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Krieg gegen die Ukraine: Russlands Papier-Generäle und Verluste


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Massive Verluste
Russlands Papier-Generäle


Aktualisiert am 02.05.2022Lesedauer: 5 Min.
Gefallener General Andrei Sukhovetsky: Der ukrainischen Armee gelingt es immer wieder, die Funksignale der russischen Truppen zu orten. So konnte auch Sukhovetsky getötet werden.Vergrößern des Bildes
Gefallener General Andrei Sukhovetsky: Der ukrainischen Armee gelingt es immer wieder, die Funksignale der russischen Truppen zu orten. So konnte auch Sukhovetsky getötet werden. (Quelle: ITAR-TASS/imago-images-bilder)

Zehn russische Generäle sollen bereits im Krieg gegen die Ukraine gefallen sein. Auch darüber hinaus verzeichnet die Armee offenbar erhebliche Verluste. Plant der Kreml nun einen Strategiewechsel?

Die russische Armee hat offenbar bereits zehn ihrer Generalmajore verloren, die am Angriffskrieg gegen die Ukraine beteiligt sind. Das wäre die Hälfte aller Einsterne-Generäle, die sie nach übereinstimmenden Medienberichten seit Kriegsbeginn in der Ukraine eingesetzt hat.

Entgegen der Darstellung der ukrainischen Armee berichten deutsche Medien von neun getöteten Generälen. Grund für diese unterschiedlichen Angaben könnte sein, dass auch internationalen Medien der Name des offenbar zehnten gefallenen Befehlshabers bislang unbekannt ist.

Diese Generäle sollen gefallen sein:

  • Andrei Simonov, der hochrangige Anführer von Einheiten der elektronischen Kriegsführung, soll am 30. April nahe der Stadt Isjum in der nordöstlichen Region Charkiw getötet worden sein.
  • Generalmajor Wladimir Frolow, der stellvertretende Befehlshaber der 8. Armee, soll russischen Staatsmedien zufolge am 16. April in Sankt Petersburg mit militärischen Ehren beigesetzt worden sein. Wie und wann Frolow genau starb, ist nicht bekannt.
  • Jakow Rjasanzew, Kommandant der 49. Armee des südlichen Distrikts, soll am 25. März bei einem Bombenangriff auf den Flughafen von Tschornobajiwka in der Region Cherson getötet worden sein, erklärte der ukrainische Präsidentenberater Oleksij Arestowytsch.
  • Der General Andrei Mordvichev soll am 19. März während heftiger Kämpfe zwischen den Städten Mykolajiw und Cherson von der ukrainischen Armee getötet worden sein, heißt es vom Generalstab des ukrainischen Militärs. Mehr dazu lesen Sie hier
  • Andrei Kolesnikov, Kommandeur der Panzerdivision Kantemirovskaya, soll am 11. März durch ukrainische Streitkräfte getötet worden sein. "Die russischen Invasoren verlieren weiterhin ihre Offiziere im Krieg gegen die Ukraine", heißt es in einem Tweet. Wo genau er gefallen ist, ist nicht bekannt.
  • Oleg Mityaev, Generalmajor und Kommandeur der 150. motorisierten Schützendivision der Armee, soll Anfang März im Kampf um die belagerte Stadt Mariupol gefallen sein. Seine Leiche wurde Medienberichten zufolge erst einen Monat später geborgen.
  • Generalmajor Vitaly Gerasimov soll dem britischen "Guardian" zufolge am 7. März außerhalb der östlichen Stadt Charkiw gefallen sein. Gerasimov habe am zweiten Tschetschenienkrieg, der russischen Militäroperation in Syrien und der Annexion der Krim teilgenommen.
  • General Andrei Sukhovetsky wurde am 3. März nahe Charkiw während einer Spezialoperation von ukrainischen Scharfschützen getötet. Die Offiziersorganisation in der Region Krasnodar bestätigte seinen Tod – bislang als einzigen. Der Tod des 47-Jährigen ist ein wahrer Triumph für die ukrainische Armee, denn Sukhovetsky war als kommandierender General der 7. russischen Luftlandedivision und stellvertretender Kommandeur der 41. kombinierten Waffenarmee 2014 bei der Invasion der Krim im Einsatz.
  • Magomed Tushaev soll bei einem Luftangriff nordöstlich von Hostomel getötet worden sein, berichtete "Daily Mail". Der tschetschenische Kämpfer habe sich mit seiner Spezialeinheit von Tausenden Infanteristen und mit mehr als 56 Panzern in dem Kiewer Vorort aufgehalten. Unabhängig bestätigen ließ sich sein Tod bislang nicht.

Russland Generäle koordinieren in der Ukraine an vorderster Front

Die Meldungen und Bilder aus der Ukraine zeichnen, besonders unter den Generälen, ein Bild schwerer russischer Verluste. Doch woran liegt das? "Das liegt zum einen daran, dass die Ukraine einen sehr guten elektronischen Kampf führt", sagt Wolfgang Richter, Experte für Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), zu t-online. Sie könne elektronisch aufklären, wo die Quellen der Funkgespräche herkommen und greife anschließend die entsprechenden Gefechtsstände an, wo sich dann auch die Generäle aufhielten.

"Zum anderen sind die Generäle in den Gefechten sehr weit vorne", sagt Richter – gerade weil es offenbar Führungsprobleme gebe und die Generäle unter Erfolgsdruck stünden. Militärexperte Gustav Gressel sieht noch einen weiteren Grund. Es mache sich ein Fehler in der russischen Offiziersausbildung bemerkbar: Offiziere würden erst ab dem Majorsrang und einer Verwendung in Bataillonsstäben gründlich in Taktik geschult, sagt er zu t-online.

