Mutmaßliche Hamas-Geisel Sie wollte Frieden mit Palästina – dann kamen die Terroristen
Eine 74-jährige Friedensaktivistin kämpft ihr Leben lang für eine Aussöhnung mit den Palästinensern. Nun ist sie den Hamas-Terroristen wohl zum Opfer gefallen.
Kurz bevor der Kontakt zu ihrem Sohn abriss, schrieb Vivian Silver per WahtsApp noch folgende Nachricht: "Ich fühle dich an meiner Seite". So berichtete es der "Stern". Dann hörte der Sohn, Yonatan Zeigen, nichts mehr von seiner Mutter. Nur noch Schüsse vor ihrem Haus im israelischen Kibbuz Be'erim, wo sich die 74-Jährige in einem Schutzraum versteckt hatte.
Doch dort war sie nicht mehr, als die israelischen Sicherheitskräfte den Ort von Hamas-Terroristen befreiten. Es war am Samstagmorgen, um kurz vor sechs Uhr, als bewaffnete Mitglieder der islamistischen Terrororganisation die Siedlung, die nur wenige Kilometer von der Grenz zum Gazastreifen liegt, überfielen und viele ihrer Einwohner töteten. Auch Vivian Silver?
"Ich glaube nicht, dass sie sie getötet haben", sagte Yonatan Zeigen dem australischen Sender "ABC". "Dann hätten sie es ja an Ort und Stelle tun können. Ich glaube, sie haben sie mitgenommen, um sie als Geisel auszutauschen. Sie brauchen sie, um etwas zu erpressen. Es wäre furchtbar, wenn wir das nicht schaffen, wegen der aggressiven Politik", so der Sohn Silvers. "Ich will sie nur zurückhaben."
Schwer erkrankte Kinder zur Behandlung gefahren
Genau diese aggressive Politik der israelischen Regierung könnte nach Ansicht von Experten aber dazu führen, dass die Geiseln den Krieg nicht überleben. Sollte die israelische Armee sich zu einer Bodenoffensive in Gaza entscheiden, sinken die Überlebenschancen der Menschen, die die radikalislamische Hamas in ihrer Gewalt hat, rapide. "Wenn es dazu kommt, ist aber klar: Es werden viele Geiseln sterben", sagte der deutsche Militärexperte Carlo Masala dem Sender "n-tv".
Und derzeit sieht es ganz danach aus, als ob eben jene Bodenoffensive vorbereitet würde. 150.000 Soldaten hat Israels Armee an der Grenze zum Gazastreifen bereits zusammengezogen. Weitere sind mobilisiert. Das erklärte Ziel der israelischen Regierung um Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ist die Auslöschung der Hamas. Was könnte das für Vivian Silver bedeuten?
Die 74-Jährige wurde in Kanada geboren, wanderte als Kind nach Israel aus und engagiert sich seitdem in der Friedensbewegung. Sie war eine der lautesten Stimmen einer Versöhnung mit den Palästinensern. So fuhr sie regelmäßig in die palästinensischen Gebiete, um dort schwer erkrankte Kinder aufzunehmen und sie zur Behandlung in Krankenhäuser in Israel zu bringen. Wenige Tage vor dem Hamas-Terror demonstrierte sie mit Gleichgesinnten noch beim "Woman Wage Peace"-Marsch für Frieden und Aussöhnung mit den Palästinensern.
An einer Verhandlungslösung nicht interessiert
"Ihr ganzes Leben lang engagiert sie sich schon für die Gesellschaft und für den Frieden. Das ist Teil ihrer DNA", sagt Ron Finkel, ein australischer Geschäftsmann und Freund Silvers. Paradoxerweise könnte ihr das Engagement für Aussöhnung und für einen Frieden mit den Palästinensern nun zum Verhängnis werden.
Silvers Sohn fürchtet, dass die Hamas-Terroristen ihre palästinensischen Kontakte auf ihrem Handy finden könnten. Das würde ihre Überlebenschancen weiter schmälern. Denn die Hamas ist an Frieden nicht interessiert, ihre Mitglieder verachten jene Palästinenser, die eine Verhandlungslösung mit Israel anstreben.
So bleibt den Angehörigen und Freunden der Friedensaktivisten nur die Hoffnung auf ein Wunder. Angesichts der Gräueltaten, die die Hamas in Israel verübte, ist es jedoch eine kleine Hoffnung. Allein in Silvers Kibbuz Be'eri töteten die Terroristen 100 Menschen, darunter auch Kinder. Einige Bewohner trieben sie aus ihren Häusern und richteten sie später an einer Straße hin. Vivian Silver war nicht darunter. Von ihr fehlt nach wie vor jedes Lebenszeichen.
- stern.de: "Vivian Silver warb um Verständigung mit den Palästinensern – und wurde nun Opfer der Hamas" (kostenpflichtig)
- ntv.de: "Carlo Masala: "Es werden viele Geiseln sterben""
- abc.net.au: "Family of peace activist feared kidnapped by Hamas urges Israel to negotiate" (englisch)