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Merz gehen die Gäule durch – Olaf Scholz punktet


Gewinner und Verlierer der Woche
Merz gehen die Gäule durch – Scholz nutzt seine Chance

  • Florian Schmidt
MeinungVon Florian Schmidt

31.01.2025 - 10:33 UhrLesedauer: 1 Min.
Friedrich Merz (l.) und Olaf Scholz: Der eine will den anderen als Kanzler ablösen.Vergrößern des Bildes
Friedrich Merz (l.) und Olaf Scholz: Der eine will den anderen als Kanzler ablösen. (Quelle: imago-images-bilder)
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Historisches ist im Bundestag passiert in den vergangenen Tagen. Mittendrin: Friedrich Merz, der Kanzlerkandidat der Union, der eine schwache Figur abgab. Und: Olaf Scholz, Kanzler und Kandidat der SPD, der diese Schwäche zu nutzen weiß.

Was war da nur los im Parlament diese Woche: Erstmals ist im Bundestag ein Antrag beschlossen worden, der nur deshalb eine Mehrheit fand, weil an der Seite von Union und FDP auch die AfD dafür stimmte. Ein Tabubruch. Bislang nämlich galt unter den Parteien der demokratischen Mitte der Konsens, nur jene Vorhaben im Parlament anzuschieben, die auch ohne die AfD beschlossen werden können. Mehr noch: Nach dem Ampel-Aus sicherte CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz sogar selbst zu, dass auf die Tagesordnung des Parlaments nur kommt, was Union, SPD, Grüne und FDP zuvor gemeinsam besprochen haben.

Doch jetzt ist Wahlkampf. Und nach dem Attentat von Aschaffenburg scheint es CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz lieber mit Konrad Adenauer zu halten, den schon vor einem halben Jahrhundert sein "dummes Geschwätz von gestern" nicht mehr kümmerte. Die Empörung über den verabschiedeten Antrag zur Migrationspolitik ist groß, auch im eigenen Lager. Sogar Ex-Kanzlerin Angela Merkel kritisierte in einer bislang beispiellosen Weise das Vorgehen ihres eigenen Parteichefs und möglichen Nachnachfolgers.

Der Verlierer der Woche ist damit schnell ausgemacht, und der Gewinner ist es auch: SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz könnte von dem Ärger über Merz profitieren. Wenn nicht jetzt, wann dann?

Gewinner der Woche

Jetzt schlägt die Stunde des Kanzlers

Plötzlich Gewinner – und das ohne viel eigenes Zutun: Olaf Scholz und seine SPD können sich freuen über den Ausgang der Abstimmung zum Unionsantrag, der die Migrationspolitik verschärfen soll.

Offiziell sagt das so natürlich keiner. Nach außen ist die Betroffenheit groß und die Empörung noch größer: "Das war der Dammbruch", sagen die einen, das "Ende der Brandmauer", die anderen. Die Union, so SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich, sei "aus der politischen Mitte dieses Hauses ausgebrochen". Sehr schlimm, das alles.

Im Stillen aber dürften sich gerade bei den Sozialdemokraten dann doch viele ins Fäustchen lachen. Ein größeres Geschenk als die (mehr oder weniger) gemeinsame Sache, die Friedrich Merz und die Union mit der AfD gemacht haben, hätte sich Noch-Kanzler Scholz wohl kaum erträumen können.

Endlich, so wird dieser Tage manch ein Genosse denken, könnte die SPD-Kampagne nun das Momentum bekommen, auf das sie eingedenk der phänomenalen Aufholjagd vor der letzten Bundestagswahl so sehr hoffen. Endlich haben wir was, wo wir die Union so richtig festnageln können (was im bisherigen Krieg-und-Frieden-Wahlkampf nicht so recht gelingen wollte).

