Von Wuhan bis New York So verändert das Coronavirus die ganze Welt
Die Corona-Pandemie betrifft Menschen weltweit, doch die mehr als 180 verschiedenen Länder gehen unterschiedlich mit der Bedrohung um. Die Probleme sind nicht überall gleich.
Shoppen im Einkaufszentrum, Essen gehen im Restaurant, mit dem Flugzeug verreisen: Wovon man in Europa derzeit nur träumen kann, ist in Wuhan, dem Ursprungsort der Corona-Pandemie, wieder Realität. Von der chinesischen Metropole hat sich das Virus innerhalb von drei Monaten in mehr als 180 Länder ausgebreitet. Ein Blick auf einige von ihnen:
USA: Hoffnung für New York, aber keine Entwarnung
In den USA sterben täglich mehr als Tausend Menschen an der Lungenkrankheit Covid-19, aber für den besonders betroffenen Bundesstaat New York gibt es einen Hoffnungsschimmer. Zwar erreichte die Zahl der Todesopfer an einem Tag einen neuen Höchststand – dort gibt es inzwischen mehr als 10.000 Tote. Die Krankenhäuser nahmen aber zuletzt weniger neue Corona-Patienten auf. Die strengen Ausgangsbeschränkungen in der Stadt, die niemals schläft, scheinen Wirkung zu zeigen, werden aber bis mindestens Ende des Monats beibehalten.
Und die Millionenmetropole New York City greift zu drastischen Maßnahmen, um das erschreckende Ausmaß der Krise zu bewältigen: Falls nötig, würde man "mit 'vorübergehenden Bestattungen' beginnen. Dies wird wahrscheinlich durch die Nutzung eines New Yorker Parks geschehen (ja, Sie haben das richtig gelesen)", erklärte der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses des Stadtrats, Mark Levine.
Nach Ansicht von Präsident Donald Trump geht der Kampf gegen das Virus in den USA diese Woche in eine "entscheidende und schwierige Phase". Vergangene Woche hatte das Weiße Haus mit Blick auf ein Modell gewarnt, dass es trotz Maßnahmen zur Eindämmung zwischen 100.000 und 240.000 Tote in den USA durch das Coronavirus geben könnte. Die aktuelle Prognose des Instituts IHME der Universität Washington in Seattle erwartet nun im Mittel rund 80.000 Tote bis August. In Trumps Corona-Taskforce keimt angesichts der Zahlen aus New York Hoffnung auf. "Das ist die Art von guten Zeichen, nach denen man sucht", sagte der Virologe Anthony Fauci. Entwarnung gab er nicht.
Großbritannien: Regierungschef auf der Intensivstation
In Europa hat das Virus den ersten Regierungschef erwischt. Der britische Premierminister Boris Johnson liegt auf der Intensivstation. Er soll bei Bewusstsein sein und musste bislang nicht an ein Beatmungsgerät angeschlossen werden. Der ehrgeizige Außenminister Dominic Raab vertritt ihn nun und leitet auch die täglichen Corona-Krisensitzungen des "Kriegskabinetts", an dem die wichtigen politischen Entscheider teilnehmen.
Die Erkrankung Johnsons macht das Krisenmanagement nicht gerade einfacher. Die Regierung steht vor massiven Herausforderungen. Der vor allem über Steuern finanzierte staatliche Gesundheitsdienst NHS (National Health Service) ist seit Jahren chronisch unterfinanziert und marode. Krankenschwestern berichten, dass sie bei der Behandlung von Corona-Patienten die Luft anhalten, weil sie keine Masken haben.
Ganz nebenbei steht die britische Regierung auch noch vor einer anderen Herausforderung, die mit Corona nichts zu tun hat. Der Brexit muss geregelt werden. Nächste Woche soll der Fahrplan für die weiteren Verhandlungen über die Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und Großbritannien nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs erörtert werden. In den letzten Wochen lag das Thema auf Eis. Das wiederum hatte viel mit Corona zu tun: Auch der EU-Chefunterhändler Michel Barnier hatte sich mit dem Coronavirus infiziert und auch sein britischer Kollege David Frost begab sich in Quarantäne.
