Ukraine-Krieg Russische Armee bombardiert Verwaltungsviertel in Charkiw
Während Russland seinen Invasionskrieg in der Ukraine fortsetzt, übt der Westen den Schulterschluss. Der ukrainische Präsident fordert weitere Sanktionen. Eine russische Militärkolonne bewegt sich auf Kiew zu.
Das Zentrum von Charkiw, der zweitgrößten Stadt der Ukraine, ist von der russischen Armee bombardiert worden. "Heute Morgen wurde der zentrale Platz unserer Stadt und der Sitz der Verwaltung von Charkiw angegriffen", erklärte der Gouverneur der Region, Oleg Sinegubow, am Dienstag in einem Video im Messengerdienst Telegram. Er veröffentlichte Aufnahmen der Explosion und fügte hinzu: "Die russischen Besatzer setzen weiterhin schwere Waffen gegen die Zivilbevölkerung ein."
In der Nacht hatten die ukrainischen Behörden von einer großen Explosion in Charkiw berichtet, bei der mindestens elf Menschen getötet wurden. Russische Panzer und gepanzerte Fahrzeuge seien "überall" in der Stadt zu sehen, sagte Bürgermeister Ihor Terechow, der von ukrainischen Medien zitiert wurde.
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Russland setzt den Invasionskrieg in der Ukraine nach ersten Gesprächen mit unverminderter Härte fort. Auf die Hauptstadt Kiew bewegte sich weiter ein Konvoi aus Panzern und anderen militärischen Fahrzeugen zu. Mit einer geschätzten Länge von 64 Kilometern ist der Heerwurm länger als bisher angenommen. Die USA planen ein milliardenschweres Hilfspaket für die Ukraine. Damit soll das angegriffene Land humanitär, wirtschaftlich und militärisch unterstützt werden.
"Alle Hinweise" auf Invasion Kiews
Nach Einschätzung amerikanischer Verteidigungskreise will das russische Militär trotz des starken ukrainischen Widerstandes nach wie vor die Hauptstadt Kiew einnehmen. Man habe "alle Hinweise" darauf, sagte ein ranghoher Pentagon-Verantwortlicher dem US-Sender CNBC. "Wir gehen davon aus, dass sie sich weiter fortbewegen und versuchen werden, die Stadt in den kommenden Tagen einzukesseln."
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Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij forderte den Ausschluss Russlands aus dem UN-Sicherheitsrat. "Ein Staat, der Kriegsverbrechen an Zivilisten begeht, kann nicht Mitglied des UN-Sicherheitsrates sein", sagte Selenskij in einer Videobotschaft. "Das mit Raketen, Bomben und Artillerie bewaffnete Böse muss sofort gestoppt werden. Wirtschaftlich zerstört. Um zu zeigen, dass die Menschheit sich selbst verteidigen kann", sagte Selenskyj in dem Video, das am späten Montagabend auf Facebook und in seinem Telegram-Kanal erschien.
Die US-Regierung von Präsident Joe Biden beantragte beim Kongress ein Hilfspaket mit einem Umfang von 6,4 Milliarden Dollar (5,7 Milliarden Euro) für die Ukraine. Das Paket kommt zusätzlich zur jüngsten militärischen Soforthilfe der US-Regierung für die Ukraine mit einem Volumen von 350 Millionen Dollar. Die australische Regierung will die Ukraine mit militärischer Ausrüstung und humanitärer Hilfe in Höhe von insgesamt 105 Millionen australischer Dollar (68 Millionen Euro) unterstützen. Zwei Drittel der Gelder würden für "tödliche und nicht-tödliche Ausrüstung zur Verteidigung" aufgewendet, sagte Premierminister Scott Morrison am Dienstag.
Informationen über das Kriegsgeschehen blieben in der Nacht bruchstückhaft und waren nicht unabhängig zu überprüfen. Charkiws Bürgermeister Ihor Terechow sagte der Agentur Ukrinform zufolge, das russische Militär sprenge dort Umspannwerke. Dadurch komme es zu Problemen bei der Strom- und Wasserversorgung. Die Nachrichtenagentur Unian berichtete, die oberen Stockwerke zweier Hochhäuser seien zerstört worden.
