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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Krieg in der Ukraine "Einfache oder harte Tour?" Trump droht Putin
US-Präsident Donald Trump möchte in spätestens 100 Tagen einen Deal im Ukraine-Krieg. Dafür setzen die USA nun Russland unter Druck und drohen Wladimir Putin mit Strafmaßnahmen. Doch das ist nicht ohne Risiko.
Donald Trump hat im US-Wahlkampf großspurig versprochen, dass er den Ukraine-Krieg innerhalb von 24 Stunden beenden würde. Mittlerweile mag auch zum US-Präsidenten durchgedrungen sein, dass dies nicht so einfach ist. Denn trotz der militärischen und wirtschaftlichen Stärke der USA wird es auch für die neue US-Regierung zur Herausforderung werden, Kremlchef Wladimir Putin an den Verhandlungstisch zu bekommen.
Das Dilemma der USA: Warum sollte Russland einem Frieden zustimmen, wenn Moskau seine Kriegsziele militärisch erreichen kann? Und militärisch wird die Lage für die ukrainischen Verteidiger immer prekärer, weil es ihnen an Personal und Ausrüstung fehlt.
Um Putin doch zu einem Friedensschluss bewegen zu können, erhöhte Trump nun den Druck. "Stoppen Sie diesen irrwitzigen Krieg. Es geht mir nicht darum, Russland wehzutun", schrieb der US-Präsident auf der von ihm mitbegründeten Onlineplattform Truth Social. "Ich liebe das russische Volk und hatte immer ein gutes Verhältnis zu Präsident Putin (...)." Es sei Zeit, "einen Deal zu machen". "Wir können es auf die einfache oder auf die harte Tour machen", so Trump weiter.
Trump möchte deshalb innerhalb von 100 Tagen einen Deal zwischen der Ukraine und Russland. Um das zu erreichen, stellt er Putin ein Ultimatum, hört sich dabei eher an wie ein Mafiaboss als ein Präsident. Dieser Plan könnte funktionieren, weil die USA durchaus Druck auf Russland und seine Verbündeten ausüben können. Doch auch Putin hat noch Trümpfe in der Hand.
Russland hat gute Verhandlungsposition
Die Vorzeichen für die US-Regierung sind eigentlich alles andere als gut. Die Trump-Regierung hat vom ehemaligen US-Präsidenten Joe Biden einen Krieg geerbt, in dem der Ukraine nach fast drei Jahren eine strategische Niederlage droht. Der Republikaner hat sich auch selbst strategische Möglichkeiten genommen und sich mit seinen Versprechungen selbst unter Druck gesetzt.
Ferner spielen Wladimir Putin drei weitere Faktoren in die Karten:
- Verständnis für russische Sicherheitsinteressen: Der US-Präsident hat schon mehrfach sein Verständnis für die angeblichen Sicherheitsinteressen Russlands betont. Auch einen Nato-Beitritt der Ukraine sieht der Republikaner deshalb kritisch.
- US-Präsident als Friedensstifter: Trump inszeniert sich als Staatschef, der Kriege und internationale Konflikte beendet und gleichzeitig keine US-Soldaten in Krisengebiete schickt. Dem 78-Jährigen käme es also entgegen, sich als derjenige zu inszenieren, der den Krieg in der Ukraine beendet hat.
- Gegenseitiger Respekt: Putin und Trump haben einen ähnlichen politischen Führungsstil und der US-Präsident bezeichnete seinen russischen Amtskollegen als "sehr harten Kerl". Diese ideologische Nähe zeigte sich bereits während Trumps erster Amtszeit.
Moskau hat generell den Vorteil, dass Trump vor allem seiner eigenen politischen Agenda folgt. Dabei ist dem US-Präsidenten ein Friedensdeal wichtiger als die territoriale Unversehrtheit der Ukraine. Das würde Putin ohnehin in eine gute Verhandlungsposition bringen, da die US-Regierung wiederum der Ukraine die Unterstützung versagen und somit Kiew zu einem Friedensschluss zwingen könnte.
Trotz dieser eigentlich vorteilhaften Bedingungen für Russland liegt eine Sache auf der Hand: Putin muss erst einmal verhandeln wollen und Moskau wird sich auf keinen Fall an den Verhandlungstisch zwingen wollen.
