet in einer Textilfabrik, ihr Gehalt ernährt neben ihr auch ihre Mutter und ihren Bruder. Im Januar wurde sie krank. Dipa Halder, eine Mitarbeiterin von USAID, ließ Kajol testen. Diagnose: Tuberkulose. Halder besorgte Medikamente – bis im Februar USAID eingestellt wurde. Nun muss die 17-Jährige die Medikamente kaufen – von Geld, das sie nicht hat. "Wir sind arm", sagt Kajol.
Im Jahr 2023 identifizierte USAID selbst mehr als 250.000 Fälle von Tuberkulose in Bangladesch. Fast 300.000 Fälle wurden mithilfe der Behörde erfolgreich behandelt. 2024 gaben die USA eine halbe Milliarde Dollar an Entwicklungshilfe nach Bangladesch, davon allein fast 100 Millionen Dollar für die Bekämpfung von Krankheiten. Die gesamte Entwicklungshilfe, die die USA in diesem Jahr nach Bangladesch schicken, soll rund 71 Millionen Euro betragen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt, dass das Ende der US-Hilfen "Millionen von Leben" in Gefahr bringe.
Experten warnen vor "Super Bug"
113 verschiedene Gesundheitsprogramme in Bangladesch stoppten die USA auf Order von Musk plötzlich im Februar. Das schafft Raum für eine Krankheit, die zwar langsam, aber tödlich ist. Problematisch sind vor allem Fälle wie Kajols: begonnene, aber nicht abgeschlossene Behandlungen.
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Dort, wo der Erreger die Behandlung überlebt und sich mit dem Gelernten in vielen potenziellen Trägern ausprobieren kann, kann er Varianten schaffen – ein Muster, das auch aus der Covid-Pandemie bekannt ist. Selbst wenn Kajol nach wenigen Wochen ihre Behandlung wieder aufnehmen könnte, ist es wahrscheinlich, dass der Erreger bereits eine Resistenz entwickelt hat. Die Sorge vor einem sogenannten "Super Bug", also einer Variante, die mit einer Vielzahl solcher Resistenzen ausgestattet ist, ist unter Experten groß. John Green schreibt in seinem Buch: "Dem Bakterium so viele Gelegenheiten zu geben, Resistenzen zu entwickeln, ist eine Bedrohung für die gesamte Menschheit."
Trumps und Musks Politik und das mit ihr verbundene faktische Ende der US-Entwicklungshilfe machen eine solche Zukunft wahrscheinlich, argumentiert Green. Zwischen 1963 und 2012 seien keine neuen Medikamente gegen Tuberkulose zugelassen worden. "Das ist nicht mehr profitabel, seit die Krankheit in reichen Ländern keine Krise mehr ist." Und so habe die Menschheit "schockierend wenige" Heilmittel, sollte sich der tödlichste Erreger der Geschichte auch nur minimal anpassen. "Der jahrtausendelange Kampf des Menschen gegen Tuberkulose hat viele Teufelskreise hervorgebracht. Ich fürchte, wir stehen am Beginn des nächsten."
- bbc.com: "The TB threat the world tried to ignore" (Englisch)
- theatlantic.com: "A Disease We Know How to Cure Is Killing More People Than Ever" (Englisch, kostenpflichtig)
- theguardian.com: "US aid cuts blamed as ‘untreatable’ TB threat grows in poorest countries" (Englisch)
- vox.com: "How John Green became the unlikely face of the fight against TB" (Englisch)
- Eigene Recherche