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Bergkarabach | Explosion an Tankstelle: Armenien fliegt erste Verletzte aus


Dutzende Tote, Hunderte Verletzte
Nach Explosion: Armenien fliegt Verletzte aus Bergkarabach aus

Von dpa, reuters, afp, mam

Aktualisiert am 26.09.2023Lesedauer: 4 Min.
Russische Militärhelikopter fliegen über Goris, nahe der armenisch-aserbaidschanischen Grenze: Einige Verletzte konnten aus Bergkarabach geholt werden.Vergrößern des Bildes
Russische Militärhelikopter fliegen über Goris, nahe der armenisch-aserbaidschanischen Grenze: Einige Verletzte konnten aus Bergkarabach geholt werden. (Quelle: IRAKLI GEDENIDZE/reuters)

Nach dem Angriff Aserbaidschans auf Bergkarabach müssen Tausende Armenier ihre Heimat verlassen. Hunderte wurden Opfer einer Explosion, als sie für Benzin anstanden.

Nach einer Explosion an einer Tankstelle in Bergkarabach, fliegt Armenien mehrere Schwerverletzte mit Hubschraubern aus der Region aus. Das teilte das Gesundheitsministerium des Landes am Dienstag mit. Zuvor hatte der Ombudsmann für Menschenrechte der Region Bergkarabach einen Transport der Verletzten mit Flugzeugen gefordert. Dazu musste Aserbaidschan den Luftraum freigeben.

Zugleich bot das verfeindete Aserbaidschan die Aufnahme von Opfern der Explosion an. Krankenhäuser mehrerer Landkreise seien für die Versorgung einer großen Zahl von Patienten aus Bergkarabach vorbereitet worden, teilte der aserbaidschanische Präsidentenberater, Hikmet Hajiyev, am Montag laut Medienberichten mit.

Bei einer Explosion an einer Tankstelle in Bergkarabach waren am Montagabend 68 Menschen gestorben, 290 Menschen sollen schwer verletzt sein, wie das Gesundheitsministerium der südkaukasischen Region am Dienstagabend mitteilte. Das Schicksal von etwa 100 Menschen sei noch ungeklärt. Bis dahin war von etwa 20 Toten die Rede gewesen. Die Ursache der Explosion ist noch unklar.

Video | Verletzte und Tote nach Explosion
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Quelle: reuters

Auf Fotos in sozialen Netzwerken waren große Flammen zu sehen. Die Politikerin Metakse Akopjan erklärte, an dem Lager hätten zum Zeitpunkt des Unglücks viele Menschen für Benzin angestanden, weil sie mit Autos vor den Aserbaidschanern nach Armenien fliehen wollten. Ob die Armenier nun ihre verletzten Landsleute ausgerechnet in die Obhut des verfeindeten und autoritär geführten Aserbaidschans geben wollen, ist fraglich.

Medikamente und Hilfsgüter sind nach Blockade durch Aserbaidschan knapp

Die Lage für die Menschen in Bergkarabach ist prekär. Nachdem Aserbaidschan in der vergangenen Woche die überwiegend von Armeniern bewohnte Kaukasusregion angegriffen hatte, ergaben sich die örtlichen Behörden. Tausende Menschen versuchen seither, aus ihrer Heimat zu fliehen. Die armenische Regierung meldet, dass bis Dienstag bereits 13.350 Geflüchtete in Armenien angekommen seien. Insgesamt wird die Zahl der Bewohner in Bergkarabach auf 120.000 geschätzt.

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Das Menschenrechtsbüro der Region appellierte nach der Explosion an die internationale Gemeinschaft: Es sei dringend nötig, insbesondere schwer verletzte Menschen zur Behandlung auszufliegen. "Die medizinischen Kapazitäten Bergkarabachs sind nicht ausreichend, um die Leben der Menschen zu retten", hieß es in der Mitteilung auf der früher als Twitter bekannten Plattform X.

Grund dafür ist, dass Bergkarabach bereits seit Monaten durch die aserbaidschanische Blockade des Latschin-Korridors von der Außenwelt abgeschnitten war. Medikamente und Hilfsgüter konnten nicht in die Region geliefert werden.

Menschen fliehen aus Bergkarabach

Die Führung von Bergkarabach hatte den Ausreisewilligen zuvor Unterstützung zugesagt. Ihnen werde kostenloser Treibstoff zur Verfügung gestellt, teilten die Behörden der selbst ernannten Republik Arzach mit. Wie viel Treibstoff in der Region vorrätig ist, ist unklar. In der Hauptstadt Stepanakert waren Menschen zu sehen, die ihre Habseligkeiten in Busse und auf Laster luden. Mehrere Personen liefen am Montagmorgen mit Benzinkanistern zu einer Tankstelle.