Trump: "Stoppen Sie diesen irrwitzigen Krieg"
Sollte die US-Regierung also an schnellen Verhandlungen interessiert sein, war es vielleicht nicht die beste Idee, öffentlich und über die sozialen Netzwerke Druck aufzubauen. Der US-Präsident schrieb am Mittwoch: Sollte es nicht bald eine Lösung geben, bliebe ihm nichts anderes übrig, "als hohe Steuern, Zölle und Sanktionen auf alles anzuordnen, das Russland an die USA und andere teilnehmende Staaten verkauft".
Eine direkte Antwort von Putin gab es bislang nicht. Der russische Außenpolitiker Leonid Sluzki erklärte jedoch: "Russland wird kein Jota seiner nationalen Interessen opfern und in diesen Fragen Zugeständnisse machen." Zu einem konkreten Ausweg aus der Ukraine-Krise habe Trump nichts gesagt, sondern "nur mit Drohungen um sich geworfen", kritisierte der Chef im Außenausschuss des russischen Parlaments der Agentur Ria Nowosti zufolge.
In derartigen Streitfragen fließen vor allem auch nationale Egos in die Reaktionen mit ein. Russland sieht sich als Erbe der Sowjetunion noch immer als Großmacht, die mit den USA auf Augenhöhe verhandeln möchte. Der Zerfall der Sowjetunion und der Sieg des Westens im Kalten Krieg sehen viele Russinnen und Russen noch immer als ehrverletzende Tragödie. Ehemalige US-Präsidenten wie Barack Obama, die Russland nur noch als "Regionalmacht" betitelten, sorgten in dem Land für Empörung.
Putin inszeniert sich als Herrscher, der für die Wiederherstellung des russischen Selbstbewusstseins steht. Deswegen ist es allein aus innenpolitischen Gründen unwahrscheinlich, dass er sich öffentlichem Druck aus den USA beugt.
Druck auf Russlands Handelspartner
Dabei hat Trump durchaus ein Druckmittel gegenüber Russland. Er kann gleichzeitig Russland und seine Verbündeten und Handelspartner mit Sanktionen und Strafmaßnahmen in die Zange nehmen.
Moskau ist wirtschaftlich massiv auf den Verkauf von Öl und Gas ins Ausland angewiesen. Nachdem ein Großteil dieser Geschäfte mit Ländern der Europäischen Union nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine weggefallen war, suchte Russland nach alternativen Abnehmern und fand diese vor allem in China und Indien. Aber auch noch einige EU-Staaten kaufen zum Beispiel über indische Zwischenhändler russische Rohstoffe.
Wenn Trump nun also die russischen Handelspartner ins Visier nehmen würde, hat er eine Schwachstelle Russlands erkannt.
Denn schon in Bidens Legislatur agierten Mächte wie China vorsichtig, wenn sie US-Sanktionen befürchteten. So nahmen chinesische Banken Abstand von Geschäften mit russischen Finanzinstituten. Vor dem Amtsantritt von Trump stoppte Indien außerdem seine Ölgeschäfte mit Russland, auch weil bereits Anfang Januar Biden neue Sanktionen gegen Russland verhängt hatte.
Trumps Druck zeigt also Wirkung, wenngleich eher auf die russischen Handelspartner. Das macht der US-Präsident natürlich nicht ohne Hintergedanken: Denn er hat bereits angekündigt, die Öl- und Gasförderung der USA weiter auszubauen. Stoppt nun also Indien seine Rohstoffkäufe von Russland, geraten auch einige europäische Länder in Versorgungsnöte. Hier könnten die Amerikaner einspringen und der Geschäftsmann Trump wittert sicherlich auch ein großes Geschäft.
Diese US-Strategie scheint für den Moment wirkungsvoll, aber sie ist mittelfristig nicht ohne Risiko. Vor Trump scheuten US-Präsidenten wie Biden vor einer zu aggressiven Nutzung der US-Wirtschaftskraft zurück. Denn genau das könnte dazu führen, dass US-Verbündete ihre Wirtschaft diversifizieren. Denn im Prinzip möchte kein Land ein Spielball der US-Interessen sein. Im schlechtesten Fall könnte Trumps Schuss also Putin nicht zum Einlenken bewegen und gleichzeitig der Machtposition der USA schaden.
- handelsblatt.com: Neue US-Sanktionen gegen Russland treffen Indien
- fr.de: Wichtiger Handelspartner distanziert sich von Russlands Wirtschaft
- morgenpost.de: Putin gratuliert Trump – und spricht vom Dritten Weltkrieg
- Nachrichtenagenturen dpa und Reuters
- Eigene Recherche