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Coronavirus: Wir erleben drei existenzielle Krisen – und müssen sie lösen


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Deutschland in der EU
Wir erleben drei existenzielle Krisen – und müssen sie lösen

MeinungGastbeitrag von Lisa Badum, Michael Bloss (Grüne)

Aktualisiert am 20.05.2020Lesedauer: 4 Min.
Wirtschaftskrise, Klimakrise, Corona-Krise: Die Grünen fordern, die drei aktuellen Herausforderungen zusammen zu bewältigen.Vergrößern des Bildes
Wirtschaftskrise, Klimakrise, Corona-Krise: Die Grünen fordern, die drei aktuellen Herausforderungen zusammen zu bewältigen. (Quelle: t-online.de/imago-images-bilder)
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Im Juli übernimmt Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft. Die Bundesregierung muss sie nutzen, um die drei existenziellen Krisen unserer Zeit zu lösen, fordern

Anfang Juli wird Deutschland den Vorsitz im Europäischen Rat übernehmen und somit erheblich die Geschicke der Europäischen Union lenken. Diese ist momentan mit drei existentiellen Krisen konfrontiert: der größten Gesundheitskrise seit dem Zweiten Weltkrieg, einer beginnenden Weltwirtschaftskrise und einer sich verstärkenden Klimakrise.

Uns dort wieder herauszuführen, wird der Lackmustest für die deutsche Bundesregierung. Und schon jetzt sehen wir, dass gerade Deutschland und die Unionsfraktion dabei zum Problem werden. Aber wer denkt, dass Klimaschutz ein Luxus sei, der hört nicht auf die Wissenschaft, sondern nur auf die Lobbyisten der Kohle- und Automobilindustrie.

1. Eine Richtschnur für den Green Deal spinnen

Aktuell verhandeln wir auf EU-Ebene den Recovery Fund. Ein Billionen-Programm der EU, so viel Geld werden wir wahrscheinlich in den nächsten zehn Jahren nicht mehr ausgeben. Die Frage ist: Zementieren wir damit das alte System oder nutzen wir es, um eine zukunftsfähige Gesellschaft zu bauen? Damit das Geld nicht in Kohle, Öl und Gas fließt, muss die Erhöhung der Klima-Quote des EU-Haushaltes von 25 auf 50 Prozent kommen. Klingt technisch, hat aber einen enormen Effekt auf Klima und Wirtschaft. Wenn wir von den zwei Billionen rund eine Billion in die Energiewende, CO2-neutralen Stahl oder neue Batterietechnologie stecken, wäre dies das größte und sauberste Konjunktur- und Arbeitsplatzprogramm in der Nachkriegsgeschichte der EU.

Lisa Badum (36) ist bei den Grünen Sprecherin für Klimapolitik in der Bundestagsfraktion. Michael Bloss (33) ist für die Grünen Mitglied des Europäischen Parlaments.

Deshalb ist wichtig: Wer jetzt an der Tür klopft und Milliardenhilfen will, muss aufzeigen, wie das Unternehmen klimaneutral wird – das muss auch für Lufthansa und Co. gelten. Geld ja, aber nur mit klaren Klimavorgaben. Das ist keine Erpressung der Wirtschaft, sondern die Einhaltung eines Vertrages, den wir vor fünf Jahren unterschrieben haben – das Pariser Klimaschutzabkommen.

Deshalb wäre es nur konsequent und richtig, wenn sich alle Hilfs- und Konjunkturprogramme der EU und ihrer Mitgliedstaaten am 1,5-Grad-Ziel aus dem Pariser Klimaschutzabkommen ausrichten. Die Hebel dafür gibt es schon, wie die EU-Taxonomie für nachhaltige Investitionen, die EU Green Bonds Standards sowie die Climate Transition Benchmarks zeigen. Die deutsche Ratspräsidentschaft muss es nur umsetzen und eine Richtschnur spinnen.