Viele Generäle auf dem Papier

"Weil die unteren Ebenen die Zusammenhänge im Gefecht ungenügend verstehen, geht oft was schief, höhere Offiziere kommen nach vorne, um die Dinge zu regeln und werden von den Ukrainern ausgeschaltet", so der Experte und zieht eine ernüchternde Bilanz: Die russische Armee verfüge zwar auf dem Papier über viele Generäle und ausgebildete Offiziere – deren Fähigkeiten seien aber nicht besonders ausgeprägt. Es gebe vermutlich wesentlich weniger Offiziere mit Kampferfahrung in Syrien oder im Donbass, als Russland das vor dem Krieg weismachen wollte.


Wolfgang Richter ist Wissenschaftler für Sicherheitspolitik bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) des Deutschen Instituts für Internationale Politik und Sicherheit. In seiner Forschung beschäftigt er sich unter anderem mit dem Verhältnis der Nato zu Russland sowie ungelösten Territorialkonflikten in Europa. Außerdem forscht er zu den Auswirkungen neuer Militärtechnologien auf Strategie, Kriegsvölkerrecht und humanitäre Rüstungskontrolle.

Nachhaltig werde sich der Verlust der Generäle im Kriegsgeschehen wohl nicht bemerkbar machen, sagt Sicherheitsexperte Richter. "Es sind viele höhere Offiziere ausgebildet, um später einmal General zu werden. Wenn Generäle fallen, folgen diese also nach", erklärt Richter. Außerdem gebe es immer Stabchefs oder Stellvertreter, die übernehmen können. Die Führungsfähigkeit dürfte der Verlust der Generäle somit nicht grundsätzlich beeinträchtigen. "In den laufenden Gefechten entstehen allerdings zeitlich begrenzte Führungslücken. Sie können in der Truppe vorübergehende Orientierungslücken verursachen, zumal sie nicht trainiert ist, auch ohne Befehle selbstständig zu handeln", erklärt der Experte.

Experte: Etwa ein Viertel der russischen Truppen muss ersetzt werden

Anders sehe das bei den russischen Verlusten im Allgemeinen aus, sagt Richter: "Die sind in der Tat erheblich". Russland habe die Ukraine mit mindestens 180.000 Soldaten angegriffen – "und ich spreche hier nur von Landstreitkräften", räumt Richter ein. Die Ukrainer gäben mit 21.000 russischen Gefallenen wahrscheinlich zu viel an, die westlichen Schätzungen kämen etwa auf 10.000 bis 15.000.

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Aber selbst, wenn man von einem Mittelmaß von 12.000 ausgehe, müssten zu den Gefallenen immer auch die Verwundeten hinzugerechnet werden, sagt der Experte. Das sei oft die dreifache Zahl. Erst dann komme man auf die eigentlichen Ausfälle, die die russische Armee zu verzeichnen habe. "Und da müssen wir davon ausgehen, dass ein Fünftel bis ein Viertel der Soldaten, die zu Beginn des Krieges gegen die Ukraine im Einsatz waren, ausgefallen sind und durch weitere Reserven ersetzt werden müssen."

Experte: "Es wird knapp für die russischen Truppen"

Das ist allerdings alles andere als einfach: Es werde für Russland schwierig, die Truppen jetzt wieder aufzufüllen, so Richter. Russland verfüge über etwa 360.000 Landstreitkräfte. Ein Großteil dieser Streitkräfte werde jedoch im Hohen Norden, an den Grenzen zum baltischen Raum, in Zentralasien, im Fernen Osten oder im Kaukasus benötigt. "Die russischen Bodenkräfte sind strategisch überdehnt, so viele Reserven kann man für den Einsatz in der Ukraine nicht mehr zusammenholen, ohne gefährliche Risiken an anderer Stelle einzugehen", sagt der Experte. Russland sei daher darauf angewiesen, schnell Geländegewinne zu erzielen. Dies werde nun im Osten und Süden der Ukraine versucht.

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"Danach aber wird es knapp für die russischen Truppen", so Richter. Denn bis die Wehrpflichtigen, die zuletzt im April einberufen wurden, so weit seien, dass sie eingesetzt werden könnten, dauere es Monate. Und auch dann dürften Wehrpflichtige eigentlich nicht im Ausland eingesetzt werden. "Diese Grundregel wird von der russischen Führung jedoch nicht mehr überall eingehalten", so der Experte.

"Möglicherweise werden Luftangriffe auf die Ukraine zunehmen"

Dass es für Russland eng wird, sehe man auch daran, dass bereits syrische Kämpfer rekrutiert oder tschetschenische Kämpfer eingesetzt würden. Diese Truppen seien allerdings nicht genügend ausgebildet und ausgerüstet, um ein taktisches Gefecht verbundener Waffen zu führen, sondern dienten eher dazu, das Hinterland zu kontrollieren oder subversiv zu kämpfen.

Wird Russland also seine Strategie ändern? "Möglicherweise werden Luftangriffe auf die Ukraine zunehmen", sagt Richter. Denn unabhängig von den geschwächten Bodentruppen sei Russland der Ukraine bei den Luftstreitkräften deutlich überlegen. Umso mehr müsse man sich wundern, dass es Russland dennoch noch nicht gelungen ist, die Luftherrschaft über die Ukraine zu gewinnen. Die ukrainische Luftabwehr funktioniere noch immer. Russland werde seine Luftangriffe also mit Abstandswaffen, Raketen und Marschflugkörpern, fortsetzen und versuchen, Bombenabwürfe direkt über den Zielen zu vermeiden.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Anfrage an Wolfgang Richter, Experte für Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP)
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