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Boris Johnsons Königreich der Lügen: Der Aufstieg eines Schwindlers


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Aufstieg eines Schwindlers
Boris Johnsons Königreich der Lügen


Aktualisiert am 24.07.2019Lesedauer: 4 Min.
Ein nahezu notorischer Lügner: Boris Johnson wird neuer Premierminister von Großbritannien.Vergrößern des Bildes
Ein nahezu notorischer Lügner: Boris Johnson wird neuer Premierminister von Großbritannien. (Quelle: Dominic Lipinski/reuters)
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Boris Johnson hat stets gelogen: zunächst als Journalist, später als Politiker. Das bremste seinen Aufstieg nicht. Nun tritt er das wichtigste Amt Großbritanniens an.

"König der Welt" habe Boris Johnson als Kind werden wollen, verriet seine Schwester Rachel einst seinem Biografen. Das wird zwar nichts, aber immerhin konnte der Sohn wohlhabender Eltern sein anderes großes Ziel erreichen: Er übernimmt als Nachfolger von Theresa May die konservative britische Regierungspartei – und wird damit auch Premierminister. Es ist die vorläufige Krönung seiner Karriere und ein Beispiel dafür, wie wenig Aufrichtigkeit und Integrität in der britischen Politik zu zählen scheinen.

Denn Johnsons Karriere begann mit Lügen – und setzte sich mit Lügen fort. Immer dort, wo er eine Aufstiegsmöglichkeit ausmachte, folgten Vorwürfe, er nehme es mit der Wahrheit nicht allzu genau. Woher dabei sein Image als politischer Underdog rührt, dem vieles verziehen wird, ist schwer erklärbar. Johnson musste sich nie hocharbeiten. Seine Privilegien bewahrten ihn immer vor dem Absturz. Witz, Charme und Unverschämtheiten machten ihn beliebt.

Die Chronik seines Aufstiegs

1986: Johnson wird Präsident des Debattierklubs der Elite-Universität Oxford. Sein Kampagnenhelfer verrät später, wie er das schafft: Demnach gab sich der konservative Johnson als Unterstützer der Sozialdemokraten aus. Johnson selbst gibt an, sich an dieses Detail nicht zu erinnern.

1987: Über Beziehungen seiner Familie beginnt Johnson seine Karriere als Journalist bei der Londoner Traditionszeitung "The Times". Lange währt sie nicht – wenig später wird er gefeuert. Bereits in seiner ersten Titelstory hat er ein Zitat erfunden. Ein Missgeschick, sagt Johnson später.

1988: Johnson wechselt zum konservativen Hausblatt "The Daily Telegraph", zunächst als Kolumnist, dann viele Jahre als Brüssel-Korrespondent. Berufskollegen halten ihm immer wieder unwahre Behauptungen in seinen Artikeln vor. Unter anderem enthüllt er angebliche Pläne der EU, Kondomgrößen zu standardisieren und eine "Bananenpolizei" einzuführen. Laut seiner früheren Mitarbeiterin und Biografin erfindet er dabei auch Quellen.

1995: Ein brisantes Telefongespräch aus dem Jahr 1990 wird öffentlich. Ein krimineller Freund bittet Johnson darum, ihm die Adresse eines Journalisten zu besorgen – damit er ihn aufgrund seiner Recherchen zusammenschlagen lassen könne. Johnson willigt ein. Das sei aber nur ein Scherz gewesen, sagt Johnson später. Sein Freund wird verurteilt – und bedauert später, den Angriff nicht durchgeführt zu haben.

2001: Mittlerweile ist Johnson zum Chefredakteur des konservativen "Spectator" geworden indem er das Versprechen gab, seine politische Karriere nicht weiter zu verfolgen. Trotzdem wird Johnson Abgeordneter im Parlament. "Unsagbar doppelzüngig" nennt das der so hinters Licht geführte Eigentümer.

