"Wo Putin am Ende drüber lacht" Baerbock: Swift-Ausschluss könnte "uns viel härter" treffen
Angesichts des Ukraine-Kriegs fordern viele Länder, Russland aus dem Zahlungssystem auszuschließen, Deutschland blockiert. Kritik daran kommt auch aus den eigenen Reihen. Nun äußert sich die Außenministerin.
Russland vom Banken-Kommunikationsnetzwerk Swift abzukoppeln, hätte nach den Worten von Außenministerin Annalena Baerbock "massive Kollateralschäden" – und könnte auch die deutsche Energieversorgung gefährden. Die Grünen-Politikerin sagte am Freitag in der ARD, im Falle eines Swift-Ausschlusses Russlands könnten auch Energieimporte nicht mehr finanziert werden.
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Baerbock sagte mit Blick auf den russischen Angriff der Ukraine: "Alles, was wir tun könnten, um diesen Wahn zu stoppen, würden wir tun. Aber ebenso müssen wir sehen, dass wir nicht Instrumente wählen, wo Putin am Ende drüber lacht, weil sie uns viel härter treffen."
50 Prozent der Steinkohleimporte stammten aus Russland, sagte Baerbock: "Wenn wir diese Kohle nicht haben, werden die Kohlekraftwerke in Deutschland nicht weiterlaufen können." Die Regierung suche unter Hochdruck nach Alternativen, könne aber die Fehler der Vergangenheit jetzt nicht heilen. "Und natürlich tragen wir eine Verantwortung dafür, dass wir in Deutschland weiterhin eine stabile Strom- und Wärmeversorgung haben."
"Destabilisierung bei uns"
Wenn Deutschland und andere europäische Länder nun dort Probleme bekämen, dann sei dies etwas, was Putin auch wolle: eine "Destabilisierung bei uns", machte Baerbock deutlich. "Wenn bei uns ein paar Tage der Strom nicht mehr richtig funktioniert, dann hätten wir ein richtiges Problem." Das bedeute nicht, dass Deutschland nicht auch Kosten auf sich nehme, die Energiepreise würden steigen.
Baerbock sagte, Deutschland habe sich in den vergangenen Wochen mit seinen Partnern angeschaut, was die Maßnahmen seien, die das russische Machtzentrum am härtesten treffen würden: "Da haben wir uns natürlich auch Swift angeschaut und dabei aber gesehen, dass ein Ausschluss massive Kollateralschäden hätte."
Finanztransaktionen seien nicht nur Finanztransaktionen von Oligarchen, sondern auch Zahlungen, die Deutschland zum Beispiel an Zivilgesellschaften in Russland leiste, oder im kulturellen Bereich. Es gehe auch um Transaktionen im privaten Bereich.
Bank-Sanktionen seien "zielgenauer"
Die EU-Außenminister hatten am Freitag nach dem russischen Angriff auf die Ukraine ein weiteres großes Sanktionspaket beschlossen. Dabei geht es etwa darum, russische Banken von den EU-Finanzmärkten abzuschneiden. Kritik gibt es aber daran, dass der Ausschluss Russlands aus Swift nicht unter den Sanktionen ist.
Baerbock sagte, die beschlossenen Sanktionen etwa gegen russische Banken seien zielgenauer als ein Swift-Ausschluss. Außerdem habe der russische Präsident Wladimir Putin bereits Wege gefunden, wie er Transaktionen anders abwickeln könne.
Druck aus den eigenen Reihen
Gleichzeitig drängen Politiker von SPD und Grünen die Bundesregierung, sich für einen Ausschluss Russlands aus dem internationalen Zahlungssystem Swift starkzumachen.
Es spreche "viel dafür, dass in dieser Lage der Ausschluss aus Swift und ein Importboykott fossiler Rohstoffe der nächste Schritt sein muss", sagte der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter (Grüne), am Freitag dem "Spiegel".
Der Grünen-Fraktionschef der Bremer Bürgerschaft, Mustafa Güngör, betonte, jetzt müsse das volle Programm an Sanktionen aufgelegt werden, auch ein Swift-Ausschluss.
Auch von der SPD kommt eine ähnliche Forderung: SPD-Außenpolitiker Adis Ahmetovic sagte dem "Spiegel", es brauche jetzt "die härtesten Sanktionen. Russland muss raus aus dem Zahlungsverkehr Swift." Die bisher beschlossenen Sanktionen täten "Russland längst nicht ausreichend weh".
Lindner: "Dazu gehört auch Swift"
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte zuvor für den Fall eines Ausschlusses Russlands aus Swift vor einem Ende der Gaslieferungen nach Deutschland gewarnt. Er betonte zugleich, durch die auf EU-Ebene vereinbarte Blockade russischer Banken sei der Geschäftsverkehr mit Russland bereits "nahezu beendet" – Transaktionen etwa zur Bezahlung von Gaslieferungen seien aber noch möglich.
Gleichzeitig ergänzte der Finanzminister auch, dass weitergehende Sanktionen geprüft würden. "Dazu gehört auch Swift." Allerdings müssten die Konsequenzen für Europa überprüft werden, was die EU-Kommission und die Europäische Zentralbank machen sollten. "Wir sind offen, aber man muss wissen, was man tut." Es müsse geprüft werden, ob dies zu einem Stopp russischer Gaslieferungen führen würde und ob dies verkraftbar wäre.
"Entscheiden, ob man wertegeleitete Außenpolitik will"
Der Grünen-Europaabgeordnete Erik Marquardt zeigte sich unzufrieden. "Man muss sich entscheiden, ob man eine wertegeleitete Außenpolitik will", sagte er am Freitag dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Und wenn man sie will, dann kann es nicht Teil der Lösung sein, dass Deutschland mit den Gasrechnungen Putins Angriffskrieg bezahlt."
Die Sanktionsmöglichkeiten müssten ausgeschöpft werden, mahnte Marquardt. "Ich frage mich, worauf man da noch warten will."
Scholz: "Alles andere aufbehalten"
Am Donnerstagabend hatte Bundeskanzler Olaf Scholz sich dafür ausgesprochen, zunächst bei dem über die vergangenen Wochen für den Ernstfall vorbereiteten Sanktionspaket zu bleiben – darin ist der Swift-Ausschluss nicht enthalten. Man müsse sich "alles andere aufbehalten für eine Situation, wo das notwendig ist, auch noch andere Dinge zu tun", so Scholz vor den entsprechenden Beratungen mit den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union. Welche Situation er meint, sagte Scholz nicht.
Der Ausschluss Russlands aus dem Zahlungsverkehrssystem Swift gilt als eine Art "wirtschaftliche Atombombe" und hätte zur Folge, dass russische Finanzinstitute vom globalen Finanzsystem ausgeschlossen würden, weil Swift das international wichtigste System zum Austausch von Informationen zu Transaktionen ist.
- Nachrichtenagenturen AFP und dpa