2. Potenziale für Wirtschaft, Klima und Jobs richtig entfalten

Es muss einen richtigen europäischen Green Deal für die Bürger*innen geben. Dafür müssen wir die Gelder aus dem Recovery-Programm schlau in zukunftssichere Industrien und Jobs investieren. Zentral dafür werden die vernetzte Mobilitätswende, eine europäische Sanierungswelle und der Ausbau von erneuerbaren Energien sein. Allein der Verkehr ist für knapp 30 Prozent aller Treibhausgasemissionen in der EU verantwortlich und unsanierte Gebäude für weitere 36 Prozent – ein gigantisches Potenzial, um Emissionen zu sparen und gleichzeitig die Wirtschaft anzukurbeln.

Um die Flottengrenzwerte für Pkw einzuhalten, benötigen wir 6,2 Millionen Elektrofahrzeuge bis 2030 in Europa, die nächste Abwrackprämie für Verbrenner entfernt uns meilenweit davon. Der Green Deal muss für emissionsarme Autos, sicheren Rad- und Fußverkehr und europaweiten ÖPNV-Ausbau genutzt werden. Wir fordern Transformationspartnerschaften zwischen ähnlich betroffen Regionen in Europa. So profitieren zum Beispiel die Automobilregionen in Bayern, Italien und Polen vom Austausch über ihre Erfahrungen beim Strukturwandel und unterstützen sich beim Umbau in eine zukunftsfähige Mobilitätsbranche mit Umschulung, klimaneutraler Produktion und E-Mobilität.

Gleichzeitig sind nur drei Prozent der Gebäude in der EU nach neuesten Effizienz-Richtlinien saniert. In ganz Europa müssten in den nächsten zehn Jahren mindestens 70 Millionen Wohnungen saniert und mit erneuerbaren Energien versorgt werden. Diese bieten lokale Arbeitsplätze für mehr als 1,4 Millionen Menschen.

Das alles kann die deutsche Ratspräsidentschaft durchaus leisten. Denn jeder investierte Euro aus dem EU-Haushalt entfaltet Milliarden weiterer. Am Ende landen die in den Solardächern der Bürger*innen, den modernen Windkraftanlagen und der neuesten Batterietechnologie made in Europe.

3. Wir brauchen die Koalition der Klima-Willigen

Unser europäisches Klimaziel für das Jahr 2030 ist von 2011. Seitdem hat sich einiges verändert. Der UNEP Emissions Gap Report 2019 zeigt, dass die Emissionen jährlich um 7,9 Prozent fallen müssen, um das Klimaabkommen einhalten zu können. Aus guten Gründen: Die wärmsten 20 Jahre lagen in den vergangenen 22 Jahren und die letzten Dürren in Deutschland waren 2018 und 2019 – 2020 scheint dem traurigen Trend zu folgen. Für die EU würde das eine Treibhausgasreduktion von minus 65 Prozent bis 2030 bedeuten. Wie das wirtschaftlich geht, haben wir oben gezeigt.

Aber es gilt anzupacken und die Richtschnur weiter zu spannen. Leider wird von der Bundesregierung lieber das Prinzip "Kopf in den Sand stecken" verfolgt. In ihrem neuen Positionspapier zum Green Deal stellt die CDU/CSU die deutsche Verantwortung im Klimaschutz und die Lastenteilung infrage. Das ist eine dreiste Attacke auf den Green Deal. Denn die Solar- und Windbranche in Deutschland und der EU wird, trotz der letzten Klecker-Einigung der Groko, weiterhin ohne zu zucken abgesägt.

Die Dynamik der letzten Jahre in der Energiewende lässt sich so nicht halten und Hunderttausende Jobs stehen auf dem Spiel, Innovationskraft geht verloren und die Wertschöpfungskette findet woanders statt. Gleichzeitig soll der Klimaschutz einfach in Drittländer outgesourct werden. Spitzentechnologie made in Europe kann so nicht entwickelt werden. Die Klimaschutzambitionen der deutschen Ratspräsidentschaft kommen damit unter die Räder, noch bevor sie begonnen hat.

Die wissenschaftlichen Erkenntnisse aber liegen auf dem Tisch – ob wir wollen oder nicht. Wir brauchen eine Koalition der Klima-Willigen mit Deutschland an der Spitze, die jetzt gemeinsam umsetzen, was sie mit dem Pariser Klimaschutzabkommen bereits unterschrieben haben.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten spiegeln die Meinung der Autoren wider und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online.de-Redaktion.

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