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Ukraine-Krieg | Kiew: Scholz' Reise "ist eigentlich ein Sicherheitsalbtraum"


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Wie sicher ist die Scholz-Reise?
"Der Zug ist eigentlich ein Sicherheitsalbtraum"


Aktualisiert am 16.06.2022Lesedauer: 4 Min.
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Anreise im Zug: Bundeskanzler Scholz besucht mit seinen Amtskollegen Macron und Draghi Kiew. (Quelle: reuters)

Bundeskanzler Olaf Scholz ist nun doch in die Ukraine gereist. Wie gefährlich ist das? Experten sehen ein erhöhtes Risiko auf der Zugfahrt – und rätseln über Absprachen mit Russland.

Nun ist er in Kiew: Gemeinsam mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi ist Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am heutigen Donnerstagmorgen in Kiew eingetroffen. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs hatte der Kanzler das Land nicht mehr besucht.

Obwohl ein Besuch von Scholz von vielen Seiten seit Langem gefordert wurde, hatte es zuvor nur wenige Informationen gegeben. Der Grund: Sorge um die Sicherheit des Kanzlers. Wie genau wird eine solche Reise geplant? Ein Überblick:

Wie wird eine solche Reise vorbereitet?

Eine spontane Entscheidung ist eine Reise in ein Kriegsgebiet nicht. Aus Sicherheitsgründen wird allerdings versucht, die Planungen möglichst geheim zu halten. Dass Scholz in dieser Woche nach Kiew kommen wollte, sickerte trotzdem bereits am Wochenende durch.

Zu diesem Zeitpunkt hatte das Kanzleramt vermutlich schon längst mit den Vorbereitungen begonnen. "Im Idealfall wird eine solche Reise mehrere Wochen vorbereitet; wenn es schnell gehen muss, reichen auch ein paar Tage", erklärt Sicherheitsberater Malte Roschinski im Gespräch mit t-online.

Aus Sicht von Roschinski, der schon Spitzenpolitiker in Sicherheitsfragen unterstützt hat, könnte die Planung in etwa so abgelaufen sein: Das für den Schutz des Kanzlers zuständige Bundeskriminalamt (BKA) könnte zunächst ein Vorauskommando (VK) in die Ukraine geschickt haben, um sich ein Bild vor Ort zu machen. Parallel stimmen sich die Delegationen der Länder ab, etwa auf Ebene der Botschaften. Dazu kommen Hintergrundinformationen des Bundesnachrichtendienstes und befreundeter Auslandsgeheimdienste oder anderer Stellen wie dem Außenministerium.

Welche Sicherheitsvorkehrungen werden auf der Reise getroffen?

Für die Sicherheit des Kanzlers ist bei einem solchen Besuch eine Spezialeinheit des BKA zuständig. Die Beamten des Bereichs "Auslands- und Spezialeinsätze" sind für Reisen in Kriegs- und Krisengebiete geschult. Laut Roschinski sind sie schärfer bewaffnet als bei Reisen in Gebiete, die nicht umkämpft sind.

Möglich sei auch, dass andere Dienste bei der Reise eine Rolle spielten. Der Sicherheitsexperte hält es für möglich, dass auch das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr involviert ist, etwa bei der Entwicklung eines Evakuierungsplans. "Die wichtigste Frage ist: Wie kriege ich den Kanzler raus, wenn es knallt?", sagt Roschinski.

Allerdings sei es auch aus einem weiteren Grund wahrscheinlich, dass das BKA für die Sicherheit nicht allein zuständig ist. Denn die Personallage sei in dem Gewerbe angespannt: "Hunderte von Überstunden sind bei Sicherheitsleuten absolut keine Seltenheit. Es kann sein, dass deshalb andere Gruppen in den Sicherheitsschirm eingebunden sind."

Wie viel Personal Scholz insgesamt beschützt, sei schwer einzuschätzen. Grundsätzlich befinden sich immer mehrere Personenschützer an der Seite des Kanzlers. Roschinski spricht zusätzlich von "mehreren Dutzend", die bei der Reise involviert sein könnten. Zum Teil könnten sich auch Sicherheitskräfte in Polen aufhalten, die nur im Ernstfall nachreisen würden.

