Emotionaler Appell Selenskyj: "Der Markt ist getränkt mit unserem Blut"
Aus seinem Versteck in Kiew ließ sich Wolodymyr Selenskyj in den US-Kongress zuschalten. Er schilderte die Situation in der Ukraine mit drastischen Worten und forderte mehr Unterstützung vom Westen.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat am Mittwoch per Videoschalte vor dem US-Kongress gesprochen. Dabei hat er sich vor US-Senatoren und Kongressabgeordneten zur aktuellen Lage in der Ukraine geäußert.
Er sprach davon, dass der russische Angriff auf sein Land der schlimmste Krieg seit dem zweiten Weltkrieg sei. Selenskyj bezeichnete den Einmarsch als "Angriff auf unsere Werte", womit er nicht nur ukrainische, sondern auch europäische und amerikanische Werte meinte. Es gehe um Demokratie, Unabhängigkeit und Freiheit.
Der 44-Jährige appellierte an die Abgeordneten, sich an Ereignisse wie Pearl Harbor oder den 11. September 2001 zu erinnern, "als unschuldige Menschen vom Himmel aus angegriffen wurden". Genau dies geschehe nun in der Ukraine: "Russland hat den ukrainischen Himmel in eine Todesquelle verwandelt."
Selenskyj wiederholte seine Forderung nach einer Flugverbotszone über seinem Land. Alternativ forderte er neue Waffenlieferungen aus den USA. Um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen, zitierte er aus Martin Luther Kings berühmtester Rede. "I have a dream ('Ich habe einen Traum', Anm. der Redaktion). Ich habe ein Bedürfnis: Ich muss unseren Himmel beschützen", sagte Selenskyj. Jede Woche bräuchte es neue Sanktionen. Diese müssten russische Politiker ins Ziel nehmen. Zudem müssten alle US-Firmen den russischen Markt verlassen. Der Markt sei "getränkt mit unserem Blut", so Selenskyj.
Selenskyj will Gründung eines neuen internationalen Bündnisses
Er forderte die Schaffung von neuen Instrumenten und schlug die Gründung einer neuen Allianz vor, die innerhalb von 24 Stunden auf Angriffe, aber auch Naturkatastrophen oder humanitäre Krisen reagieren können soll. Ein solches Bündnis hätte auch in der Corona-Krise helfen können, so der ukrainische Präsident.
Den Kongress-Abgeordneten wurde dann ein Video gezeigt, welches das friedliche Leben in der Ukraine mit den Angriffen und dem derzeitigen Leid der Menschen kontrastierte. Anschließend richtete Selenskyj sich auf Englisch direkt an die US-Abgeordneten: Es reiche nicht, aktuell nur der Anführer einer Nation zu sein. Man müsse der Anführer der Welt sein, und das bedeute, der Anführer des Friedens zu sein. Diesen Appell richtete er zum Abschluss auch persönlich an US-Präsident Joe Biden. Selenskyj wurde von den Abgeordneten des Kongress so verabschiedet, wie er auch begrüßt wurde: Mit stehenden Ovationen.
Im weiteren Tagesverlauf will sich auch Biden zum Ukraine-Krieg äußern. Erwartet wird die Ankündigung von weiteren "Sicherheitshilfen" für die Ukraine über 800 Millionen Dollar (730 Millionen Euro). Dies kündigte ein Beamter des Weißen Hauses an. Biden hatte bereits am Samstag 200 Millionen Dollar für zusätzliche militärische Ausrüstung in der Ukraine genehmigt. Zuvor hatten die USA bereits nach der russischen Invasion Ende Februar 350 Millionen Dollar Militärhilfen für die Ukraine angekündigt. Wofür die neuen Mittel verwendet werden sollen, sagte der Beamte am Dienstag nicht.
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Bereits am Montag hatten die führenden Demokraten im Repräsentantenhaus und im Senat, Nancy Pelosi und Chuck Schumer, Selenskyj Unterstützung zugesprochen. "Der Kongress, unser Land und die ganze Welt bewundern das ukrainische Volk, das angesichts des unprovozierten, bösartigen und illegalen Kriegs Russlands außergewöhnlichen Mut, Widerstandsfähigkeit und Entschlossenheit bewiesen hat", erklärten Pelosi und Schumer. Die Aggression von Russlands Präsident Wladimir Putin sei "grausam und teuflisch".
Am Donnerstag will sich Selenskyj mit einer Videoansprache auch an den Deutschen Bundestag wenden. Die Tagesordnung des Bundestags sieht vor, dass Selenskyj am Donnerstag um 9 Uhr morgens vor dem Plenum spricht.
- Nachrichtenagenturen dpa und AFP