Video befeuert Spekulationen "2023 ist Putin weg – wahrscheinlich im Sanatorium"
Als Ex-Chef des britischen Geheimdienstes kennt sich Richard Dearlove mit dem Moskauer Machtapparat aus. Und er ist nicht der Einzige, der Kremlchef Putin für angezählt hält.
Wohl niemandes Gesundheit interessiert die Welt gerade mehr als die von Wladimir Putin. Blutkrebs, Rückenprobleme, Parkinson: Gerüchten zufolge steht es nicht gut um den Kremlchef. Bestätigen lässt sich das alles nicht, Putins Krankenakte ist ein streng gehütetes Geheimnis. Doch allein die Spekulationen könnten in Moskau eine für Putin gefährliche Dynamik auslösen, glaubt der frühere Chef des britischen Auslandsgeheimdienstes MI6.
"Spätestens 2023 ist Putin weg", sagt Richard Dearlove jetzt in seinem Podcast "One Decision". "Er wird wahrscheinlich ins Sanatorium gehen, aber das wird er nicht als Herrscher Russlands verlassen", glaubt der Geheimdienstler, der von 1999 bis 2004 an der Spitze des MI6 stand. "Das könnte eine Möglichkeit der Machtübergabe sein, ohne dass es zum Putsch kommt", sagte Dearlove. Ersetzt werden könnte Putin durch Nikolai Patruschew, den Chef des Sicherheitsrates und früheren Chef des Geheimdienstes FSB, so Dearlove.
"Ohne Putin ist das Putin-Regime ein formloser Scheiß"
Patruschews Name fiel zuletzt auch in mehreren Nachrichten im Telegramkanal "SVR-General". Wer hinter dem Kanal mit 290.000 Abonnenten steckt, ist unklar. Angeblich verfügen der oder die Betreiber über Informationen aus dem inneren Zirkel des Kremls. Einem der jüngsten Einträge zufolge trifft Patruschew schon seit dem 17. Mai alle Entscheidungen, die sonst bei Putin liegen: "Über die meisten Angelegenheiten, die eine Genehmigung oder die Meinung des Präsidenten erfordern, entscheidet Patruschew nun persönlich", heißt es bei "SVR-General".
Putin selbst habe seitdem nur zwei Telefonate geführt, seine öffentlichen Auftritte in der Woche seien angeblich alte Aufnahmen. "Wir freuen uns darauf, wenn Putins halber Leichnam der Öffentlichkeit gezeigt wird, damit auch die letzten Gestalten in der russischen Regierung verstehen, wer die Entscheidungen trifft und für die Lage im Land verantwortlich ist." Ohne Putins Autorität könnten die Eliten Patruschews Entscheidungen ablehnen und "alles schnell in eine politische Krise abgleiten", so "SVR-General". "Ohne Putin ist das Putin-Regime ein formloser Scheiß".
Putin musste angeblich dringend operiert werden
Hintergrund von Putins Abtauchen ist "SVR-General" zufolge eine Operation in der Nacht auf den 17. Mai, der sich der Kremlchef auf Drängen seiner Ärzte "so schnell wie möglich unterziehen sollte". Zur Art des Eingriffs äußert sich "SVR-General" nicht, doch noch drei Tage später sei Putin angeblich zu schwach gewesen, um an Sitzungen des Sicherheitsrates teilzunehmen, heißt es. In der Nacht zum 21. Mai habe sich sein Zustand noch einmal verschlechtert und erst am nächsten Morgen stabilisiert.
Tatsächlich fällt Putins letzter öffentlicher Auftritt, der als gesichert gelten kann, auf den 16. Mai, also einen Tag vor der angeblichen Operation. An diesem Tag empfing Putin die Staats- und Regierungschefs früherer Sowjetrepubliken in Moskau. Beim Treffen mit Tadschikistans Machthaber Emomalij Rahmon fiel Putin durch starke, anscheinend unkontrollierbare Bewegungen seines linken Fußes auf und befeuerte damit Spekulationen über eine mögliche Parkinson-Erkrankung. (Die Szene sehen Sie im Video oben oder hier.) Dieses Gerücht hatte der Kreml schon im Herbst 2020 zurückgewiesen.
"Regime wird auseinanderfallen, aber nicht verschwinden"
Zuletzt stand eine mögliche Krebserkrankung Putins im Fokus der Aufmerksamkeit: So berichtete kürzlich das US-Magazin "New Lines", dass Putin schwer an Blutkrebs leide und große Mengen an Medikamenten brauche. Das habe ein Vertrauter des Kremlchefs unwissentlich preisgegeben. Zuvor hatte ein Team russischer Investigativjournalisten herausgefunden, dass Putin seit einigen Jahren fast durchgehend von Spezialärzten begleitet wird.
Aber wäre das Ende Putins als Kremlchef zugleich der Beginn eines demokratischen Russlands? Geheimdienstler Richard Dearlove ist skeptisch: "Eine geordnete Machtübergabe ist in Russland nicht vorgesehen. In den nächsten ein bis zwei Jahren wird dieses Regime auseinanderfallen, aber verschwinden wird es nicht."