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Polens Aufstieg zur Militärmacht: "Bereiten uns auf den Krieg vor"


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Militärmacht Polen
"Bereiten uns auf den Krieg vor"


Aktualisiert am 13.12.2022Lesedauer: 5 Min.
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Südkoreanische Panzer und Haubitzen in Gdynia: Die Lieferung ist nur ein kleiner Teil eines großen Waffendeals mit der polnischen Regierung. (Quelle: Katarzyna Naworska/imago-images-bilder)
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Während in Deutschland die Munition ausgeht und wichtige Waffenkäufe ins Stocken geraten, kauft Polen fleißig schweres Gerät ein. Das hat Folgen.

Für Mariusz Błaszczak ist es ein Erfolg. Allen, die an Polen zweifeln, will der Verteidigungsminister an diesem Tag im Hafen von Gdynia klarmachen, "dass Wollen Können bedeutet". Für sein Land bedeutet das: "Wir wollen Frieden, also bereiten wir uns auf den Krieg vor."

Hinter Błaszczak sind neue Haubitzen und Panzer aus Südkorea aufgereiht. Sie sind Teil des größten Rüstungsdeals, den das asiatische Land jemals abgeschlossen hat.

Zehn neue Panzer und 24 Haubitzen mögen in deutschen Ohren schon nach einer verhältnismäßig großen Menge klingen. Die Bundesregierung hat in zehn Monaten Ukraine-Krieg gemeinsam mit den Niederlanden die recht überschaubare Zahl von insgesamt 14 Panzerhaubitzen 2000 an die Ukraine abgegeben. Auch bei den eigenen Soldaten ist die Modernisierung ins Stocken geraten – trotz eines 100 Milliarden schweren Sondervermögens und der "Zeitenwende"-Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).

In Berlin wird etwa weiter über den Kauf von 35 F-35-Kampfjets gestritten und ein "Munitionsgipfel" sollte klären, womit die deutschen Soldaten ihre Waffen künftig überhaupt abfeuern sollen.

Ganz anders in Polen: Dort läuft die Modernisierung der eigenen Streitkräfte auf Hochtouren. Am Ende der Entwicklung könnte das Land die bestimmende Militärmacht in Zentraleuropa werden – und Deutschland den Rang ablaufen.

Gesetz im Eiltempo

"Die Polen rufen militärisch ihr Leistungspotenzial gerade ab, während wir Deutschen es reduzieren", sagt Christian Mölling von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) im Gespräch mit t-online. Die von der nationalistischen PiS-Partei geführte Regierung verkauft die Maßnahmen als notwendig für den Schutz gegenüber Russland. Doch wie die polnische Aufrüstung abläuft, spiegelt zugleich das schwierige Verhältnis zum deutschen Nachbarn wider.

Die Weichen für den neuen Kurs hatte Warschau bereits kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im März gestellt: Im Schnelldurchlauf hatte die PiS-geführte Regierung ein Gesetz durchgebracht, das die polnischen Streitkräfte massiv ausbauen sollte. Bei der Unterzeichnung sagte Polens Präsident Andrzej Duda, Polen müsse sich gegen die "gierigen, imperialen" Ambitionen Russlands verteidigen können.

Aktuell kann Polen laut Nato-Angaben insgesamt 123.000 Soldaten mobilisieren. Zum Vergleich: Die Bundeswehr kommt insgesamt auf 189.000. Die größte Armee der Nato stellen die USA mit 1,3 Millionen Männern und Frauen in Uniform, gefolgt von der Türkei mit 447.000.

Perspektivisch will die polnische Regierung aber mehr: Bis 2035 soll die Armee insgesamt 300.000 Soldaten umfassen. Dafür hat Warschau auch die Ausbildungsverfahren beschleunigt: Freiwillige können seit April eine Grundausbildung in 28 Tagen absolvieren, anschließend folgt eine elfmonatige Fachausbildung.

Zusätzlich steigert der Staat seine ohnehin schon hohen Verteidigungsausgaben: Während Deutschland darum ringt, das sogenannte Zwei-Prozent-Ziel der Nato überhaupt zu erreichen, strebt Polen im kommenden Jahr an, drei Prozent seines Bruttoinlandsproduktes in die Verteidigung zu stecken, mittelfristig sollen es sogar fünf Prozent sein. Das Land wäre dann der Nato-Staat mit den verhältnismäßig höchsten Verteidigungsausgaben.

Große Deals mit den USA und Südkorea

Auf dem Rüstungsmarkt kauft Polen allerdings schon jetzt groß ein. Neben den Deals mit Südkorea hat die Regierung auch Großaufträge an US-Firmen vergeben: Mehr als 1.300 Panzer und 600 Haubitzen und Dutzende Kampfjets soll die polnische Armee in den nächsten Jahren erhalten. Dazu kommen 24 Kampfdrohnen aus der Türkei oder 20 Himars-Mehrfachraketenwerfer. Auch der Kauf von weiteren Hunderten Raketenwerfern aus den USA und Südkorea ist im Gespräch.

Teilweise dienen die Waffenlieferungen dazu, leere Bestände wieder aufzufüllen: Rund 250 der amerikanischen Abrams-Panzer sollen die über 200 T-72-Panzer aus Sowjetzeiten ersetzen, die Polen im Frühjahr an die Ukraine abgegeben hat. Der geplante "Ringtausch" mit Berlin, demzufolge Deutschland die alten Panzer ersetzen sollte, ist vorerst geplatzt.

"Misstrauensvotum gegen Deutschland"

"Diese Aufrüstung ist auch ein Misstrauensvotum gegen Deutschland", sagt Rüstungsexperte Christian Mölling. Eigentlich habe Polen schon vor dem Krieg weitere Kampfpanzer aus Deutschland kaufen wollen. Allerdings habe man dem Land auch damals kein entsprechendes Angebot gemacht. "Berlins Zögern, die Untätigkeit, stellt den Wert des Bündnisses mit Deutschland ernsthaft infrage. Und das sagen nicht nur wir", beschwerte sich Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki im "Spiegel". Er höre auch Klagen von anderen europäischen Regierungschefs.

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(Quelle: teutopress GmbH/imago-images-bilder)

Christian Mölling ist seit Februar 2017 Forschungsdirektor der DGAP und Leiter des Programms Sicherheit und Verteidigung. Vor seiner Tätigkeit bei der DGAP arbeitete er unter anderem beim German Marshall Fund, bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), an der ETH Zürich sowie an der Universität Hamburg.

Doch dabei scheint es nicht zu bleiben: Auch die USA sollen zunehmend verärgert über die Bundesregierung sein, der verlässlichere Verbündete für die US-Regierung sitzt mittlerweile in Warschau. "Polen ist zu unserem wichtigsten Partner in Kontinentaleuropa geworden", zitierte das Nachrichtenportal "Politico" zuletzt einen hochrangigen US-Vertreter.

Politische Zweifel an Polen

Experte Mölling sieht das ähnlich: "Furchtbar genervt" sei man in Washington, weil Scholz und seine Minister die USA immer wieder als argumentativen Schutzschild benutzten, um ihre eigene Untätigkeit bei der Ukraine-Unterstützung zu erklären: "Washington ist ständig die Entschuldigung dafür, dass die Bundesregierung etwas nicht tun kann."

Doch dass die neue Waffenpartnerschaft Washington und Warschau noch enger zusammenschweißt, ist nicht ausgemacht: "Militärisch gibt es durchaus eine Tendenz zu Polen", sagt Christian Mölling. Ganz so einfach sei es aber dann doch nicht, denn es gebe eine zweite Perspektive, die man beachten müsse: "Die Frage bleibt, ob Polen politisch kooperationsfähig ist."

Die PiS-Regierung steht seit Jahren in der Kritik, den polnischen Rechtsstaat anzugreifen und Justiz und Medien stärker politisch zu kontrollieren. Seit Monaten blockiert etwa die EU Coronahilfen in Milliardenhöhe, weil Brüssel eklatante Mängel im polnischen Justizsystem sieht.

PiS steht vor schwierigen Wahlen

Die polnische Regierung zeigt sich bei dem Thema bisher wenig einsichtig: Der einflussreiche Parteichef der PiS, Jarosław Kaczyński, keilt im Moment besonders hart gegen Deutschland und die EU. Der Polen-Beauftragte der Bundesregierung warf der PiS gar "antideutsche" Tendenzen vor.

Streit zwischen den Nachbarn brach auch über die Frage aus, ob Deutschland Polen Patriot-Luftabwehrsysteme liefern soll. Erst nach einigem Hin und Her einigte man sich. Die harte PiS-Rhetorik könnte aber auch damit zusammenhängen, dass die Partei dadurch auf mehr Stimmen bei den Parlamentswahlen im kommenden Jahr hofft. Aktuelle Umfragen sehen die PiS nicht mehr auf Rang eins.

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"Eine andere Regierung würde militärisch ähnliche Entscheidungen treffen. Die Kritik an Deutschland und der EU wäre in der Sache vergleichbar, aber im Ton wohl nicht so scharf formuliert", sagt Kai-Olaf Lang von der Stiftung Wissenschaft und Politik zu t-online. Dass die USA auch deshalb gerade stärker auf Polen setzen, hänge auch mit der gemeinsamen Grenze zur Ukraine zusammen, die gerade um ihre Existenz als Staat kämpft.

Ob Polen aber dauerhaft wichtiger für die USA als Deutschland wird, halten sowohl Lang als auch Christian Mölling für unwahrscheinlich. Politisch sieht Mölling noch immer eine größere Nähe zwischen Washington und Berlin. Und militärisch sei eine Abkehr nicht ganz so einfach, glaubt Kai-Olaf Lang – allein schon wegen Ramstein, dem größten US-Luftwaffenstützpunkt außerhalb der USA: "Ramstein ist in Deutschland. Das kann man nicht so leicht woanders hinbauen", sagt Lang.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Christian Mölling
  • Interview mit Kai-Olaf Lang
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