EU-Außengrenze Morawiecki kritisiert Merkels Gespräche mit Lukaschenko
Berlin (dpa) - Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat die geschäftsführende Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für ihre Gespräche mit dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko kritisiert.
In einem Interview der Deutschen Presse-Agentur begrüßte er zwar, dass sich die Europäische Union an der Suche nach einer diplomatischen Lösung der Flüchtlingskrise an der Grenze zwischen Belarus und Polen beteiligt. "Aber als Bundeskanzlerin Merkel Herrn Lukaschenko angerufen hat, hat sie zur Legitimation seines Regimes beigetragen, während der Kampf für ein freies Belarus nun schon seit 15 Monaten andauert", sagte der zur nationalkonservativen PiS-Partei gehörende Regierungschef.
Merkel hatte Mitte November zweimal mit Lukaschenko telefoniert, obwohl Deutschland wie auch andere westliche Staaten ihn nicht als legitimen Präsidenten anerkennen. Regierungssprecher Steffen Seibert begründete die Kontaktaufnahme mit der verheerenden humanitären Lage für Tausende Menschen an der Grenze. Er verwies auch darauf, dass das Vorgehen mit der EU-Kommission abgestimmt gewesen sei.
Morawiecki warf Lukaschenko vor, die Telefonate für seine Zwecke zu missbrauchen. "Er hat so getan, als wenn Merkel dem Transport von 2000 Migranten durch einen Korridor nach Deutschland und in andere europäische Länder zugestimmt habe. Und das ist nicht richtig."
Lukaschenko hatte erst am Freitag wieder erklärt, Merkel habe sich mit der Aufnahme der Flüchtlinge einverstanden erklärt. Regierungssprecher Seibert hatte das klar dementiert: "Da möchte ich für die Bundeskanzlerin und für die Bundesregierung ganz klar sagen, dass diese Aussage falsch ist."
Morawiecki lehnt Frontex-Unterstützung ab
Seit Wochen versuchen Tausende Migranten, von Belarus über die EU-Außengrenzen nach Polen oder in die baltischen Staaten zu gelangen. Die EU wirft Lukaschenko vor, gezielt Menschen aus Krisenregionen nach Minsk einfliegen zu lassen, um sie dann in die EU zu schleusen.
Morawiecki lehnte erneut Hilfe der europäischen Grenzschutzagentur Frontex bei der Sicherung der polnischen Grenzen ab. "Wir haben 15.000 Grenzschützer und Frontex hat bis zu 1200 Grenz- und Küstenschützer für alle Außengrenzen der Europäischen Union", sagte er zur Begründung. Zudem stünden 15.000 polnische Soldaten für den Grenzschutz zur Verfügung. "Unsere Grenze ist also ziemlich dicht."
Der polnische Ministerpräsident sieht in Europa inzwischen weitgehende Einigkeit in der Flüchtlingspolitik. Mit Blick auf die Öffnung von Grenzen in der Flüchtlingskrise 2015 sagte er: "Die frühere Flüchtlingspolitik hat sich als Fehler erwiesen. Die meisten EU-Länder mit Ausnahme von einem oder zweien haben verstanden, dass wir keine Politik der offenen Tür und Multikulti haben können." Eine gemeinsame Asylpolitik der EU lehnte Marowiecki ab. Das sollte Sache der einzelnen Mitgliedstaaten bleiben.
Der Regierungschef bekräftigte sein Angebot, die Rückführung von Flüchtlingen aus Belarus mitzufinanzieren. Er betonte aber auch, dass da die EU als Ganzes in der Pflicht sei. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat bereits vor einigen Tagen bis zu 3,5 Millionen Euro dafür in Aussicht gestellt.
Rückführung bereits gestartet
Die Rückführung der Flüchtlinge hat bereits begonnen. Am Samstag hob wieder eine Maschine der irakischen Fluggesellschaft Iraqi Airways mit Zielort Erbil vom Flughafen Minsk ab. Eine weitere Maschine nach Erbil war für den Abend angekündigt, wie der Flughafen mitteilte.
Der Grenzschutz in Polen registrierte am Freitag mehr als 200 Versuche von Migranten, von Belarus aus illegal die Grenze des EU-Mitgliedstaats zu überschreiten. Da Polen weder Journalisten noch Hilfsorganisationen in das Grenzgebiet lässt, können die Angaben nicht unabhängig überprüft werden.
In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur sprachen sich 45 Prozent der Befragten dagegen aus, einen Teil der Flüchtlinge aus Belarus nach Deutschland einreisen zu lassen, um dann hierzulande zu prüfen, ob sie schutzberechtigt sind. Lediglich 9 Prozent sprachen sich dafür aus, diesen Menschen in Deutschland ein Asylverfahren zu ermöglichen - ohne die Aufnahme mit Bedingungen zu verknüpfen.
21 Prozent der Deutschen wären nur dann für eine Einreise nach Deutschland, wenn auch andere EU-Staaten bereit wären, Asylbewerber aus dieser Gruppe ins Land zu lassen. Weitere 18 Prozent wollen nur Flüchtlinge von der polnisch-belarussischen Grenze aufnehmen, die aus Kriegsgebieten stammen. 7 Prozent äußerten keine klare Meinung.