"Es ist frustrierend" Trump treibt US-Veteranen in den Ukraine-Krieg

Immer mehr US-Amerikaner schließen sich offenbar der ukrainischen Armee an. Für viele ist Donald Trumps Schwenk in der Ukraine-Politik eine Motivation.
Hunderte ausländische Soldaten sind seit Beginn der russischen Vollinvasion in die Ukraine in den Reihen der ukrainischen Armee bereits gestorben. Dennoch reißt der Strom an neuen Freiwilligen aus dem Ausland nicht ab – im Gegenteil.
Seit dem Eklat zwischen US-Präsident Donald Trump und seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus sowie dem zeitweisen Stopp der US-Militärhilfen für das Land hat es einen "massiven Anstieg" an Bewerbungen für die Einheiten ausländischer Freiwilliger unter Kiews Truppen gegeben. Das berichtet das ukrainische Portal "The Kyiv Independent" unter Berufung auf Angaben einer ukrainischen Eliteeinheit. Unter den Freiwilligen befinden sich demnach besonders viele US-Amerikaner.
Demzufolge soll es seit dem Treffen der beiden Staatschefs Ende Februar in Washington, bei dem Trump und sein Vize J. D. Vance Selenskyj mit Vorwürfen überzogen hatten, "ein paar Tausend" Bewerbungen allein für diese Einheit gegeben haben. Unter diesen gebe es "eine beträchtliche Anzahl von Leuten, die ihre Empörung und ihren Schock über den Wandel in der amerikanischen Politik zum Ausdruck bringen", heißt es in dem Bericht.
"Die Leute, die mein Land im Moment regieren, zerstören es"
Mehrere Freiwillige aus den USA haben mit "The Kyiv Independent" über ihre Motivation gesprochen, in den Krieg in der Ukraine zu ziehen. Der 25-jährige William, ein Veteran der US-Armee, reiste nur wenige Tage nach dem Ende seines Vertrags beim US-Militär in die Ukraine. "Es ist frustrierend, herumzusitzen und nichts zu tun, wenn du weißt, dass du etwas Richtiges tun kannst." Sein ursprünglicher Plan sei es gewesen, erst im Sommer in den Krieg zu ziehen – Trumps Wende in der Ukraine-Politik aber beschleunigte die Umsetzung um Monate.
Ron, ebenfalls ein US-Veteran, der bereits in Afghanistan gekämpft hatte, erklärte, dass er von seinem Land "beschämt" sei. Auch für ihn sei Trumps Schwenk in Bezug auf die Ukraine der ausschlaggebende Punkt gewesen, sich freiwillig zu melden, so der 35-Jährige. "Ich bin ein Patriot. Ich liebe mein Land. Aber die Leute, die es im Moment regieren, zerstören es, sie zerstören das, wofür es stehen sollte", sagte der 35-Jährige dem Portal. Den neuen Kurs der USA bezeichnete er als "absolute Schande" – obwohl er zuvor insgeheim noch gehofft habe, Trump würde "das Richtige" für die Ukraine tun. Der US-Präsident sei jedoch "einfach egoistisch und will nur schnelle Lösungen".
Ein weiterer US-Veteran mit Kampfnamen "Juggernaut" erklärte, er habe ein "mulmiges Gefühl in der Magengegend" gehabt, nachdem die USA ihre Unterstützung eingestellt hatten. Der 28-Jährige erklärte, im November bei den US-Wahlen Trump sogar seine Stimme gegeben zu haben. Doch nun sei er "wirklich enttäuscht" von der neuen Regierung. "Wir haben nur eine begrenzte Zeit auf dieser Erde, und sich um sich selbst zu sorgen, wird uns am Ende unseres Lebens keine Befriedigung bringen."