Doch nicht alle haben ein Auto und können selbstständig fliehen. Zahlreiche Männer und Frauen standen am Morgen Schlange, um in Busse nach Armenien zu steigen. Viele mit Kindern. Auf den Straßen nach Armenien bildeten sich auch am Montagabend noch Staus.

"Es geht um ihr Leben"

Aserbaidschan hatte nach seinem Angriff zugesagt, die Rechte der ethnischen Armenier in dem Gebiet zu respektieren. Diese befürchten jedoch – auch aufgrund der aserbaidschanischen Propaganda, die Armenier etwa als "Ungeziefer" oder "Tiere" bezeichnet –, unterdrückt zu werden. Zudem mehrten sich nach der Kapitulation der Menschen in Bergkarabach Berichte von Folter durch aserbaidschanische Soldaten aus dem Gebiet. Ferner sollen diese teils gegen die Waffenruhe verstoßen haben. Unabhängig überprüfen lassen sich die Berichte nicht.

Auch Beobachter und Experten sehen in Bergkarabach keine Zukunft mehr für Armenierinnen und Armenier. "Kein Armenier ist mehr sicher in Bergkarabach, ob nun mit oder ohne Waffenruhe", sagte etwa Südkaukasus-Experte Stefan Meister kurz nach der Kapitulation Armeniens. "Die Armenier werden Bergkarabach verlassen müssen oder es geht um ihr Leben. Ich sehe keine Alternative", so Meister. Genau das zeichnet sich am Montag ab. Meister spricht von einer "ethnischen Säuberung" Bergkarabachs. Das ganze Interview lesen Sie hier.

Moskau: Armenien hat sich Angriff selbst zuzuschreiben

Bergkarabach hatte sich nach dem Zerfall der Sowjetunion von Aserbaidschan losgesagt, was international jedoch nicht anerkannt wurde. Nach dem Ergebnis des Krieges um Bergkarabach, den Aserbaidschan im Jahr 2020 gegen Armenien führte, wurde die Region Aserbaidschan zugesprochen. Bewohnt wurde das Gebiet jedoch weiterhin größtenteils von ethnischen Armeniern. Aserbaidschan startete dann am Dienstag vergangener Woche einen Angriff auf die Region.

Einen Tag später stimmten die Armenier in Bergkarabach notgedrungen einer Feuerpause zu. Bei dem Vorstoß Aserbaidschans sollen Hunderte Menschen getötet und verletzt worden sein, darunter zahlreiche Zivilisten. Entgegen den Behauptungen Aserbaidschans, nur "militärische Ziele" anzuvisieren, verübte das Land auch Militärschläge auf Wohngebäude.

Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion hatte sich Armenien in dem regionalen Streit auf Russland verlassen. Aserbaidschan wiederum näherte sich der Türkei an. Das Außenministerium in Moskau erklärte am Montag, Armenien habe sich die Niederlage selbst zuzuschreiben, weil es sich dem Westen zugewandt habe. Russland war seiner Aufgabe als Schutzmacht Armeniens und Bergkarabachs nach Einschätzung internationaler Experten nicht nachgekommen.

Ist das Alijews nächstes Ziel?

Unterdessen empfing der aserbaidschanische Präsident Ilham Alijew seinen türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdoğan in der autonomen Exklave Nachitschewan, die durch armenisches Gebiet vom Rest Aserbaidschans getrennt ist. Erdoğan gratulierte Alijew zu der Eroberung Bergkarabachs. Der aserbaidschanischen Armee sei ein "historischer Erfolg" gelungen, lobte der türkische Präsident. Mit der Unterstützung der Türkei leite man die regionalen Entwicklungen in die richtige Richtung, sagte Alijew.

Am Nachmittag wollte er mit Erdoğan an der Grundsteinlegung für eine neue Erdgaspipeline zwischen der Türkei und der daran angrenzenden aserbaidschanischen Exklave Nachitschewan teilnehmen. Aserbaidschan macht zunehmend Druck auch auf Gebiete im Südosten Armeniens, um einen Korridor nach Nachitschewan zu schaffen, das zum Großteil von Armenien und dem Iran umschlossen ist. Alijew beklagte im Rahmen des Treffens die fehlende Verbindung zwischen den beiden Regionen. Er hatte 2021 deren Einrichtung ins Spiel gebracht, "ob es Armenien gefällt oder nicht". Beobachter befürchten, dass dies sein nächstes Ziel sein könnte.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa, Reuters und AFP
  • Eigene Recherche
  • facebook.com: ministryofhealthcare (englisch)
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