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Russland: Kirill ist Putins Geistlicher für den "Heiligen Krieg"


Patriarch Kirill
Putins Mann fürs Geistliche rechtfertigt den Krieg

Von t-online, pri

26.03.2025Lesedauer: 3 Min.
Mit dem Segen der Kirche: Putin (r.) mit Patriarch Kyrill. Die russisch-orthodoxe Kirche steht hinter der Invasion in der Ukraine.Vergrößern des Bildes
Mit dem Segen der Kirche: Russlands Staatschef Wladimir Putin (r.) mit Patriarch Kirill. Die russisch-orthodoxe Kirche stützt die Invasion in der Ukraine. (Quelle: IMAGO/Alexander Kazakov/imago)
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Russische Kräfte gehen in besetzten Gebieten in der Ukraine gegen evangelikale Christen vor. Das passt ins Weltbild des Moskauer Patriarchen Kirill, der hinter der Invasion einen "Heiligen Krieg" wähnt.

Der Patriarch fasst die Einheit von Macht und Altar in Wladimir Putins Russland so auf: "Gott helfe Ihnen, den Dienst, den Gott selbst Ihnen anvertraut hat, weiterhin mit Liebe zum Vaterland und mit Mut fortzusetzen", sagte Kirill I., Patriarch von Moskau und Vorsteher der russisch-orthodoxen Kirche, im vergangenen Jahr zum Beginn von Putins dritter Amtszeit bei einer kleinen Andacht in einer Kirche. Putin bedankte sich mit einem Küsschen. So läuft das zwischen Kirche und Staat in Russland.

Die Bande sind eng. Nicht nur ideologisch. Kirill, 1946 im damaligen Leningrad – heute Sankt Petersburg – geboren, arbeitete für den Geheimdienst KGB. Ebenso wie Putin. 1970 wurde Kirill zum Priester geweiht. An der nationalen Mission der russisch-orthodoxen Kirche ließ er spätestens nach 1990 keinen Zweifel. Regina Elsner, Professorin für Ostkirchenkunde und Ökumenik an der Universität Münster, umschreibt das Verhältnis in einem Forschungsbeitrag so: In Kirills "Doktrin ist das heilige Russland die letzte moralisch saubere Bastion, die den Antichrist noch aufhalten kann".

Vorgehen gegen evangelikale Christen in der Ukraine

Wie das konkret aussieht, schilderte das ukrainische Widerstandszentrum zu Wochenbeginn. So gingen die russischen Kräfte, begleitet von Kirills Geistlichen, zuletzt in den besetzten Gebieten um Cherson gegen religiöse Minderheiten wie evangelikale Christen vor. Moskau inszeniert den Krieg als Kreuzzug. Das Ukrainische Widerstandszentrum berichtete, dass Kirills Priester in der Region dabei zusahen, wie russische Besatzungskräfte ukrainische evangelikale Christen folterten und ukrainische Kinder zwingen, für die "Russkiy Mir" zu beten: die Russische Welt – ein vom Kreml gefördertes geopolitisches Konzept.

Das passt in die Gedankenwelt des Lieblingsphilosophen des russischen Präsidenten: Alexander Dugin. Der Denker sieht den Westen im Verfall. "Solange die Macht in den Händen der globalen Oligarchie ist, brauchen wir keinerlei Gesetze zu beachten – mit Ausnahme der Gesetze des Krieges und der Revolution", so Dugin und: "Der Krieg ist unsere Heimat, unser Element, unser natürliches Muttermilieu, in dem wir lernen müssen, effektiv und siegreich zu existieren."

Russisch-orthodoxe Kirche hat Schlüsselposition bei Putin

So versteht auch Kirill Russlands Überfall auf die Ukraine als Feldzug für eine größere Sache. Die russisch-orthodoxe Kirche "positioniert das Handeln Russlands als Schutz vor Bedrohung und Selbstaufopferung des russischen Volkes gegen den Faschismus. Beide Feindbilder – der dekadente Westen und der Faschismus – wurden seit Jahrzehnten systematisch aufgebaut, auch in innerkirchlichen und ökumenischen Kreisen", notiert die Theologin und Osteuropa-Expertin Regina Elsner. Und, so analysiert die Expertin weiter: "Die Kirche wirkt auch in den Streitkräften nicht mäßigend, sondern sie unterstützt die De-Humanisierung des Gegners durch Feindbilder und eine Sakralisierung des russischen Militärs."

In Kirills eigenen Worten klingt das so: "Aus spiritueller und moralischer Sicht ist die spezielle Militäroperation ein Heiliger Krieg, in dem Russland und sein Volk den einzigen spirituellen Raum des Heiligen Russlands verteidigen." Sein Verständnis ist klar: Russland verfolgt eine größere Mission.

Die Lehre vom gerechten Krieg ist ohnehin schwierig. Der Theologe Thomas von Aquin (1225–1274) forderte im Mittelalter in seiner Schrift "Summa theologica" drei Voraussetzungen für die Legitimation eines Feldzugs: einen gerechten Grund (causa iusta), eine gute Absicht (intentio recta) und eine übergeordnete Legitimation (auctoritas principis). Autorität des Herrschers hieß das damals, heute ließe sich wohl sagen: UN-Beschluss.

Kirill sieht "Mächte des Bösen in Kiew"

Kirill sieht das anders. Bereits unmittelbar nach Beginn des Überfalls im Februar 2022 wähnte er in Kiew die "Mächte des Bösen". Theologin Elsner stellt fest: "Die russische orthodoxe Kirche hat Russlands Politik gegenüber der Ukraine seit dem Amtsantritt von Wladimir Putin bedingungslos unterstützt. Eine wichtige Rolle spielt dabei das transnationale Selbstverständnis der Kirche, die den gesamten postsowjetischen Raum als ihr kanonisches Territorium ansieht und nationale Grenzen als Gegebenheit der Gegenwart zwar toleriert, aber als spirituell und kulturell bedeutungslos erachtet."

Die russisch-orthodoxe Kirche folgt dem Machtanspruch des russischen Staates. Und umgekehrt.

So gingen die russischen Kräfte zuletzt in den besetzten Gebieten um Cherson auch gegen religiöse Minderheiten wie evangelikale Christen vor. Das meldete das ukrainische Widerstandszentrum nach einem Bericht des Institute for the Study of War zu Wochenbeginn. Dazu passt, dass demnach auch Kirchen der orthodoxen-ukrainischen Kirchen umgewandelt und Kirills Patriarchat in Moskau unterstellt werden. Beide Kirchen hatten sich nach Russlands Invasion in der Ukraine getrennt.

Kirill verfolgt nun eine Sakralisierung der Macht. So überreichte Kirill Putin bei der Dank-Andacht zu Beginn seiner dritten Amtszeit im vergangenen Jahr nicht nur eine Ikone der heiligen Gottesmutter Maria aus dem 17. Jahrhundert. Er verabschiedete ihn auch mit den Worten: "Sie haben alles, um diesen großen Dienst für das Vaterland lange und erfolgreich zu verrichten." Für Kirill klang das wie ein Segen. Für alle anderen wie eine Drohung.

Verwendete Quellen

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

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