Treffen an der Ostsee Kuleba fordert G7-Staaten zu mehr Engagement auf
Härtere Sanktionen und weitere Waffen: Der ukrainische Außenminister stellt weitere Forderungen. Außenministerin Baerbock warnte jedoch auch vor einer anderen Krise.
Deutschland und die anderen G7-Staaten sehen sich mit Forderungen der Ukraine nach stärkerer Militärhilfe und neuen Strafmaßnahmen gegen Russland konfrontiert. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba rief die Gruppe der führenden demokratischen Industrienationen am Freitag nach gemeinsamen Beratungen zu mehr Tempo und Mut bei Waffenlieferungen auf. Er bat zudem darum, Gesetze zu verabschieden, um Vermögenswerte des russischen Staates zu beschlagnahmen und der Ukraine für den Wiederaufbau des Landes zur Verfügung zu stellen.
Die Außenminister der G7-Staaten beraten noch bis zu diesem Samstagmittag unter dem Vorsitz von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in einem Luxushotel nahe dem Weißenhäuser Ostseestrand in Schleswig-Holstein. Themen sind unter anderem der Krieg in Osteuropa und die Corona-Pandemie. Deutschland hat derzeit den Vorsitz der Gruppe, der neben der Bundesrepublik die Nato-Staaten USA, Kanada, Frankreich, Großbritannien und Italien sowie Japan angehören. Am Samstagabend kommen dann die Außenminister aller Nato-Staaten in Berlin zusammen. Topthema ist auch bei diesem Treffen der Krieg in der Ukraine.
Verstärkung der ukrainischen Luftstreitkräfte sei bedeutend
Kuleba sagte nach dem Gespräch mit den G7-Kollegen, wenn man kämpfe, sei es nicht hilfreich, wenn die dafür benötigten Waffen noch "auf dem Weg" seien. Man habe deswegen darüber gesprochen, wie man sicherstellen könne, dass die Ukraine all das bekomme, was sie benötige, um Russland militärisch zu schlagen. Als wichtig für die Ukraine nannte Kuleba die Lieferung von Mehrfachraketenwerfern und die Verstärkung der ukrainischen Luftstreitkräfte.
Die britische Außenministerin Liz Truss zeigte Verständnis für die Forderungen. "Es ist jetzt sehr wichtig, dass wir den Druck auf Wladimir Putin aufrechterhalten, indem wir mehr Waffen an die Ukraine liefern und die Sanktionen verschärfen", sagte sie. Um der Ukraine zu helfen, müsse man "weiter und schneller vorangehen".
Kuleba: Russisches Vermögen für Ukraine-Wiederaufbau beschlagnahmen
Kuleba bat Deutschland und andere G7-Staaten darum, Gesetze zu verabschieden, um Vermögenswerte des russischen Staates zu beschlagnahmen und der Ukraine für den Wiederaufbau des Landes zur Verfügung zu stellen. "Wir sprechen über Hunderte Milliarden US-Dollar in Europa", sagte er. Russland müsse politisch, wirtschaftlich, aber auch finanziell für den Krieg bezahlen.
Eindringlich warnte Kuleba die EU vor einem Scheitern der Verhandlungen über ein Einfuhrverbot für russisches Öl. Wenn das geplante sechste EU-Sanktionspaket ohne Ölembargo beschlossen werden sollte, werde Russlands Präsident Wladimir Putin feiern können. Zum ersten Mal würde dann nämlich die Einheit der EU gebrochen sein. Die Pläne für ein europäisches Ölembargo gegen Russland stehen auf der Kippe, weil Ungarn nicht gewillt ist, das Projekt zu unterstützen.
Baerbock: Konzertierte G7-Antwort auf globale Folgen des Krieges
Die deutsche Außenministerin Baerbock kündigte bei dem Treffen eine konzertierte G7-Antwort auf die weltweiten Folgen des russischen Kriegs an. Moskau führe seinen hybriden Krieg nicht nur mit Panzern und Raketen, gefälschten Nachrichten und Propaganda, "sondern es ist auch ein Ernährungskrieg, den wir auf der ganzen Welt beobachten können". Die sich abzeichnende globale Ernährungskrise werde sich noch verschlimmern, wenn die Auswirkungen der Klimakrise im Sommer deutlich würden. "Wir stellen uns unserer Verantwortung, diese bevorstehende Krise zu bewältigen und schnell zu handeln."
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell teilte beim G7-Treffen mit, die Europäische Union wolle weitere 500 Millionen Euro für die Lieferung schwerer Waffen und Ausrüstung an die ukrainischen Streitkräfte zur Verfügung stellen. Damit würden sich die zur Verfügung stehenden EU-Mittel für Militärhilfe an die Ukraine auf zwei Milliarden Euro erhöhen. Ein erstes Paket über 500 Millionen Euro wurde bereits Ende Februar bewilligt, zwei weitere folgten dann in den nächsten Monaten. Mit den weiteren 500 Millionen Euro solle nun ein neuer Impuls gegeben werden, sagte Borrell. Konkret ist seinen Angaben zufolge nun insbesondere die Finanzierung schwerer Waffen geplant.
Baerbock dankt Japan für Beteiligung an Energiesanktionen
Nach Angaben aus deutschen Delegationskreisen dankte Baerbock ihrem japanischen Kollegen Yoshimasa Hayashi am Rande des G7-Treffens dafür, dass sich Japan an den Energiesanktionen gegen Russland beteiligt. Beide waren sich demnach einig, dass es wichtig sei, den Dialog mit anderen Staaten gerade auch im Pazifik, in Asien und in Zentralasien zu verstärken, um die gemeinsame Haltung der internationalen Gemeinschaft gegen den russischen Angriffskrieg zu unterstreichen. Japan übernimmt im nächsten Jahr den G7-Vorsitz.
Die Umweltorganisation Greenpeace demonstrierte am Ostseestrand mit einem großen Banner mit der Aufschrift "G7: Exit Fossils, Enter Peace" (deutsch: "Raus aus den fossilen Energien, hin zum Frieden") für eine schnelle Unabhängigkeit der G7-Staaten von fossilen Energien. "Die Einnahmen aus Öl, Kohle und Gas finanzieren den Krieg Russlands gegen die Ukraine", sagte Lisa Göldner, Klimaexpertin der Umweltorganisation. 17 Aktivistinnen formierten zudem in lavendelfarbenen Maleranzügen ein Peace-Zeichen im Sand.
- Nachrichtenagentur dpa