Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Architekt der Zollkriegspolitik Er soll einen Welthandelskrieg entfachen

Howard Lutnick ist der Mann hinter Trumps Handelskrieg. Er träumt von einem Land, das sich ohne Steuern finanziert, nur mit Zöllen. Doch sein radikaler Plan droht Amerika ins Chaos zu stürzen – und bringt auch ihn in Gefahr.
Bastian Brauns berichtet aus Washington
Der Name des Mannes, der für Donald Trump derzeit den Welthandelskrieg entfacht, lautet Howard Lutnick. Um zu verstehen, wie der heutige US-Handelsminister und frühere Wall-Street-Investor tickt und welcher Plan hinter dem unermesslichen Chaos steckt, das er für Trump gerade auslöst, hilft schon ein Blick nur wenige Monate zurück:
Mitten in der heißen Endphase des Präsidentschaftswahlkampfs steht Lutnick am 27. Oktober 2024 im New Yorker Madison Square Garden auf der Bühne und legt seine Vision für die amerikanische Wirtschaft im 21. Jahrhundert dar. Dafür geht der 63-Jährige mit den grauen, zurückgegelten Haaren weit zurück in die Geschichte.
"Wann war Amerika bedeutend und wichtig?", fragt Lutnick vor Tausenden Trump-Anhängern und gibt direkt die Antwort. Es sei die Zeit der Jahrhundertwende von 1900, also vor 125 Jahren, gewesen. Damals habe die amerikanische Wirtschaft gerockt, sagt Lutnick und nennt den Grund: "Wir hatten keine Einkommensteuer. Alles, was wir hatten, waren Zölle." Darum habe Amerika so viel Geld gehabt, dass man gar nicht gewusst habe, wie man es ausgeben solle.
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Die radikale Vision einer alten Wirtschaftsordnung
Trumps Mission für Howard Lutnick lautet in der Tat nicht weniger, als die Zeit um 125 Jahre zurückzudrehen – und damit auch die Geschichte der Globalisierung. Schuld an der heutigen Überschuldung und am propagierten Untergang Amerikas sind aus der Sicht des Präsidenten nicht zuletzt die Folgen der beiden vergangenen Weltkriege. Lutnick drückt es auf der Bühne in New York so aus:
"Weil wir es als unsere Pflicht ansahen, den Rest der Welt wieder aufzubauen, haben wir unseren Schutz abgebaut", erzählt er. Zölle auf Importe seien immer weiter beseitigt worden. "Fortan haben wir stattdessen Amerikaner besteuert, um die Welt zu retten", sagt er. Tatsächlich wurde die Einkommensteuer in den USA erst im Jahr 1913 eingeführt. Längst hätte das beendet werden müssen, findet Lutnick. Mit Trump als Präsident soll es nun wirklich enden.
Strafzölle als wirtschaftliche Waffe
Das, was Howard Lutnick im Madison Square Garden erzählte und damals für viele Beobachter seltsam rückwärtsgewandt klang, scheint er nun für die Trump-Regierung mit den aktuellen Strafzollmaßnahmen umzusetzen. Ohne Rücksicht auf die eigene Bevölkerung, welche die daraus folgenden höheren Preise bezahlen muss, will Trump mithilfe seines Handelsministers Lutnick einen Plan vollziehen: Importe auf radikale Weise durch inländische Produkte zu ersetzen.
Amerikanische Autos sollen nicht mehr in Kanada oder Mexiko, sondern in den USA gefertigt werden. Und so treffen die hohen Zölle nicht nur den großen Konkurrenten China, sondern besonders die engsten Verbündeten, darunter Kanada, Mexiko, die Staaten der Europäischen Union und Großbritannien. So sieht er aus, Lutnicks Wirtschaftstraum vom abgeschotteten amerikanischen Wirtschaftsraum.
Die Illusion einer nationalen Selbstversorgung
Die vollkommen vereinfachte "America First"-Rechnung von Howard Lutnick und der Trump-Regierung lautet: Nur ausländische, nicht aber die heimischen Güter würden durch die Strafzölle teurer. Dass auch amerikanische Unternehmen mit Mischkalkulationen arbeiten, dass importierte Teil-Komponenten nicht einfach über Nacht ersetzt werden können und die inländische Nachfrage vielfach nicht durch inländische Angebote bedient werden kann – all das scheint im Weißen Haus bislang egal zu sein.
