Taiwans künftiger Präsident Lai Ein "neues Kapitel der Demokratie"?
Taiwans zukünftiger Präsident Lai Ching-te setzt den Peking-kritischen Kurs der scheidenden Präsidentin fort. Er wolle aber "die Tür für Austausch und Zusammenarbeit" öffnen.
Er galt bereits als Favorit – nun hat der Unabhängigkeitsbefürworter Lai Ching-te von der Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) die Präsidentschaftswahl in Taiwan deutlich gewonnen. Der 64-Jährige hatte schon mehrere hohe politische Ämter inne, seit vier Jahren ist er Vizepräsident Taiwans. Als Staatsoberhaupt will Lai den Peking-kritischen Kurs der scheidenden Amtsinhaberin Tsai Ing-wen fortsetzen.
Der Sohn eines Bergarbeiters studierte in Harvard und arbeitete als Arzt, bis er vor fast 30 Jahren in die Politik wechselte. Er war Abgeordneter, Bürgermeister der Stadt Tainan im Südwesten des Inselstaates und Regierungschef.
Wahl sei eine Entscheidung zwischen "Demokratie und Autokratie"
Lai selbst nennt sich einen "pragmatischen Verfechter der Unabhängigkeit Taiwans" – und geht noch deutlicher auf Distanz zur kommunistischen Volksrepublik China als die scheidende Präsidentin Tsai, die nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten durfte.
Peking, das Taiwan als abtrünnige Provinz betrachtet, beschimpfte ihn und seine Vizekandidatin Hsiao Bi-khim, die ehemalige taiwanische Vertreterin in Washington, als "gefährliches Unabhängigkeitsduo". Lai bezeichnete die Wahl im Vorhinein als eine Entscheidung zwischen "Demokratie und Autokratie".
Er zeigte sich jedoch bereit, "die Tür für den Austausch und die Zusammenarbeit mit China zu öffnen, wenn die Voraussetzungen für Gleichheit und Würde gegeben sind". Im August, nach einem Besuch Lais in Paraguay mit zwei Zwischenstopps in den USA, hielt China riesige Manöver rund um Taiwan ab.
Lai will sich für Frieden und Stabilität einsetzen
In seiner Siegesrede dankte Lai den Wählern am Samstag für das "neue Kapitel der Demokratie" auf der Insel. Sie hätten allen Versuchen zur Beeinflussung der Wahl widerstanden, sagte er und zeigte sich entschlossen, Taiwan weiterhin vor "Drohungen und Einschüchterungen aus China zu schützen". Auch international werde Taiwan stets "auf der Seite der Demokratie stehen".
Gleichzeitig versprach der künftige Präsident, sich weiter für Frieden und Stabilität in der Region einzusetzen. Er werde am Status quo nicht rütteln.
In der Hoffnung, junge, von der DPP-Regierung enttäuschte Wähler zurückzugewinnen, hatte Lai im Wahlkampf auch versprochen, die Löhne zu erhöhen, die Steuern zu senken und mehr Sozialwohnungen zu schaffen. Auch daran wird er sich nun messen lassen müssen.
- Nachrichtenagentur afp