Freilich ist völlig offen, ob das wirklich klappt. Die jüngsten Umfragen zeigen noch keinen solchen Effekt. Dennoch ist es vielleicht die letzte Möglichkeit, die Scholz jetzt noch hat, um eine Trendumkehr herbeizuführen. Und er schickt sich an, sie gut zu nutzen:

Gleich am Mittwochabend sagte er in der ARD den Satz, der jetzt verfangen soll beim Wähler, der verfangen muss aus SPD-Sicht: "Ich kann Friedrich Merz nicht mehr vertrauen." Das klingt zunächst gar nicht wie eine allzu scharfe Kritik, wie ein echter Vorwurf an Merz, sondern eher wie eine fast banale Feststellung. Und doch ist die Botschaft, sollte sie sich festsetzen, fatal für Scholz' ärgsten Konkurrenten.

Denn Vertrauen ist das höchste Gut in der Politik. Wer es nicht genießt, kann einpacken.

Gelingt es Scholz, nach dem Tabubruch von dieser Woche – ob zu Recht oder nicht – Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit seines potenziellen Nachfolgers zu säen, könnten manche CDU-Wähler aus der alten Merkel-Mitte durchaus noch zu Scholz rüberschwenken.

Die Chance, die Scholz hat, ist klein. Aber das Unterfangen Aufholjagd scheint weniger unwahrscheinlich als noch vor einer Woche.

Verlierer der Woche

Merz fehlt die Impulskontrolle

Um es gleich vorwegzunehmen: Nein, Friedrich Merz will ganz gewiss keine Annäherung an die AfD, das können wir ihm glauben. Wenn er sagt, er wolle die Rechtspopulisten kleiner machen, wenn er erklärt, dass er eine Zusammenarbeit, Verabredungen, Absprachen, eine Koalition gar ausschließt – dann hören wir die Worte eines aufrichtigen Demokraten, der in der Rechtsaußenpartei eben gerade keine Vertreter des "gutbürgerlichen" Lagers sieht, nicht einmal eines "bürgerlichen".

Und doch hat all dem zum Trotz Merz' Glaubwürdigkeit in Sachen AfD-Brandmauer stark gelitten. Indem er die Stimmen der AfD auch nur in Kauf genommen hat, indem er zuvor nicht genug (vermutlich sogar gar nicht) um die Zustimmung von SPD und Grünen geworben hat, indem er offenkundig eher seinem Bauchgefühl als seinem Kopf gefolgt ist, hat er nicht nur sein eigenes Wort vom November gebrochen und so einen historischen Tabubruch im hohen Haus herbeigeführt. Er hat auch all jenen in der eigenen Partei eine Rampe gebaut, die anders als er selbst sehr wohl auf die AfD zugehen wollen. Ob auf Landesebene oder in den Kommunen – CDUler, die kein Problem in einer Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten sehen, werden ab sofort mit dem Finger auf ihren Parteichef zeigen und sagen: Na komm, so schlimm kann's nach der Nummer ja wohl auch nicht mehr sein. Merz reißt die Brandmauer nicht selbst ein. Aber er gibt jenen, die dieses Ziel verfolgen, Hammer und Meißel in die Hand.

Einmal mehr zeigt der CDU-Chef damit auch, dass ihm die Impulskontrolle fehlt. Nach dem grausamen Attentat von Aschaffenburg hatte er seinen Fünf-Punkte-Plan für eine Begrenzung der Migration zunächst als Versprechen für den ersten Tag als künftiger Kanzler vorgestellt. Dabei hätte er es belassen können, nein: müssen.

Doch Merz gingen die Gäule durch: Völlig ohne Not formulierte er daraus einen Antrag für den Bundestag, obwohl dieser rein symbolischen Wert hatte, faktisch nichts verändert. Auch mit dem Gesetz gegen den Zustrom von mehr Flüchtlingen, das am Freitag in gleicher Manier durchs Parlament gebracht werden soll, verhält es sich so, weil es im Bundesrat absehbar keine Zustimmung finden wird.

Auf Kosten des Vertrauens von SPD und Grünen, seinen potenziellen Koalitionspartnern nach der Wahl, gaukelt er so Handlungsfähigkeit vor, die er sowieso nicht hat. Ein unnötiger Tiefpunkt im laufenden Wahlkampf, nicht nur für Merz persönlich.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
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