May-Nachfolge in Großbritannien Boris Johnson setzt sich mit überwältigender Mehrheit durch
Der nächste britische Premierminister heißt Boris Johnson. Der ehemalige Brexit-Wortführer hat einen harten Kurs in Sachen EU-Austritt eingeschlagen. Einen No Deal will er in Kauf nehmen.
Der ehemalige britische Außenminister Boris Johnson hat das Rennen um die Nachfolge von Premierministerin Theresa May haushoch gewonnen. In der parteiinternen Wahl entfielen auf den 55 Jahre alten Johnson 92.153 Stimmen, das waren 66,4 Prozent oder zwei Drittel. Sein Rivale, Außenminister Jeremy Hunt (52), bekam 46.656 Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag nach Angaben der Tory-Partei bei 87,4 Prozent, es wurden 509 ungültige Stimmen abgegeben.
Johnson ist damit Chef der Konservativen Partei und soll am Mittwoch von Königin Elizabeth II. zum Premierminister ernannt werden. Mit Spannung wird erwartet, wen der umstrittene Politiker zu sich ins Kabinett holt. Die etwa 160.000 Parteimitglieder – das sind nach Angaben der Zeitung "Independent" 0,34 Prozent aller Wahlberechtigten – hatten mehrere Wochen Zeit, um sich zwischen Johnson und Hunt zu entscheiden.
In einer kurzen Rede nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses kündigt der künftige britische Premierminister an, das Chaos um den EU-Austritt Großbritanniens zu beenden und die Spaltung im Land zu überwinden. Die Ziele seien nun, den Brexit zu vollziehen, das Land zu vereinen und Oppositionschef Jeremy Corbyn zu besiegen, sagte der neue Chef der britischen Konservativen. Er wolle den Wunsch nach Freundschaft mit Europa und die Sehnsucht nach demokratischer Selbstbestimmung vereinen.
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Johnson bezeichnete seine Wahl zum neuen Premierminister als "entscheidenden Moment" in der Geschichte. Dies sei eine "außerordentliche Ehre und ein Privileg". Zugleich räumte er ein, dass seine Wahl zum Tory- und Regierungschef nicht überall willkommen geheißen werde.
Johnson will das Abkommen über den EU-Austritt seines Landes mit Brüssel neu verhandeln. May war mit dem Deal im Parlament drei Mal gescheitert. Die Europäische Union lehnt aber jegliche Änderung an dem Abkommen ab.
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Der Brexit-Hardliner wird wahrscheinlich viele Regierungsposten neu besetzen. Zeitungen spekulierten etwa über ein Comeback der früheren Brexit-Minister Dominic Raab und David Davis. Kritiker halten Davis für inkompetent und faul. Am vergangenen Wochenende hatten bereits Finanzminister Philip Hammond und Justizminister David Gauke die Aufgabe ihrer Ämter im Falle eines Wahlsiegs Johnsons angekündigt. Es wird mit Rücktritten weiterer EU-freundlicher Minister gerechnet.
Brexit notfalls auch ohne Abkommen
Am Mittwoch gibt May ihr Amt ab. Sie wird sich mittags ein letztes Mal den Fragen der Abgeordneten im Unterhaus stellen. Anschließend hält sie vor dem Regierungssitz Downing Street eine Abschiedsrede und reicht dann bei der 93-jährigen Queen im Buckingham-Palast ihren Rücktritt ein. Die Königin wird direkt danach Johnson zum neuen Premier ernennen und ihn mit der Regierungsbildung beauftragen. Auch von ihm wird dann eine Rede vor seinem Amtssitz erwartet.
Der Brexit-Hardliner Johnson will Großbritannien am 31. Oktober aus der Europäischen Union herausführen – notfalls auch ohne Abkommen. Ein solcher No Deal würde die Wirtschaft und viele andere Lebensbereiche stark schädigen. May war mit ihrem mit Brüssel ausgehandelten Abkommen drei Mal im Parlament krachend durchgefallen.
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Auch Johnson dürfte im Falle eines Wahlsieges große Probleme haben, seine Brexit-Pläne durchzusetzen. Die Regierung verfügt nur über eine hauchdünne Mehrheit. Außerdem würde seine Amtszeit mitten in einem gefährlichen Konflikt mit dem Iran starten. Teheran hat einen unter britischer Flagge fahrenden Öltanker in der Straße von Hormus festgesetzt. Die Meerenge ist für den Handel von großer Bedeutung.
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa