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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Groll gegen verstorbene Monarchin So denken Iren über den Tod der Queen
Die meisten Menschen im Vereinigten Königreich trauern über den Tod ihrer Königin Elizabeth II. Im benachbarten Irland ist die Meinung dagegen geteilt.
Iren und Briten gelten nicht gerade als die besten Freunde. Nach dem Tod der britischen Königin Elizabeth II. richteten sich die Augen und Ohren vieler Beobachter deshalb auf die Nachbarinsel Großbritanniens. Die Reaktionen der Iren ließen nicht lange auf sich warten.
Als die Fußballmannschaft Shamrock Rovers aus der irischen Hauptstadt Dublin am Todestag der Queen ein Heimspiel austrägt, schallen Sprechchöre durch das Tallaght Stadium: "Lizzy's in a box" ("Elizabeth ist im Sarg").
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Auch in anderen Regionen Irlands reagieren Menschen mit wenig Respekt auf den Tod der britischen Monarchin. In der Kleinstadt Bundoran im Nordwesten des Landes spielt der Folk-Musiker Christy Moore am Donnerstagabend ein Konzert. Eine halbe Stunde alt war die Nachricht vom Tod der Queen, als sich die Tore des Konzertsaals öffneten. An der Bar prosten sich einige Zuschauer zu. "Auf Lizzys Fahrt in die Hölle!", ruft ein Mann im Irlandtrikot durch den Raum. Das Folk-Konzert scheint in Bundoran nicht der einzige Grund für die ausgelassene Stimmung zu sein.
Geteilte Meinungen in Dublin
Zwei Tage nach Elizabeths Tod sind die Straßen in der irischen Hauptstadt Dublin voll. Die Stadt ist bekannt für ihre Pub-Kultur, und die Iren leben sie am Samstagabend aus. Vor einer Bar räumt ein Kellner Biergläser von den Außentischen. "Zum Tod der Königin gebe ich lieber keinen Kommentar ab", sagt er und bläst Luft in seine Wangen. "Wenn man mich dann später erkennt, geht es nicht gut für mich aus."
Ein anderer Ire ist da schon auskunftsfreudiger. Dru kommt gerade aus einem Kebap-Laden auf der Dubliner Ausgehmeile. "Ich bin glücklicher, seitdem Lizzy tot ist", sagt er. "Sie hat es nicht verdient, zu leben. Wir in Irland hassen sie, vor allem ihr kolonialistisches Mindset und ihre Bedeutung für die Institution der Monarchie in England". Allerdings teilten nicht alle Iren seine Meinung, erklärt Dru. Xano, einer seiner Freunde denke da anders.
Xano kommt kurz nach Drew aus dem Imbiss. Persönlich sei er zwar nicht traurig über den Tod der britischen Königin, sagt er. "Aber ich bin traurig, dass wir eine große Persönlichkeit verloren haben". Gerade in ihren späten Lebensjahren habe sich Elizabeth für die Verständigung zwischen Iren und Briten eingesetzt. Das rechne Xano ihr an. Außerdem sei sie einfach eine Person mit einer enormen gesellschaftlichen Strahlkraft gewesen. "Ich weiß nicht, ob es derzeit eine Anführerin mit einem ähnlichen Standing gibt".
"Ich dachte, sie stirbt niemals"
Auch Ann und ihre Tochter Niamh hegen keinen Groll gegen die verstorbene Königin – aber Fans der Monarchie sind sie auch nicht. "Die Geschichte ihrer Herrschaft hat Höhen und Tiefen", sagt Ann. "Allerdings hat sie sich gerade in den letzten Jahren viel Mühe gegeben. Sie hat sogar zwei Worte Gälisch gesprochen, als sie in Irland zu Besuch war".
Trotzdem sei die Institution der Monarchie nichts für die beiden Irinnen. "Wir haben als Nation für die Unabhängigkeit unseres Landes gekämpft. Da ist uns die Republik wichtiger als irgendwelche Monarchinnen. Aber wenn die Briten damit weitermachen wollen, sollen sie."
Für Niamh, die Anfang 20 ist, war Queen Elizabeth eine Konstante in ihrem bisherigen Leben. "Sie war immer da. Ich dachte, sie stirbt nie", erzählt sie. Die Witze die im Internet über den Tod der Königin gerissen werden, findet sie nicht gut: "Man scherzt nicht über den Tod von jemandem. Sie sollte als Mensch respektiert werden".
Scherze über den Tod der Königin
Ganz anders sehen das Rafael und Erik. Die beiden jungen Männer reagieren ausgelassen auf den Tod der britischen Königin. "Ganz ehrlich, sie wird jetzt romantisiert. Wir dürfen nicht vergessen, dass sie aktiv am britischen Kolonialismus und an der Versklavung ganzer Völker mitgewirkt hat", sagt Rafael.
Zunächst hätten sie die Nachricht vom Tod der Queen gar nicht ernst genommen. "Wir dachten an einen Scherz, weil wir dachten, sie würde niemals ins Gras beißen. Aber jetzt sagen wir uns: 'Der Nächste! Wann ist Charles endlich dran?'".
Versöhnliche Töne im Ausgehviertel
Auch andere Iren üben viel Kritik an der Queen: "Ihr Tod macht mich nicht traurig, wirklich nicht", sagt John. Er ist Türsteher in einer bekannten Bar in Dublin. "Sie hat die irische Geschichte mitgeprägt, und das nicht unbedingt zum Besten."
Hass auf die Queen sei für ihn allerdings Fehl am Platz: "Im Gegensatz zu vielen meiner Landsleute macht mich ihr Tod allerdings auch nicht glücklich. Ich bin ein stolzer Ire und dazu noch Republikaner. Aber seit den Troubles haben wir uns weiterentwickelt. Unsere Geschichte ist voller Gewalt und Blutverießen – jetzt wird es Zeit, dass unsere Völker zusammenkommen. Da hilft es nicht, den Tod einer alten Frau zu beklatschen."
Großbritannien besetzte Irland für fast 800 Jahre
Mit den Troubles meint John den Nordirlandkonflikt, der vom Ende der 1960er-Jahre bis 1998 andauerte. Damals bekämpften sich pro-britische Unionisten und pro-irische Republikaner, teils mit brutaler Gewalt. Ziel der Unionisten war der Verbleib Nordirlands im Vereinigten Königreich, die Republikaner wollten ein vereinigtes Irland ohne jedweden britischen Einfluss. 3.500 Menschen verloren in dem Konflikt ihr Leben.
Die Troubles waren das Ergebnis einer 800 Jahre andauernden englischen Besatzung in Irland. Im Jahr 1171 eroberte der englische König Henry II. die grüne Insel und machte sie zur Lordschaft Irland. Henry VIII. ließ sich im Jahr 1541 gar zum irischen König ausrufen. Seitdem bestimmten die Engländer die irische Politik maßgeblich – und unterdrückten das irische Volk erbarmungslos. Die Besatzung ist ein Grund für den Groll, den viele Iren noch heute gegen die Engländer und die britische Monarchie hegen.
- Eigene Recherche