Das wichtige, große Ziel gleicht einem nationalistischen Umerziehungsprogramm: Amerikanische Verbraucher und Unternehmen sollen buchstäblich gezwungen werden, ihren Konsum weitgehend an inländischen Produkten auszurichten, schlicht dadurch, dass alles Ausländische teurer gemacht wird. Diese sogenannte importsubstituierende Industrialisierung (ISI) war eigentlich eine handelspolitische Strategie von Entwicklungsländern, um die eigene Produktion zu fördern – mit fragwürdigem Erfolg.
Fraglich ist es nun erst recht, ob die Idee bei der weltweit größten Wirtschaftsmacht USA funktionieren kann. Trumps begonnene Handelskriege unter der Ägide von Howard Lutnick heizen schon jetzt die Inflationssorgen an. Ein Börsenbeben lässt die Kurse zahlreicher amerikanischer Unternehmen einbrechen. In einem Interview beim US-Fernsehsender Fox News verteidigte Lutnick in dieser Woche seine Politik und seinen Präsidenten.
Lutnick als möglicher Sündenbock
"Inflation entsteht dadurch, dass eine Regierung zu viel Geld druckt, so wie die Biden-Administration", sagte Lutnick und behauptete, Produkte, die nur in Amerika hergestellt würden, kosteten nicht mehr, und fragte: "Wie wäre es, wenn wir einfach amerikanischen Stahl und amerikanisches Aluminium kaufen?" Als der Moderator nachfragte, was passiere, wenn es nicht genug heimischen Stahl, Aluminium und Kupfer gebe, wich Lutnick aus: Die amerikanischen Produzenten seien noch längst nicht ausgelastet und könnten außerdem noch viel effizienter werden. "Donald Trump ist der wichtigste, intelligenteste und fähigste Anführer der Welt", sagte Lutnick dann noch.
Mit diesem exzessiven Lob will sich der Handelsminister offenbar etwas Luft verschaffen. Lutnicks schroffe Art soll ihm bislang in der Regierung nur wenige Freunde eingebracht haben. Das US-Magazin "Politico" berichtete zuletzt von Insidern, nach denen der 63-Jährige infolge von Trumps erratischer Zollpolitik demnächst als Sündenbock für das wirtschaftliche Beben herhalten könnte. Es würde zu Trumps Verhalten in seiner ersten Amtszeit passen, seine ernannten Führungskräfte bei Misserfolgen einfach auszutauschen und auf diese Weise einen notwendigen Kurswechsel einzuleiten. Das erlebte in der ersten Amtszeit schon nach wenigen Monaten sein Chef-Strategieberater Steve Bannon – viele weitere folgten.
Vom 11. September bis ins Weiße Haus
Doch gerade Howard Lutnick ist einer jener Minister, die einen besonders engen Draht zu Donald Trump haben. Nicht zuletzt, weil er seit vielen Jahren einer seiner wichtigen Wahlkampfspender ist. Im vergangenen Jahr sammelte er elf Millionen US-Dollar ein. Dazu ist Lutnick ein großer Unterstützer Israels und für Trump auch deshalb eine wichtige Figur. Nicht ohne Grund durfte er auch das sogenannte Transition-Team leiten, das maßgeblich die Machtübergabe im Weißen Haus vorbereitete.
Geboren am 14. Juli 1961 auf Long Island, New York, ist er in derselben Stadt groß geworden wie Donald Trump. Später trat er in dessen bekannter Fernsehshow "The Apprentice" auf. Bekannt wurde Lutnick einer breiten Öffentlichkeit aber ausgerechnet bei den islamistischen Terroranschlägen auf die Zwillingstürme des World Trade Centers am 11. September 2001. Als damaliger CEO des Finanzdienstleisters Cantor Fitzgerald überlebte er nur durch einen Zufall.