Tote und Verletzt bei Angriff auf Charkiw
Nach früheren Angaben hatte es am Montag bei Angriffen in Charkiw mindestens elf Tote und Dutzende Verletzte gegeben, 87 Wohnhäuser seien zerstört worden. In Videos waren Einschläge und Rauch in der Stadt zu sehen. Russland weist den Vorwurf, es greife zivile Einrichtungen an, zurück.
Im Süden ist die Hafenstadt Mariupol nach staatlichen Angaben vom frühen Dienstagmorgen unter der Kontrolle der ukrainischen Armee. Wegen eines Luftangriffs sei die Stadt in der Region Donezk jedoch fast ohne Stromversorgung, meldete der staatliche Informationsdienst der Ukraine unter Berufung auf den Bürgermeister. Es gebe auch Internet- und Mobilfunkausfälle. Am Montag hatte die Stadt noch als umkämpft gegolten.
Die ukrainische Armee schoss nach eigenen Angaben mehrere russische Kampfflugzeuge ab. Insgesamt seien bei Luftangriffen am Montag fünf russische Kampfflugzeuge und ein Hubschrauber zerstöre worden, wie die "Ukrainska Pravda" unter Berufung auf das ukrainische Verteidigungsministerium schrieb. Die Kampfflugzeuge seien während der Luftangriffe auf Wassylkiw und Browary im Kiewer Umland getroffen worden, hieß es. Auch ein Marschflugkörper und ein Hubschrauber seien in der Nähe von Kiew abgeschossen worden.
Bomben auch im Norden
Darüber hinaus sollen ukrainische Kampfflugzeuge am Montag Raketen und Bomben auf russische Panzer und Truppen bei Kiew und in der Nähe der Großstadt Schytomyr abgefeuert haben. Auch in der nördlichen Region Tschernihiw und in der Nähe der inzwischen von Russland kontrollierten südukrainischen Stadt Berdjansk seien Bomben abgeworfen worden.
Bei einem Angriff in der Region Sumy im Nordosten der Ukraine soll es zu großen Verlusten auf beiden Seiten gekommen sein. Das ukrainische Anti-Korruptions-Portal Antikor berichtete von möglicherweise 70 Toten auf ukrainischer Seite und einer großen Zahl von Opfern auf russischer Seite. Russische Artillerie habe eine Militäreinheit getroffen. Laut der Agentur Unian will die ukrainische Armee in der Region Sumy rund 100 russische Militärfahrzeuge zerstört haben.
RT und Sputnik verboten
Nach Schritten der EU zum Verbot der russischen Staatsmedien RT und Sputnik greifen der Facebook-Konzern Meta und die Video-App Tiktok durch. Sie schränken in der Europäischen Union den Zugang zu Inhalten von RT und Sputnik ein. YouTube hat am Morgen die beiden Medien auch weltweit verboten.
Der russische Angriff führte nach Einschätzung der US-Regierung zu einem Schulterschluss innerhalb der Nato und anderer westlicher Verbündeter geführt. Die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, nannte den russischen Präsidenten Wladimir Putin am Montag "einen der größten Einiger der Nato in der modernen Geschichte". Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock beschwor vor einem Treffen mit ihren Kollegen aus Polen und Frankreich die europäische Einigkeit.
"In seinen schwersten Stunden steht Europa am engsten zusammen – enger als es uns viele zugetraut hätten", erklärte die Grünen-Politikerin vor ihrer Abreise zu Beratungen mit dem polnischen Außenminister Zbigniew Rau und dem französischen Außenminister Jean-Yves Le Drian an diesem Dienstag im polnischen Lodz. Putin zeige, dass er keine Regel mehr respektiere. "Unsere Einigkeit ist für Europa deshalb heute zu einer Überlebensfrage geworden."
- Nachrichtenagenturen AFP und dpa