2004: Johnson ist in diesem Jahr bereits für einen Posten im Kultusministerium gesetzt. Einen Strich durch die Rechnung macht ihm eine jahrelange außereheliche Affäre, die der Konservative brüsk von sich weist. "Mumpitz" und "Schwachsinn" seien die Berichte darüber. Dann bestätigt die Mutter der Frau jedoch sogar zwei Abtreibungen. Wenige Stunden später ist Johnson den in Aussicht gestellten Posten los.

2008: Kokain habe er mal genommen, ja, sagt Johnson 2005. An der Uni sei das gewesen, bestätigt er zwei Jahre später noch einmal. 2008 erinnert er sich, dabei 19 Jahre alt gewesen zu sein. Als die Bekenntnisse dann kurz vor der Bürgermeisterwahl in London Schlagzeilen machen, streitet er alles ab. "Zu sagen, ich hätte Kokain genommen, ist einfach unwahr."

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2008–2016: Auch in seiner Amtszeit als Bürgermeister von London nimmt es Johnson nicht so genau mit der Wahrheit. Die schwere Jugendkriminalität sei gesunken, sagte er – dabei war sie gestiegen. Die Anzahl von Polizeibeamten sei gestiegen, sagte er – dabei war sie gesunken. Beliebt ist er trotzdem, auch weil er in seiner Amtszeit zum Teil recht linke Positionen vertritt. Er unterstützt beispielsweise öffentlich Barack Obama in der Wahl zum US-Präsidenten.

2015: Johnson ist nach seiner Zeit als Bürgermeister zurück im britischen Parlament – und stellt sich wenig später auf die Seite der Brexit-Befürworter. Einige Parteikollegen deuten das als Machtpoker, um seinem Parteikollegen und damaligen Premierminister David Cameron das Wasser abzugraben. Johnson sei gar nicht für den EU-Austritt, sagt Parteiurgestein Nicolas Soames. Das habe Johnson ihm persönlich am Tag zuvor noch gesagt. Nach dem Brexit-Votum wird Johnson Außenminister unter Premierministerin Theresa May.

2016: In der Kampagne zum britischen EU-Austritt setzt Johnson wohl zu seiner größten und weitreichendsten Lüge an: der Behauptung, dass Großbritannien der EU wöchentlich 350 Millionen Pfund überweise. Das sei irreführend und untergrabe das Vertrauen in offizielle Statistiken, korrigiert die britische Statistikbehörde. Selbst die Austrittsbefürworter räumen ein, die Zahl sei stark übertrieben – Johnson hingegen sagt, sie sei sogar untertrieben. Diese Behauptung bringt Johnson sogar beinahe vor Gericht.

Das Finale

Johnson hat es nun geschafft. Schon lange hatte er es auf das Amt des Premierministers abgesehen – daran gibt es kaum einen Zweifel. Zuletzt half er tatkräftig mit, seine Parteikollegin Theresa May zu Fall zu bringen. Er trat von seinem Kabinettsposten zurück und schrieb fortan in einer wöchentlichen "Telegraph"-Kolumne gegen Mays Brexit-Pläne an. Als May ihren Rücktritt erklärte, galt Johnson schnell als haushoher Favorit für ihre Nachfolge. Trotz der Warnungen seiner früheren Berufskollegen und Arbeitgeber, dass er nicht geeignet sei für das Amt.


Doch den Brexit-Hardlinern verspricht Johnson einen EU-Austritt zum 31. Oktober – mit Abkommen oder ohne. Das scheint den Ausschlag zu geben. Gleichzeitig behauptet er, die Chancen eines No-Deal-Brexits seien eins zu einer Million. Zuletzt schrieb er, die Probleme seien leichter lösbar als eine Mondlandung. Ob er tatsächlich einen detaillierten Plan hat, wie er das Dilemma lösen will, darf bezweifelt werden. Prominente Parteifreunde schließen nicht aus, dass sie bald im Parlament ein Misstrauensvotum gegen ihn unterstützen.

Verwendete Quellen
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