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Nato-Beitritt Schwedens: Erdoğan mit überraschender Forderung


Debatte um Nato-Beitritt Schwedens
Scholz kritisiert Erdoğans überraschende Forderung

Von afp, dpa, lw

Aktualisiert am 10.07.2023Lesedauer: 3 Min.
Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan erhöht den Druck auf die EU: Sein Land wolle dem Nato-Beitritt Schwedens zustimmen, sofern der Beitrittsprozess der Türkei zur EU deutlich fortschreite.Vergrößern des BildesDer türkische Staatschef Recep Tayyip Erdoğan erhöht den Druck auf die EU: Sein Land wolle dem Nato-Beitritt Schwedens zustimmen, sofern der Beitrittsprozess der Türkei zur EU deutlich fortschreite. (Quelle: IMAGO/PRESIDENT OF UKRAINE \ apaimages)

Seit Monaten blockiert die Türkei einen Beitritt Schwedens zur Nato. Nun überrascht Erdoğan mit einer Forderung.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat für seine Zustimmung zur Aufnahme Schwedens in die Nato eine Belebung der Beitrittsgespräche der Türkei zur EU gefordert. Vor dem Abflug zum Nato-Gipfel sagte Erdoğan am Montag in Istanbul an die EU-Länder gerichtet: "Ebnet zunächst den Weg der Türkei in die Europäische Union, danach ebnen wir den Weg für Schweden, so wie wir ihn für Finnland geebnet haben."

Die Äußerung kommt überraschend. Neben Ungarn ist die Türkei das einzige der 31 Nato-Länder, dessen Parlament das Beitrittsgesuch Schwedens noch nicht ratifiziert hat. Die Türkei wirft Schweden vor, Zufluchtsort für "Terroristen" zu sein, womit vor allem Mitglieder der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gemeint sind. Zudem äußerte Erdoğan zuletzt scharfe Kritik an einer Koran-Verbrennung in Stockholm.

Scholz: "Schweden erfüllt alle Voraussetzungen"

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wies Erdoğans Forderung zurück. "Schweden erfüllt alle Voraussetzungen", sagte Scholz am Montag bei einer Pressekonferenz in Berlin. "Die andere Frage ist eine, die damit nicht zusammenhängt. Und deshalb, finde ich, sollte man das auch nicht als ein zusammenhängendes Thema verstehen."

Scholz sagte, er wolle sich weiter dafür einsetzen, dass der Nato-Beitritt Schwedens "so schnell wie möglich, am besten gestern" erfolge und nehme als positive Botschaft aus den Äußerungen Erdoğans mit, "dass das auch aus seiner Perspektive eine vorstellbare Entscheidung der nächsten Zeit ist".

Die EU-Kommission sei beauftragt worden, über den Stand der Beziehungen zur Türkei zu berichten und "wie wir die Zusammenarbeit zwischen der EU und der Türkei wieder verbessern und voranbringen können", sagte Scholz weiter.

An diesem Montagnachmittag sollte es in Litauens Hauptstadt Vilnius einen weiteren Schlichtungsversuch geben: Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg trifft sich dort mit Erdoğan und dem schwedischen Regierungschef Ulf Kristersson. In Vilnius beginnt am Dienstag der zweitägige Nato-Gipfel.

Gespräche wurden auf Eis gelegt

Angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hatte Schweden im Mai 2022 gemeinsam mit Finnland die Nato-Mitgliedschaft beantragt. Finnland wurde Anfang April als 31. Mitglied im Bündnis willkommen geheißen, Schweden fehlte dagegen weiterhin die Zustimmung aus der Türkei und auch aus Ungarn.

Die EU hatte bereits 2005 mit der Türkei Beitrittsgespräche begonnen. Diese wurden allerdings vor einigen Jahren wieder auf Eis gelegt, weil Brüssel inakzeptable Entwicklungen im Bereich der Rechtsstaatlichkeit sah.

Menschenrechtler kritisieren unter anderem, dass die Türkei Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) missachtet. Dieser hatte etwa die Freilassung des inhaftierten Kulturförderers Osman Kavala sowie des Oppositionspolitikers Selahattin Demirtas angeordnet.

Röttgen wirft Erdoğan Erpressung vor

Der Vorsitzende der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe, Max Lucks (Grüne), sagte der Deutschen Presse-Agentur, ohne eine Umsetzung von EGMR-Urteilen ergäben Beitrittsverhandlungen mit der Türkei keinen Sinn. "Statt Querverhandlungen anzustreben, kann Präsident Erdoğan auch selbst die Grundlage für Beitrittsverhandlungen mit der EU schaffen, indem er beispielsweise seine eklatanten Verletzungen der Europäischen Menschenrechtskonvention einstellt."

Ähnlich äußerte sich die Türkei-Vertreterin der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, Emma Sinclair-Webb. Um mit der EU voranzukommen, müsse die Türkei "die Inhaftierung von Journalisten, Aktivisten der Zivilgesellschaft und Politikern beenden", sagte sie.

CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen warf Erdoğan Erpressung vor. Erdoğan müsse verstehen lernen, dass die Nato und die EU vollständig getrennte Organisationen seien, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Beiden ist indessen gemeinsam, dass Erpressung als Umgangsform nicht akzeptiert wird."

Verschärfung der Anti-Terror-Gesetze in Schweden

Die Türkei, Finnland und Schweden waren sich eigentlich bereits auf dem Nato-Gipfel im vergangenen Sommer in Madrid einig geworden. In der spanischen Hauptstadt hatten sie damals ein Memorandum unterzeichnet, in dem die beiden nordischen Länder auf die von Beginn an vorgebrachten Bedenken der Türkei eingingen.

Erdoğan betonte nun erneut, dass Schweden die Bedingungen im Memorandum aus seiner Sicht weiter erfüllen müsse, um in Sachen Nato-Beitritt voranzukommen. Nato-Generalsekretär Stoltenberg betonte dagegen am Montag in Vilnius, Schweden habe die Vereinbarungen erfüllt und nannte als Beispiel die Verschärfung der Anti-Terrorgesetze. Er gab sich trotz Erdoğans Vorstoß zuversichtlich. Eine "positive Entscheidung" in Vilnius sei noch immer möglich.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen AFP und dpa
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