Die Anforderungen, um den Kanzler sicher nach Kiew zu bringen, sind trotz des erhöhten Personals enorm. Denn die Reise mit dem Zug bringt mehrere Nachteile mit sich: "Der Zug ist eigentlich ein Sicherheitsalbtraum", urteilt der Experte. Das Schienennetz ist für jeden einsehbar, sodass die Reiseroute auch bei mehreren Umwegen leicht nachvollziehbar ist. Eine Panzerung des Zuges ist aus Sicht von Roschinski auch nicht sinnvoll, da sie viel zu schwer sei.

Nach Informationen von "Bild" hielten sich Scholz, Macron und Draghi größtenteils in unterschiedlichen Abschnitten des Zugs auf. Dadurch soll im Ernstfall verhindert werden, dass durch einen Angriff alle drei Politiker gleichzeitig verletzt oder gar getötet werden.

Die drei Spitzenpolitiker sind in einem eigens für ihre Reise zusammengestellten Sonderzug der ukrainischen Eisenbahngesellschaft Ukrsalisnyzja unterwegs. Sie haben dabei jeweils einen eigenen Salonwagen. Die Ukraine besitzt mehrere Modelle, mit denen sie in den vergangenen Monaten immer wieder Staats- und Regierungschefs nach Kiew gebracht hat.

Auf Bildern sind in dunkler Holzoptik vertäfelte Wagen mit opulenten Vorhängen zu sehen. Sie verfügen offenbar auch über Konferenzsysteme mit Fernsehern und Kameras. Zwischen den Salonwagen reisen Sicherheitskräfte und die Delegationen in normalen Abteilwagen.

Von dem Sonderwagen, in dem unter anderem der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala reiste, wurde die Wagennummer fotografiert. CNN veröffentlichte daraufhin eine Animation der luxuriösen Innenausstattung.

Gibt es Alternativen zu der Zugreise?

Ein direkter Flug in die Ukraine ist momentan nicht möglich. Seit Kriegsbeginn ist der Luftraum des Landes gesperrt. Wie andere Politiker flog Scholz daher zuerst nach Polen, um dann mit dem Zug weiterzufahren.

Wäre stattdessen aber eine Fahrt mit dem Auto denkbar? Auch wenn die Zugfahrt viele Probleme mit sich bringt, sieht Malte Roschinski trotzdem darin die bessere Alternative: "Die Logistik, die da mitfahren müsste, wäre extrem groß." Für eine Autofahrt sei ein Konvoi von zahlreichen gepanzerten Fahrzeugen notwendig, die aufgrund ihres Gewichts deutlich mehr Benzin verbrauchen. Zusätzlich sei die Qualität der Straßen teilweise so schlecht, dass eine Limousine aus dem Berliner Regierungsviertel eher ungeeignet sei.

Wusste Russland im Vorfeld von dem Besuch?

Offiziell wird niemand einen Austausch über die Reise mit dem Kreml bestätigen. Sicherheitsexperten hielten gegenüber "Bild" eine Absprache mit Moskau für unwahrscheinlich. Der Geheimdienstkenner Klaus-Dieter Matschke sieht das dagegen anders. Matschke sagte "Welt", er gehe davon aus, dass es auf Ebene der Geheimdienste sehr wohl einen Austausch gegeben hat.

Ähnlich sieht es auch Roschinski: Durch die Gespräche werde die Sicherheit der Reise erhöht. Einen russischen Angriff auf die Spitzenpolitiker könne sich der Kreml ohnehin nicht leisten. Doch es sei hilfreich, dass diese Information auch den russischen Soldaten verdeutlicht wird: "Moskau muss sicherstellen, dass nicht irgendein Kommandeur auf eigene Faust einen Angriff durchführt."

Trotzdem bleiben solche Absprachen eine Gratwanderung: Kein westliches Land will den Eindruck erwecken, es habe Russland um Erlaubnis gebeten. Die Vergangenheit zeigte auch, dass der Kreml trotz Besuchen von Spitzenpolitikern nicht vor Angriffen zurückschreckt. Als Ende April UN-Generalsekretär António Guterres zu Gast in Kiew war, schlugen in der Stadt erstmals seit Wochen wieder Raketen ein. Auch bei der Rückreise von CDU-Chef Friedrich Merz wurden Angriffe auf Bahnstrecken vermeldet.

"Die drei Regierungschefs wollen Signale senden, aber Russland will das auch", sagt Roschinski. Nach der Ankunft von Scholz wurde in Kiew vorübergehend Luftalarm ausgelöst.

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