Russland-Ukraine-Konflikt Biden kündigt weitere "starke" Sanktionen an
Berlin/Moskau/Washington (dpa) - Nach der russischen Invasion in die Ukraine hat US-Präsident Joe Biden weitere "harte Sanktionen" gegen Russlands Finanzbranche und den Technologiesektor angekündigt. Die Maßnahmen könnten im Fall einer weiteren Eskalation noch verschärft werden, sagte Biden am Donnerstag im Weißen Haus.
Betroffen von den neuen Finanzsanktionen seien vier Kreditinstitute, die zusammen rund ein Drittel der russischen Vermögen hielten, sagte Biden. Darunter sei auch Russlands zweitgrößtes Institut, die VTB Bank. Die Banken würden damit vom US-Finanzmarkt und Geschäften in US-Dollar ausgeschlossen. Gleiche Schritten seien auch von den Partnern in der EU, Großbritannien und Japan geplant, sagte Biden weiter.
Russlands Präsident Wladimir "Putin ist der Aggressor", sagte der US-Präsident. Nun werde sein Land die Folgen seines Handelns spüren. Es werde starke Exportkontrollen geben. Auch würden nun weitere Personen aus Putins Umkreis direkt mit Sanktionen belegt.
Die finanziellen Strafmaßnahmen zielen darauf ab, den Finanzinstituten den Zugang zum wichtigen US-Finanzmarkt und der globalen Reserve- und Handelswährung, dem US-Dollar, zu verwehren. Die EU plant unterdessen bereits weitere Sanktionen, um russische Kreditinstitute von den europäischen Finanzmärkten abzuschneiden.
Auch US-Sanktionen gegen Belarus
Die Vereinigten Staaten verhängten auch Sanktionen gegen das am Ukraine-Krieg beteiligte Belarus. Das US-Finanzministerium wandte sich mit Zwangsmaßnahmen "gegen 24 belarussische Einzelpersonen und Organisationen wegen der Unterstützung der Invasion" durch Russland, hieß es in einer Mitteilung.
Die Sanktionen konzentrierten sich auf den Verteidigungssektor und die Banken des Landes, die besonders enge Beziehungen zu Moskau unterhielten. Sie zielten auf ein knappes Fünftel des Finanzsektors von Belarus sowie auf einflussreiche Personen in der Rüstungsindustrie ab. Die USA hatten bereits mehrere Male Sanktionen gegen Belarus wegen der Unterdrückung der Zivilgesellschaft und der demokratischen Opposition verhängt.
Sanktionen gegen Putin denkbar
Biden kann sich auch Sanktionen gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin selbst vorstellen. "Ja", sagte Biden am Donnerstag auf die Frage einer Reporterin, ob er sich vorstellen könne, Putin persönlich zu sanktionieren. "Das ist kein Bluff, das liegt auf dem Tisch", so Biden. Auf die Frage, warum solche Sanktionen nicht bereits jetzt verhängt würden, antwortete Biden nicht. Der US-Präsident hatte bereits in der Vergangenheit Sanktionen gegen Putin ins Spiel gebracht.
Die USA hatten am Dienstag infolge der russischen Anerkennung der Separatistengebiete in der Ostukraine bereits den Handel mit russischen Staatsanleihen verboten und Sanktionen gegen zwei kleinere staatliche Banken verhängt. Das Weiße Haus hatte dabei betont, die Strafmaßnahmen könnten bei einem russischen Einmarsch in die Ukraine auch auf die größten Kreditinstitute ausgeweitet werden.
Dem Weißen Haus zufolge liefen der Großteil der russischen Währungsgeschäfte und etwa die Hälfte des Außenhandels zuletzt noch in US-Dollar. Falls die EU und die USA die russischen Banken aus ihren Finanzsystemen ausschließen sollten, könnten Russland dramatische wirtschaftliche Verwerfungen drohen. Der Dollar und der Euro sind die wichtigsten Handelswährungen, die in vielen internationalen Geschäften auch nicht leicht zu ersetzen sind.
Die neuen US-Sanktionen gegen große russische Banken werden nach Bidens Ansicht mindestens genauso wirksam sein wie ein möglicher Ausschluss des Landes aus dem internationalen Zahlungssystem Swift. Dieser Schritt sei aber weiterhin eine Option, betonte Biden. Die inzwischen angekündigten Sanktionen seien weitreichender als alles, was zuvor unternommen wurde, zumal dank der internationalen Partner ein Großteil der Weltwirtschaft hinter ihnen stehe, so Biden.