China: Wuhan kehrt zur Normalität zurück
Die guten Nachrichten in Sachen Corona kommen derzeit vor allem aus China. Schon seit Wochen werden dort kaum noch neue Infektionen gemeldet. Am Dienstag war zum ersten Mal seit den Anfängen der Krise kein Todesfall mehr zu beklagen. Nach offiziellen Angaben sind 3.331 Menschen durch die Lungenkrankheit Covid-19 ums Leben gekommen – weit weniger als inzwischen in Italien oder Spanien. Die tatsächlichen Zahlen dürften allerdings deutlich höher liegen, da die Art der Erhebung immer wieder geändert worden ist und viele Fälle nicht in der offiziellen Statistik auftauchen.
Als symbolischer Akt für die Verbesserung der Lage sollten am Dienstag – mehr als zweieinhalb Monate nach der Abriegelung – die letzten Beschränkungen der Bewegungsfreiheit für die elf Millionen Bewohner von Wuhan fallen. Von hier hat sich die Pandemie weltweit ausgebreitet. Am Mittwoch wird auch der Flugverkehr wieder aufgenommen. Autos dürfen die Stadt wieder verlassen und die Menschen mit dem Zug reisen – vorausgesetzt, sie sind gesund und hatten jüngst keinen Kontakt zu Infizierten. Zur Feier des Tages wurden in Wuhan zahlreiche Gebäude mit einer Lichtershow in Szene gesetzt.
Türkei: Hausarrest statt Gefängnis angedacht
Kontaktverbot in Gefängnissen? Angesichts der Platzverhältnisse in den meisten Haftanstalten weltweit undenkbar. In der Türkei ist nun im Gespräch, Gefangene vorzeitig aus den überfüllten Gefängnissen zu entlassen. Am Dienstag diskutierte das Parlament über einen Gesetzentwurf, der die Strafe von bis zu 90.000 Insassen beispielsweise in Hausarrest umwandeln würde. Anwälte und Menschenrechtler kritisieren das aber scharf, weil wegen Terrorvorwürfen inhaftierte Menschen von der Regelung ausgenommen wären. Unter ihnen sind viele Regierungskritiker und Journalisten.
Der Hotspot der Corona-Krise in der Türkei ist Istanbul, wo rund 16 Millionen Einwohner dicht an dicht miteinander leben. Vergangene Woche wurden zu einem Zeitpunkt mal 60 Prozent aller Fälle hier gemeldet. Im berühmten touristischen Zentrum wirkt die Stadt nach allmählich gesteigerten Virusabwehrmaßnahmen jetzt wie eine Geisterstadt.
Ausgangssperren gibt es dennoch bisher nur für Unter-20-Jährige und Über-65-Jährige – also vor allem die, die mehrheitlich nicht arbeiten. Das kommt nicht von ungefähr: In der Türkei trifft die Corona-Krise auf eine bereits schwer angeschlagene Wirtschaft, unter anderem durch eine Währungskrise im Jahr 2018. Jetzt ist die Lira wieder abgerutscht. Und die für das Land so wichtige Tourismusindustrie, für die über Ostern die Saison beginnen sollte, dürfte zumindest bis Spätsommer harte Einbrüche vermelden.
Brasilien: Krankenstation in Pelés Stadion
Wo einst Brasiliens Fußball-Legende Pelé einen Teil seiner mehr als 1.000 Tore für den FC Santos erzielte, hat eine Krankenstation mit knapp 200 Betten den Betrieb aufgenommen. Wie das Portal "G1" berichtete, wurden am Montag zunächst zwei Patienten in das sogenannte HM Camp im Pacaembu-Stadion in São Paulo überwiesen. Bis zum Ende des Tages sollten 100 Personen zur ärztlichen Behandlung aufgenommen werden. Das Angebot richtet sich ausschließlich an Corona-Infizierte aus dem öffentlichen Gesundheitssystem. Die Stadtverwaltung hatte die Krankenstation mit zwei Zelten errichtet.
