Sieg oder Anklage Netanjahu kämpft in Israel ums politische Überleben
Israels Ministerpräsidenten droht eine Anklage wegen Korruption – deshalb kämpft er nicht nur um die Wiederwahl, sondern möglicherweise auch um seine Freiheit. Es wird knapp für ihn.
Benjamin Netanjahu ist eine Kämpfernatur. Kein israelischer Ministerpräsident hat sich länger im Amt gehalten als der 69-Jährige, der auf gut 13 Jahre an der Spitze der Regierung zurückblicken kann. Zahlreiche Widersacher bissen sich die Zähne an Netanjahu aus, der als Meister des politischen Überraschungsmanövers gilt. Vor der vorgezogenen Parlamentswahl am Dienstag muss "Bibi" aber gleich an zwei Fronten kämpfen.
"Das ist sein persönlicher Krieg"
Seine Regierungspartei Likud liefert sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der Oppositionsliste Blau-Weiß des Herausforderers Benny Gantz. Zudem belastet eine drohende Anklage wegen Korruption seine Wahlkampagne. "Er kämpft um sein Leben", sagt der Politikwissenschaftler Gideon Rahat von der Hebräischen Universität in Jerusalem. "Er kämpft darum, sich nicht vor Gericht verantworten zu müssen. Das ist sein persönlicher Krieg."
Im April hatte Netanjahu bei der Parlamentswahl eine herbe Niederlage einstecken müssen. Der Likud und seine Verbündeten sicherten sich zwar eine Mehrheit, dem Ministerpräsidenten gelang es aber nicht, ein Regierungsbündnis zu schmieden. Stattdessen wurden vorgezogene Neuwahlen für den 17. September angesetzt.
Er zielt auf Wähler am rechten Rand
Im Wahlkampf versuchte Netanjahu mit einer Mischung aus Populismus und staatsmännischem Auftreten zu punkten. Kurz vor der Wahl im April hatte er für den Fall seiner Wiederwahl die Annexion jüdischer Siedlungsgebiete im Westjordanland angekündigt – ein Schritt, mit dem Netanjahu auf Wähler am rechten Rand des politischen Spektrums gezielt haben dürfte.
Vor dem Wahl am Dienstag blieb er dieser Strategie treu und kündigte nun sogar an, nach einem möglichen Wahlsieg umgehend das Jordantal im besetzten Westjordanland zu annektieren. Zugleich betont Netanjahu seine engen Beziehungen zu Staatschefs wie US-Präsident Donald Trump und Kreml-Chef Wladimir Putin.
Länger im Amt als Ben-Gurion
Mit seinem streitlustigen und polarisierenden Politikstil prägt Netanjahu Israel seit Jahren. Als er 1996 zum ersten Mal ins Amt gewählt wurde, war er Israels jüngster Ministerpräsident aller Zeiten. Seitdem hat sich der Likud-Politiker mehr als 13 Jahre an der Spitze der Regierung gehalten. Inzwischen übertraf er sogar Israels ersten Ministerpräsidenten David Ben-Gurion als dienstältesten Regierungschef.
Netanjahu wurde 1949 in Tel Aviv geboren und ist damit der erste Ministerpräsident, der nach der Gründung des Staates Israels zur Welt kam. Einen Teil seiner Kindheit verbrachte er in den USA, wo er später am angesehenen Massachusetts Institute of Technology studierte.
Nach seiner Rückkehr nach Israel diente er bei einer Spezialtruppe der israelischen Armee und wurde 1972 bei der Befreiung von Geiseln aus einem von Palästinensern entführten Flugzeug verletzt. Über seinen Förderer Mosche Arens, Israels früheren Verteidigungs- und Außenminister, kam Netanjahu in die Politik.
Sicherheit oder Vetternwirtschaft?
Seine Anhänger feiern ihn als "König Bibi" und "Mr. Sicherheit", der Israel entschlossen gegen Feinde wie den Iran verteidigt. Kritiker werfen dem Regierungschef hingegen vor, er stehe für Machtgier, Vetternwirtschaft und einen gefährlichen Populismus, der sich gegen Araber richte und die Grundfesten der israelischen Verfassung unterspüle.
In einer möglichen fünften Amtszeit droht Netanjahu zudem Ärger mit der Justiz: Er könnte der erste amtierende Ministerpräsident werden, der angeklagt wird. Generalstaatsanwalt Avischai Mandelblit strebt ein Verfahren wegen Bestechlichkeit, Betrugs und Vertrauensmissbrauchs gegen Netanjahu an. Vor der Anklageerhebung soll dieser bei einer Befragung im Oktober Gelegenheit erhalten, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen.
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Der Regierungschef, der alle Anschuldigungen kategorisch zurückweist, spricht von einer angeblichen Hexenjagd. Beobachter rechnen damit, dass er nach einem Wahlerfolg im neuen Parlament ein Gesetz durchsetzen will, das ihm Immunität gegen Strafverfolgung verleihen würde.
- Nachrichtenagentur AFP