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Ukraine-Krieg | Neue Videos sollen Hinrichtung Unbewaffneter in Butscha belegen


Russische Kriegsverbrechen
Videos sollen Hinrichtung Unbewaffneter in Butscha belegen

Von t-online, jro

20.05.2022Lesedauer: 4 Min.
Russische Soldaten und ukrainische Gefangene in Butscha: Die Bilder sollen zeigen, wie die Männer zu ihrer Hinrichtung geführt werden.Vergrößern des Bildes
Russische Soldaten und ukrainische Gefangene in Butscha: Die Bilder sollen zeigen, wie die Männer zu ihrer Hinrichtung geführt werden. (Quelle: Twitter/New York Times)
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Männer werden unbewaffnet hinter ein Bürogebäude geführt – dann sind Schüsse zu hören. Recherchen der "New York Times" liefern starke Belege für Kriegsverbrechen russischer Truppen im ukrainischen Butscha.

Die Bilder aus Butscha gingen um die Welt. Tote Zivilisten in den Straßen, zurückgelassen nach dem Abzug russischer Truppen, lösten internationale Bestürzung und eine Kette von Besuchen von hochrangigen Politikern in dem Kiewer Vorort aus. Mittlerweile laufen erste Verfahren wegen des Vorwurfs der Kriegsverbrechen. Doch die Beweisführung kann oft nur mit nach der Tat gesammelten Indizien arbeiten, etwa Obduktionsergebnissen oder Zeugenaussagen – direkte Dokumentationen der Taten sind selten. Recherchen der "New York Times" liefern nun offenbar neue Beweise.

Drei Videos und eine aufwendige Analyse sollen belegen, wie russische Soldaten in Butscha mindestens acht Männer abgeführt und erschossen haben. Der Vorlauf der Taten wurde gefilmt – es liegen das Material einer Überwachungskamera und das Handyvideo eines Zeugen vor. Sie zeigen, wie russische Einheiten mit Maschinengewehren neun Menschen in einer Reihe über die Straße treiben. Die Opfer laufen gebückt und halten sich an dem Gürtel ihres Vorgängers fest.

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Weitere Indizien lieferte laut "New York Times" die Befragung von Zeugen, die angeben, den Vorgang beobachtet zu haben. Unter ihnen sind Anwohner und ein freiwilliger ukrainischer Soldat, der während der Vorgänge am 4. März angeschossen wurde.

Demnach führten die Soldaten die Männer hinter ein Bürogebäude, das die Besatzungskräfte als Stützpunkt nutzten – dann waren Schüsse zu hören. Ein Drohnenvideo, aufgenommen am nächsten Tag, zeigt die Leichen der Opfer neben eben diesem Gebäude, bewacht von zwei russischen Soldaten – um die Ecke geparkt stehen russische Militärfahrzeuge.

Opfer wurden wohl nach und nach hingerichtet

Besonders markant auf den Aufnahmen ist ein Mann in einem blauen Pullover – er ist in den Videos zu sehen und war ebenso auffällig auf Fotografien zu erkennen, die Anfang April nach dem Abzug der russischen Truppen aus Butscha entstanden sind und Opfer zeigen.

Der Nachweis, dass die Männer hinter dem Bürogebäude hingerichtet wurden, wäre einer von wenigen bislang veröffentlichen Belegen für Kriegsverbrechen russischer Einheiten. Die Zeugenbefragungen ergaben, dass die Ukrainer nach und nach hinter dem Haus erschossen wurden, teilweise unterbrochen von Befragungen im Inneren des provisorischen Stützpunktes. Die russischen Soldaten wurden mithilfe weiterer Überwachungsvideos russischen Fallschirmjäger-Einheiten zugeordnet.

Vor ihrer Tötung versteckten sich die Männer bei einem Nachbarn

Zusätzlich zur Analyse des Bildmaterials hielten sich Reporter der "New York Times" über Wochen in Butscha auf, um zu den Vorgängen in der Besatzungszeit Gespräche mit Augenzeugen und ukrainischen Sicherheitskräften zu führen. Eigenen Angaben zufolge sprachen sie auch mit den Familien der Opfer.

Die Getöteten waren demnach Angestellte in Fabriken oder Lebensmittelgeschäften, keine Berufssoldaten. Fast alle von ihnen haben den Recherchen zufolge auch vor Beginn der Invasion in Butscha gelebt. Nach dem russischen Einmarsch traten sie dann den ukrainischen Streitkräften bei.

Männer waren sich der Gefahr wohl bewusst

Vor ihrer mutmaßlichen Hinrichtung hatten sich die Männer, die an einem ukrainischen Checkpoint stationiert waren, über Nacht in dem Haus eines Anwohners versteckt. Angehörige berichteten von den Textnachrichten der Männer, die sich ihrer gefährlichen Lage wohl bewusst waren. „Ruf nicht an. Ich werde später anrufen“, soll der Mann mit dem blauen Pullover seinem besten Freund geschrieben haben.

Nach der Entdeckung durch die russischen Soldaten wurde auch der Hauseigentümer abgeführt, der den Männern Schutz geboten hatte. Er wurde den Recherchen zufolge ebenso hinter dem Bürogebäude erschossen.

Ukraine: 11.000 laufende Ermittlungen zu Kriegsverbrechen

Die mutmaßlichen Hinrichtungen seien "die Art von Vorfall, die ein starker Fall für die Verfolgung von Kriegsverbrechen werden könnte", sagte Stephen Rapp, ehemaliger US-Sonderbotschafter für Kriegsverbrechen, der "New York Times". Nach dem Kriegsrecht sind die Taten strafbar, weil die Aufnahmen eindeutig zeigen, dass die Männer vor ihrer Tötung unbewaffnet unter Kontrolle der russischen Soldaten waren – sie standen somit "außerhalb der Kampfhandlungen", erklärte Rapp.

Die Gräueltaten in Butscha beschäftigen ukrainische und internationale Ermittlungsbehörden seit Abzug der russischen Truppen Ende März. Die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft hatte zuletzt von 11.000 Fällen gesprochen, in denen Ermittlungen geführt werden.

Kriegsverbrechen wohl in mehreren Orten

Aus Butscha hatte zuletzt ein Video Aufmerksamkeit erregt, auf dem eine Fahrradfahrerin von einem russischen Panzer aus erschossen wurde. Auch aus anderen ukrainischen Orten wie Irpin und Borodjanka liegen Berichte über Kriegsverbrechen vor. In mehreren Vororten von Kiew wurden Massengräber gefunden – Zeugen berichten von Vergewaltigungen und willkürlichen Tötungen von Zivilisten durch russische Besatzungstruppen.

Russland weist den Vorwurf, die russischen Truppen hätten Kriegsverbrechen begangen, grundsätzlich von sich und beschuldigt im Gegenzug die Ukraine, russische Gefangene zu misshandeln und unter Druck zu setzen. Die internationale Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ sieht es dagegen als erwiesen an, dass russisches Militär in der Nordostukraine Kriegsverbrechen verübt hat. Die Ermittler der NGO fanden nach eigenen Angaben an 17 Orten Belege für Tötungen, rechtswidrige Haft unter unmenschlichen Verhältnissen, Folter und Vermisstenfälle. "Die zahlreichen Gräueltaten der russischen Truppen, die zu Beginn des Krieges Teile der Nordostukraine besetzten, sind abscheulich, rechtswidrig und grausam", sagte der für Europa und Zentralasien zuständige Direktor, Giorgi Gogia.

Verwendete Quellen
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