Mehrfach ausgezeichnet Putins deutscher "Milchzar" hat ein Milliardenproblem
Vom baden-württembergischen Bauernsohn zum größten Milcherzeuger Russlands und Putin-Vertrauten– die Geschichte von Stefan Dürr ist beispiellos.
Stefan Dürr, geboren 1962 in Walldorf, Baden-Württemberg, begann seinen Weg in der Landwirtschaft zunächst bodenständig: Er absolvierte eine Ausbildung in der Branche, studierte parallel Geoökologie an der Universität Bayreuth und absolvierte 1989 ein Praktikum in der Sowjetunion im Rahmen eines deutsch-russischen Austauschprogramms des Deutschen Bauernverbands. Es war der Beginn einer Karriere, die Dürr zu einem der einflussreichsten Agrarunternehmer Russlands machte.
Dürr, der seit 2014 auch die russische Staatsbürgerschaft besitzt, gründete 1994 die Ekosem-Agrar AG, die heute die größte Milchproduktion in Russland betreibt. Sein Unternehmen bewirtschaftet beeindruckende 630.000 Hektar Land, hält mehr als 235.000 Rinder – darunter über 112.500 Milchkühe – und produziert täglich rund 1.700 Tonnen Rohmilch. In Russland wird er auch der "Milchzar" genannt, nicht zuletzt, weil seine Produkte unter der Marke "EkoNiva" im ganzen Land bekannt sind.
Für seine Verdienste um den Dialog mit Russland erhielt Dürr einst das Bundesverdienstkreuz, die höchste allgemeine Auszeichnung der Bundesrepublik. Mit Beginn des Ukrainekriegs und dem Zerwürfnis zwischen Deutschland und Russland, das den einstigen Lebensentwurf Dürrs infrage stellt, entschied sich der Landwirt für den Platz an der Seite der russischen Führung.
"Herzlich und warm"
Das Verhältnis zwischen Dürr und Wladimir Putin ist von beidseitigem Nutzen geprägt. Während Putin ihn 2014 persönlich mit der russischen Staatsbürgerschaft und jüngst mit dem Staatsorden der Freundschaft auszeichnete, unterstützt Dürr offen die wirtschaftspolitischen Maßnahmen des Kremls, darunter die Gegensanktionen gegen die EU. Dürr, der Putin als "herzlich und warm" beschreibt, hat dem Kremlchef sogar geraten, sich mit Maßnahmen wie dem Lebensmittelembargo gegen den Westen zur Wehr zu setzen.
Die Kombination von guten Produkten aus moderner Produktion, politischer Rückendeckung und schwindender ausländischer Konkurrenz in einem Markt mit über 140 Millionen Einwohnern zahlte sich für Ekoniva aus. Dürr expandierte. Allein die Milchverarbeitung wuchs im ersten Quartal 2023 um mehr als 70 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
Dürr verteidigt Russlands Gegensanktionen gegen die EU, die seiner Branche einen enormen Auftrieb verschafft haben, und kritisiert die westlichen Sanktionen scharf: "Die Sanktionen des Westens sind mir absolut unverständlich: Wie man so viel kaputt schlagen kann, was aufgebaut worden ist", sagte er einmal.
Die Schattenseite seines Handelns
Seine Nähe zur russischen Machtspitze hat ihm nicht nur wirtschaftlichen Rückenwind, sondern auch einzigartigen Einfluss verschafft: Von der Reform der russischen Landwirtschaft bis hin zu politischen Beratungen war Dürr immer ein geschätzter Gesprächspartner der Russischen Föderation. Doch diese enge Verbindung hat auch Schattenseiten: Kritiker werfen ihm vor, sich mit autoritären Strukturen zu arrangieren, die Interessen Russlands über westliche Werte zu stellen und sich am Ukrainekrieg persönlich bereichert zu haben.
Doch der Weg des einstigen Vorzeigedeutschen ist nicht ohne Brüche. Als eine Gruppe Maskierter einer Polizeieinheit in seinem Moskauer Büro auftauchte und 300.000 Euro erpresste, bekam er das Geld nach einer Beschwerde beim Vizepremier zwar zurück. Doch ein Problem konnte ihm niemand abnehmen: Seit 2020 gerät Dürr durch eine Schuldenlast von über 1,3 Milliarden Euro unter Druck, insbesondere von der staatlichen Rosselchozbank. Es wird spekuliert, dass diese darauf abzielt, Ekoniva für einen symbolischen Preis zu übernehmen. Dürr spricht von "Nötigung" und "harten und rauen Gesprächen".
Auf privater Ebene ist Dürr fest in Russland verankert. Mit einer russischen Ehefrau und vier Kindern lebt er dort seit Jahrzehnten und ist auch zur russisch-orthodoxen Kirche übergetreten.
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- agrarzeitung.de: "Stefan Dürr – Suchergebnisse"
- nzz.ch: "Ekosem-Agrar: Russlands Milchriese Stefan Dürr hat Probleme"
- phoenix.de: "Ein Bauer für Putin"