An dem betreffenden Morgen brachte Lutnick seinen Sohn zu seinem ersten Schultag und war deshalb nicht im Büro. Sein Unternehmen befand sich in den obersten Etagen des Nordturms des World Trade Centers. 658 Mitarbeiter – fast die gesamte Belegschaft, darunter auch sein eigener Bruder – starben. Lutnick, der von dem persönlichen Verlust tief gezeichnet war, sicherte den Familien der Opfer finanzielle Unterstützung zu und leitete den mühsamen Wiederaufbau der Firma ein. Seine emotionalen TV-Auftritte machten ihn damals, ähnlich wie New Yorks damaligen Bürgermeister und heutigen Trump-Vertrauten Rudy Giuliani, zu einer Symbolfigur der Tragödie.
Howard Lutnick hat schwere persönliche Krisen gemeistert. Ob er Trumps begonnenen Welthandelskrieg überleben wird, ist indes ungewiss. Was im Weißen Haus laut US-Medienberichten jedenfalls nicht gut ankommt: Lutnick soll mit voreiligen Aussagen Verwirrung ausgelöst haben, weil er Zollpausen ankündigte, noch bevor Trump dies offiziell machte. Viel hängt allerdings bei Lutnicks Zukunft davon ab, wie sehr Donald Trump selbst hinter der ideologischen Grundidee steht, die amerikanische Einkommensteuer langfristig wirklich durch Zolleinnahmen aus dem Ausland zu ersetzen.
Die radikale Umstrukturierung des Staates
Was dafür spricht, ließ Lutnick schon im Februar durchblicken. In einem Interview, das er ebenfalls bei Fox News gab, kündigte der Handelsminister an, das Ziel von Präsident Trumps Politik bestehe darin, den sogenannten "Internal Revenue Service" (IRS), die amerikanische Steuerbehörde, "abzuschaffen". Stattdessen solle der "External Revenue Service" geschaffen werden, der Geld aus Zöllen, von nicht US-staatsbürgerlichen Arbeitskräften und von anderen möglichen Einnahmen aus dem Ausland eintreiben solle. Die Auswirkungen dieser Idee könnten das globale Wirtschaftssystem erschüttern. Angeblich verfolgen Trump und sein Team mit dem sogenannten "Mar-a-Lago accord" aber genau das, wie zuletzt die "Financial Times" berichtete.
Vor diesem Hintergrund ist auch der drastische Rückbau der Bundesbehörden zu verstehen – nicht nur die staatliche Entwicklungshilfeorganisation USAID wird dabei geschleift, sondern auch das Bildungsministerium. Die radikale Idee dahinter: Am besten soll nur ein marginales, staatliches Rumpfgebilde übrig bleiben, das hauptsächlich die innere Sicherheit garantiert. Die auf diese Weise reduzierten Kosten würden dann von externen Einnahmen finanziert werden.
Sollte Trump diesen Plan in seiner Radikalität wirklich weiterverfolgen, ist Howard Lutnick dafür eigentlich unentbehrlich. So wie der Wall-Street-Investor nach dem 11. September 2001 einst dem weltweiten islamischen Dschihad den Kampf ansagte, will er jetzt offenkundig jenen amerikanischen Staat zerstören, der seine heutige Form vor mehr als einem Jahrhundert angenommen hat.
So wie Trump ist Lutnick durchdrungen von der Idee, dass ausländische Nationen die USA lediglich ausnutzen. Im New Yorker Madison Square Garden drückte er das im vergangenen Oktober so aus: "Wir lassen den Rest der Welt einfach unser Mittagessen essen." Die Trump-Regierung wolle nicht weniger als den vollkommen überschuldeten US-Haushalt ausgleichen. "Wenn uns das gelingt, wird die ganze Welt zu spüren bekommen, was es bedeutet, die ganze Kraft der US-Wirtschaft und ihrer unglaublichen Arbeiterschaft zu entfesseln", sagte Lutnick.
- Eigene Recherchen vor Ort
- Interviews auf Fox News (english)
- politico.com: Trump allies are blaming Lutnick for Trump’s tariff turmoil (englisch)
- pix11.com: A CEO took his son to school on 9/11; the decision saved his life (englisch)
- archive.nytimes.com: The Survivor Who Saw the Future for Cantor Fitzgerald (englisch)
- jewishinsider.com: Howard Lutnick, the pro-Israel champion leading Trump’s transition team (englisch)
- ft.com: What a Mar-a-Lago accord could look like (englisch)