Ziel ist, die öffentlichen Hospitäler zu entlasten, damit diese sich Patienten mit schweren Krankheitsbildern annehmen können. Die Zahl der Corona-Infizierten in Brasilien lag offiziell zuletzt bei mehr als 11.000 Menschen. Davon sind 486 Menschen im Zusammenhang mit dem Virus bislang gestorben, die meisten davon (275) im Bundesstaat São Paulo. Er ist mit mehr als 40 Millionen Einwohner der bevölkerungsreichste Bundesstaat des Landes.
Während Präsident Jair Bolsonaro das Coronavirus als "kleine Grippe" bezeichnete, hatte der Gouverneur des Bundesstaat São Paulo als erster in Brasilien Ausgangsbeschränkungen verfügt, um die Ausbreitung zu verhindern; am Montag verlängerte er die Maßnahmen. Wie das Instituto Butantan bekanntgab, könnte die Zahl der Toten in dem Bundesstaat in den kommenden Monaten dennoch auf 100.000 steigen.
Saudi-Arabien: Ölpreis-Schock und Sorgen um große Wallfahrt
Der Wüstenstaat wird wegen des Ölpreisverfalls besonders hart von der Pandemie getroffen. Trotz eines laufenden Umbaus der Wirtschaft ist das Königreich immer noch sehr abhängig vom Öl. Die Nachfrage ist nun drastisch gesunken, der Preiskrieg mit Russland hat den Ölpreis zusätzlich in den Keller gedrückt. Im März waren die Preise so stark abgestürzt wie seit Jahrzehnten nicht mehr.
Mit der großen Wallfahrt Hadsch, die dieses Jahr Ende Juli beginnt, bangt Saudi-Arabien um eine weitere sehr wichtige Einnahmequelle. Die Pilger bezahlen normalerweise viel Geld, um mit dem Hadsch eine der fünf Grundpflichten des Islams zu erfüllen. 2019 nahmen fast 2,5 Millionen Menschen teil, darunter 1,8 Millionen aus dem Ausland. Die dicht gedrängten Massen wären eine gefährliche Brutstätte für das Virus. Riad hat bereits an Muslime weltweit appelliert, vorerst keine Vorbereitungen für die Pilgerfahrt nach Mekka zu treffen. Eine endgültige Absage würde Verluste in Milliardenhöhe bedeuten.
Südafrika: Mit der Vuvuzela gegen das Virus
Die Vuvuzela erlebt in Südafrika ihre Renaissance als lärmender Hoffnungsträger. Die lange Plastik-Tröte mit dem durchdringenden Ton - der während der Fußball-WM 2010 als Stadionsound des Kap-Staates weltweit bekannt wurde – ertönt in einigen Stadtteilen von Johannesburg Punkt 19.00 Uhr. Ein paar kräftige Stöße aus der Fan-Trompete werden sowohl als Mutmacher und Zeichen gegen den Corona-Blues wie auch als Dank für die vielen Servicekräfte und medizinischen Helfer verstanden.
In Kapstadt setzt sich das Getröte dann zeitversetzt um 20 Uhr fort, das in etwa wie eine Mischung aus Autohupe und Nebelhorn klingt. Die Tröte gilt als die moderne Form des Horns der Kudu-Antilope, auf dem einst zu Versammlungen geblasen wurde; heute gilt sie als fester Bestandteil des südafrikanischen Fußballs.
Das Virus, dessen Oberfläche selbst so ausschaut, als sei es gespickt mit einer Vielzahl umgedrehter langstieliger Vuvuzelas, hat auch Südafrika im Griff. Mit 1749 bestätigten Fällen und 13 Covid-19-Toten ist es das Land mit der höchsten Zahl an Fällen in ganz Afrika. Gleichzeitig führte es bisher aber auch mit rund 50.000 Tests die größte Testreihe des Kontinents durch.
- Nachrichtenagentur dpa