Auch der Cousin von J. D. Vance diente in der Ukraine
Zu den ausländischen Freiwilligen in der Ukraine gehörte auch der Cousin von US-Vize J. D. Vance. In der vergangenen Woche kritisierte Nate Vance seinen berühmten Cousin wegen seiner Ukraine-Politik scharf. Er sei "enttäuscht", sagte Nate Vance in einem Interview mit der französischen Zeitung "Le Figaro". "Dass du zur Familie gehörst, bedeutet nicht, dass ich akzeptiere, dass du meine Kameraden tötest", erklärte der Cousin des Vizepräsidenten mit Blick auf den zeitweisen Stopp der US-Militärhilfen und die Weitergabe von Geheimdienstinformationen an die Ukraine. Mehr dazu lesen Sie hier.
Wie viele ausländische Kämpfer seit Beginn der russischen Vollinvasion in die Ukraine in Gefechten getötet wurden, lässt sich nur schätzen. Wegen der Intensität der Kämpfe an einigen Frontabschnitten ist es oft nicht möglich, die Leichen zu bergen, was die Zählung zusätzlich erschwert. Allein mehr als 20 US-Amerikaner in den Reihen der ukrainischen Truppen gelten als vermisst, berichtete der Sender CNN Ende Januar. Die Zahl der Toten unter ausländischen Freiwilligen ist demnach seit dem Spätsommer 2024 stark angestiegen.
Laut Lauren Guillaume, Mitarbeiterin der RT Weatherman Stiftung, könnte der Anstieg der Todeszahlen unter Ausländern darauf zurückzuführen sein, dass sie zunehmend an besonders heiß umkämpften Frontabschnitten eingesetzt werden. "Wir stellen fest, dass ausländische Soldaten die Lücken bei sehr schwierigen, risikoreichen und aussichtsreichen Operationen füllen", sagte sie CNN. Die Stiftung hilft ausländischen Familien in der Ukraine dabei, ihre Angehörigen wiederzufinden. Wie viele US-Amerikaner tatsächlich in der Ukraine gestorben sind, sei derzeit unklar.
Akuter Personalmangel in Reihen der Ukraine
Die ukrainische Armee leidet seit Monaten an einem akuten Personalmangel. Laut übereinstimmenden Medienberichten liegt das Durchschnittsalter der ukrainischen Soldaten an der Front bei zwischen 40 und 50 Jahren. Manche von ihnen kämpfen bereits seit Beginn der russischen Vollinvasion im Februar 2022, Rotationen von erschöpften Einheiten sind oft über Wochen nicht möglich. Das Mindestalter für die Rekrutierung liegt derzeit bei 25 Jahren. Aus den USA kam jedoch bereits Druck auf die ukrainische Regierung, das Mindestalter auf 18 Jahre herabzusenken, um mehr Männer einziehen zu können.
Noch sträubt die ukrainische Regierung dagegen, versucht seit Kurzem jedoch mit neuen Anreizen, mehr 18- bis 24-Jährige als Freiwillige gewinnen zu können. Laut der ukrainischen Zeitung "Kyiv Post" bietet die Regierung unter 25-Jährigen eine Antrittsprämie von rund 4.400 Euro, ein monatliches Grundgehalt von knapp 2.700 Euro plus Zuschläge wie Erschwernis- und Kampfgeld sowie kostenlose Unterkunft, medizinische Versorgung sowie die Freiheit, nach einem Jahr Militärdienst ins Ausland zu reisen. Seit der Generalmobilmachung dürfen Männer zwischen 18 und 60 Jahren das Land nicht verlassen.
- kyivindependent.com: "‘I can’t sit and watch it’ – US volunteers join Ukrainian army after Trump’s sharp policy turn" (englisch)
- edition.cnn.com: "American fighters are dying in Ukraine in growing numbers. Bringing their bodies home is a complex task" (englisch)
- kyivpost.com: "Ukraine’s Military Initiative to Find Volunteers Aged 18 to 24 Delivers First Recruits to Ranks" (englisch)
- Eigene Recherche