Russland-Sanktionen Deutschland will "gezielte" Einschränkung von Swift
Wird die EU Russland aus dem internationalen Bezahlsystem ausschließen? Deutschland blockierte, spricht sich nun aber für eine teilweise Abkopplung aus. Frankreich rechnet mit einer baldigen Einigung.
Die Bundesregierung hat sich wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine für eine "gezielte und funktionale" Einschränkung des internationalen Zahlungssystems Swift ausgesprochen. Es werde "mit Hochdruck" daran gearbeitet, wie eine Abkopplung Russlands von Swift so eingegrenzt werden könne, "dass sie die Richtigen trifft", erklärten Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (beide Grüne) am Samstag.
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Zuvor war Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit seinem Nein zu einem Ausschluss Russlands aus dem Banken-Kommunikationsnetzwerk auf Widerstand aus den eigenen Reihen gestoßen. Unter anderem die Juso-Vorsitzende Jessica Rosenthal forderte, den Weg für diese besonders scharfe Sanktion freizumachen.
Kritik aus SPD-Jugendverband
"Wir dürfen nun nicht davor zurückschrecken, alle Sanktionsmittel zu verhängen, die uns zur Verfügung stehen. Dazu gehört auch der Ausschluss Russlands aus Swift", sagte die Chefin des SPD-Jugendverbandes am Samstag. "Damit können wir der russischen Regierung richtig wehtun. Wir sollten hier der Forderung unserer osteuropäischen Partnerländer nachkommen." Die Jungsozialisten stellen 49 der 206 Bundestagsabgeordneten der SPD, also etwa ein Viertel.
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In der Nacht zu Samstag war ein umfassendes Sanktionspaket der EU in Kraft getreten, das die Bereiche Energie, Finanzen und Transport sowie Exportkontrollen für bestimmte Produkte umfasst. Außerdem sollen die Vermögen des russischen Präsidenten Wladimir Putin und des russischen Außenministers Sergej Lawrow im Ausland eingefroren werden. Der Ausschluss Russlands aus Swift war allerdings noch nicht enthalten. Er gilt als schärfstes Sanktionsschwert, weil damit russische Banken praktisch vom globalen Finanzsystem abgeschnitten würden.
Nur Deutschland war zuletzt dagegen
Beim EU-Gipfel am Donnerstag hatte Deutschland einen solchen Schritt abgelehnt. Auch Italien, Österreich, Ungarn und Zypern wurden bisher zu den Gegnern gezählt. Italien, Österreich und Zypern haben den Widerstand allerdings inzwischen aufgegeben. Scholz hatte am Donnerstag gesagt, man müsse noch Sanktionsmöglichkeiten zurückhalten "für eine Situation, wo das notwendig ist, auch noch andere Dinge zu tun". Welche Situation er meint, führte Scholz nicht aus.
Rosenthal sagte, die beschlossenen Sanktionen seien zwar "ein guter erster Schritt". Er reicht ihrer Ansicht nach aber nicht aus. "Wir haben es jedoch mit einem Angriffskrieg zu tun. Erst vergangene Nacht haben Putins Truppen versucht, Kiew einzunehmen", sagte die Juso-Vorsitzende zur Begründung. "Unsere Solidarität mit der Ukraine steht außer Frage, doch den Worten müssen unmissverständliche Taten folgen."
Frankreich und Litauen: Einigung zeichnet sich ab
Frankreich zeigte sich am Samstag zuversichtlich, dass es in der EU bald eine Einigung auf den Swift-Ausschluss Russlands geben werde. "Es gibt keine Blockade, nur eine nützliche Debatte", betonte der Elysée. Die EU-Kommission habe Kontakte zu anderen Ländern aufgenommen, die Gas liefern können, etwa zu Katar, den USA, Nigeria und Algerien.
Auch Litauen äußerte sich ähnlich: Nach Angaben von Litauens Regierungschefin Ingrida Simonyte zeichnet sich eine Einigung ab. "Nach dem, was ich vorsichtig höre, scheint es keine starken Einwände mehr zu geben", sagte sie am Samstag in Vilnius. "Wir wollen, dass die Entscheidung so schnell wie möglich getroffen wird, aber ich kann kein bestimmtes Datum nennen", sagte Simonyte der Agentur BNS zufolge.
Litauen forderte bereits unmittelbar nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine den sofortigen Ausschluss Russlands aus Swift, der als schärfstes Sanktionsschwert gilt. Litauens Staatspräsident Gitanas Nauseda kam wegen der Forderung auch gemeinsam mit dem polnischen Regierungschef Mateusz Morawiecki zu einem kurzfristig angekündigten Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz in Berlin zusammen. Nauseda besuchte dort zudem eine Solidaritätskundgebung für die Ukraine vor der russischen Botschaft.
Lindner: "unerwünschte Auswirkungen prüfen"
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sieht Fortschritte bei der maximalen Isolation Russlands im Finanzsystem. "Sie werden nun auf höchster Ebene abgeschlossen", sagte Lindner am Samstagabend der Deutschen Presse-Agentur. Deutschland arbeite seit einiger Zeit mit seinen internationalen Partnern intensiv an der Isolation Russlands. Die Maßnahmen benötigten aufgrund ihrer Tragweite aber große Präzision. Die Bundesregierung sei entschlossen, sie sei sich aber zugleich der enormen Tragweite der Entscheidungen bewusst.
"Wir haben gestern beim Treffen der Finanzminister in Paris gemeinsam die Initiative ergriffen, unerwünschte Auswirkungen der Abkopplung Russlands von Swift zu prüfen und zu begrenzen", sagte Lindner. "Es darf keinen Anlass geben, dass notwendige Lieferungen von Rohstoffen unterbrochen werden. Es geht darum, größten Druck auszuüben, ohne unsere Position gegenüber Putin strategisch zu schwächen."
- Nachrichtenagentur dpa