Die US-Regierung hatte am Mittwoch zudem Sanktionen gegen die Betreibergesellschaft der deutsch-russischen Pipeline Nord Stream 2 AG verhängt. Damit dürfte das Milliardenprojekt, das Russland große Einnahmen aus dem Erdgasverkauf versprach, vorerst eine Bauruine bleiben. Zuvor hatte die Bundesregierung das Projekt bereits vorerst auf Eis gelegt.
Gelassenheit aus Moskau
Russland zeigte sich zuvor bereits demonstrativ gelassen. Man verfüge über ausreichend finanzielle Ressourcen, um die Stabilität des russischen Finanzsystems trotz Sanktionen und Drohungen zu gewährleisten, teilte die russische Regierung am Donnerstag der Agentur Tass zufolge mit. Nach jüngsten Angaben betrugen die Finanzreserven am 11. Februar 639,6 Milliarden US-Dollar (572,68 Mrd Euro). Der Finanzmarkt und die größten Unternehmen hätten auch Pläne zum Schutz gegen Sanktionen.
Scholz will noch nicht alle Sanktionen ziehen
Kanzler Olaf Scholz will zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht alle Sanktionsmöglichkeiten gegen Russland ausreizen. Vor den Beratungen mit den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union sprach er sich am Donnerstagabend dafür aus, zunächst bei dem über die vergangenen Wochen für den Ernstfall vorbereiteten Sanktionspaket zu bleiben. Dies sei für die "Geschlossenheit und Entschlossenheit" der EU wichtig. Man müsse sich "alles andere aufbehalten für eine Situation, wo das notwendig ist, auch noch andere Dinge zu tun". Welche Situation er meint, sagte Scholz nicht.
In dem Sanktionspaket noch nicht enthalten ist ein Ausschluss Russlands aus dem Zahlungsverkehrssystem Swift. Dies gilt als eine Art "wirtschaftliche Atombombe" und hätte zur Folge, dass russische Finanzinstitute vom globalen Finanzsystem ausgeschlossen würden, weil Swift das international wichtigste System zum Austausch von Informationen zu Transaktionen ist.
Wirtschaftsminister Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock hatten zuvor schärfste Sanktionen gegen Russland angekündigt. Habeck hatte dabei auch zu Bedenken gegeben, dass "Auswirkungen auf bestimmte Bereiche der deutschen Wirtschaft nicht zu verhindern sein" werden. "Die sind aber in Kauf zu nehmen." Der Preis dafür, Diplomatie wieder möglich zu machen, sei es, die Sanktionen zu verhängen.
Etliche Staats- und Regierungschefs sprachen sich im Gegensatz zu Scholz vor dem Gipfel für möglichst scharfe Strafmaßnahmen aus und ließen erkennen, das ihnen das aktuelle Paket nicht weit genug geht. So forderte der belgische Premierminister Alexander De Croo zusätzliche finanzielle Sanktionen. Der slowenische Ministerpräsident Janez Jansa betonte, es müsse das schärfst mögliche Sanktionspaket beschlossen werden - inklusive Ausschluss aus Swift.
Der irische Premierminister Micheál Martin sagte, Irland werde die schwerstmöglichen und umfangreichsten Sanktionen unterstützen, besonders im Bereich Finanzen, Energie und Transport. Und der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki sagte: "Wir müssen uns für massive Sanktionen einsetzen, für strenge Sanktionen gegen Putin, gegen Russland. Wir können nicht zulassen, dass ein weiterer Rubikon von Putin überschritten wird. Wir müssen das stoppen."
Auch Sanktionen aus London
Der britische Premierminister Boris Johnson hat ebenfalls ein "gewaltiges Paket an Wirtschaftssanktionen" angekündigt. Man werde Russland nun "Tag für Tag, Woche für Woche" ein Stück weiter aus der globalen Wirtschaft drängen, sagte Johnson am Donnerstagnachmittag im Londoner Unterhaus. Außerdem soll das Vermögen von 100 weiteren Personen und Institutionen im Vereinigten Königreich eingefroren werden. Die russische Staatsfluglinie Aeroflot soll mit ihren Maschinen nicht mehr in Großbritannien landen dürfen.
Man wolle "russische Banken vollständig aus dem britischen Finanzsektor ausschließen", kündigte Johnson an. In Kooperation mit den USA schlage man daher vor, die Vermögenswerte der Russischen Großbank VTB vollständig einzufrieren. Russischen Banken solle es nicht mehr möglich sein, auf dem britischen Finanzmarkt in Pfund zu handeln oder dort Clearing-Aktivitäten durchzuführen. Außerdem sollen die Summen begrenzt werden, die russische Staatsbürger auf britischen Konten deponieren können. "Oligarchen in London werden sich nicht verstecken können", sagte der Regierungschef. Wegen seiner Rolle in dem Konflikt solle auch das Nachbarland Belarus mit Sanktionen belegt werden, kündigte Johnson an.