"Er ist kein Politiker" Dieser Ex-General könnte bald Israel regieren
Benny Gantz führte Israels Armee in zwei Kriegen an – nun will der Sohn von Schoah-Überlebenden das Land führen. Er gilt vielen als lang ersehnte Alternative zum Amtsinhaber Netanjahu.
Er selbst hat sich nichts Geringeres vorgenommen, als die Ehre des Amtes wiederherzustellen: Benny Gantz will bei der Parlamentswahl am Dienstag Israels nächster Ministerpräsident werden und Benjamin Netanjahu nach zehn Jahren in Folge im Amt ablösen. Der angesehene Ex-Generalstabschef ist Netanjahus stärkster Konkurrent – laut Umfragen liefern sich seine Liste Blau-Weiß und Netanjahus Likud-Partei ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit ungewissem Ausgang.
Hart in Sicherheitsfragen
Obwohl der 60-Jährige keine politische Erfahrung hatte, als er sich im Dezember 2018 zum Kandidaten für den Ministerpräsidentenposten erklärte, verkörpert Gantz die von zahlreichen Wählern ersehnte Alternative zu Netanjahu. In Gesellschaftsfragen gibt er sich liberal. In der sicherheitspolitischen Ausrichtung jedoch sind die Unterschiede zwischen Gantz und Netanjahu kaum erkennbar. Beide konkurrieren darin um Wähler der konservativen Mitte – Gantz jedoch, ohne sich mit den extrem rechten Rändern verbünden zu wollen. Sein Bündnis ist das Mitte-Links-Lager.
Gantz' Liste Blau-Weiß und Netanjahus Likud-Partei hatten bei den vorgezogenen Wahlen im April jeweils 35 Sitze gewonnen, aber Netanjahu hatte dank der Unterstützung kleinerer rechter und religiöser Parteien die Möglichkeit, eine Koalition zu bilden. Er scheiterte und will nun die Neuwahlen gewinnen, obwohl der Druck auf dem amtierenden Premier wegen Korruptionsvorwürfen in mehreren Fällen wächst. Ein Trumpf für Gantz: Er will laut Programm auch die Korruption bekämpfen.
"Wir werden uns selbst beschützen"
Gantz wurde am 9. Juni 1959 in einem Dorf im Süden Israels geboren. Seine Eltern waren Holocaust-Überlebende und hatten die Ortschaft Kfar Ahim einst mit aufgebaut. Die Geschichte seiner Eltern prägte Gantz, aus ihr habe er seine politische Grundüberzeugung abgeleitet: "Das jüdische Volk und der jüdische Staat werden nie wieder ihr Schicksal in die Hände anderer legen. Wir werden uns selbst beschützen und die Zukunft unseres Volkes sichern."
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1977 wurde Gantz zur Armee eingezogen und machte dort rasch Karriere. Er befehligte die Spezialeinheit Schaldag und leitete zunächst eine Brigade, dann eine Division im besetzten Westjordanland. Er hat Geschichte und Politikwissenschaft in Israel studiert. Außerdem machte er einen Masterabschluss in nationalem Ressourcenmanagement an der National Defence University in den USA.
Bereit zum Krieg, bereit zum Frieden
Zwischen 2005 und 2009 diente der verheiratete Vater von vier Kindern als Militärattaché in den USA. Von 2011 bis 2015 war er Generalstabschef – und leitete in dieser Funktion zwei Kriege Israels im Gazastreifen. In einem Wahlkampfvideo rühmte sich Gantz wegen der hohen Zahl von Terroristen, die während des Gaza-Kriegs im Jahr 2014 getötet worden seien. In einem weiteren Video erklärte er aber auch, es sei keine Schande, mit den Arabern über Frieden zu verhandeln.
Im Parteiprogramm der Liste Blau-Weiß wird von einer Trennung Israels von den Palästinensern gesprochen – die Zweistaatenlösung wird allerdings nicht erwähnt. Das Jordantal im besetzten Westjordanland soll laut Gantz auf ewig unter israelischer Kontrolle bleiben und Israels Souveränität über das Ostjerusalem bewahrt werden. Auch die israelische Annexion der syrischen Golanhöhen ist für Gantz nicht verhandelbar.
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Nach den Fehlern bei Live-Auftritten im Fernsehen zu Beginn der Kampagne war Gantz in letzter Zeit weniger präsent. Einige Beobachter meinen auch, nicht präsent genug. "Niemand kann sagen, dass sein öffentliches Profil stark genug ist, aber wer sich die Umfragen anschaut, sieht: Er macht einen guten Job", erklärt Assaf Schapira vom Israel Democracy Institute. Es könne eine strategische Entscheidung seiner Berater sein, ihn aus den Medien fernzuhalten. "Er war ein General, er ist kein Politiker."
- Nachrichtenagentur AFP
- mit Material der Nachrichtenagentur dpa