Ekrem Imamoglu Der neue Star der Opposition in der Türkei
Ekrem Imamoglu hat es geschafft, mit schierer Willenskraft. Sein Erdrutschsieg in Istanbul ist eine Blamage für den Präsidenten. Doch wofür genau steht der neue Shootingstar der Opposition in der Türkei?
Ekrem Imamoglu hat nie einen Zweifel daran gelassen, dass er an seinen erneuten Sieg bei der Bürgermeisterwahl in Istanbul glaubt. "Alles wird sehr schön werden", lautete der optimistische Slogan des Kandidaten der oppositionellen Republikanischen Volkspartei (CHP) vor dem Urnengang am Sonntag. Aber selbst er dürfte überrascht gewesen sein, wie klar sein Sieg ausfiel und wie schnell sein Rivale Binali Yildirim seine Niederlage anerkannte.
"Ich gratuliere ihm und wünsche ihm viel Glück", sagte der Kandidat der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) von Präsident Recep Tayyip Erdogan, kaum dass die ersten Ergebnisse verkündet waren. Der Ausgang der Wahl war allerdings auch so deutlich, dass es keinen Sinn machte, die Niederlage zu bestreiten. Mit 54 Prozent der Stimmen lag Imamoglu klar vorn – ganze 778.000 Stimmen vor seinem Rivalen Yildirim.
Bei der ersten Wahl am 31. März war das alles noch ganz anders gewesen. Damals hatte sich Yildirim kurz vor Mitternacht zum Sieger erklärt, obwohl da noch nicht alle Stimmen ausgezählt waren. Am nächsten Morgen verkündete dann die Wahlkommission, dass Imamoglu mit einem hauchdünnen Vorsprung von 28.000 Stimmen führe. Die AKP wollte ihre Niederlage nicht anerkennen und warf der Opposition "Diebstahl an den Urnen" vor.
"Wo Imamoglu ist, ist Hoffnung"
Zwar zog Imamoglu Mitte April ins Rathaus ein, doch nach nur 18 Tagen im Amt annullierte die Wahlkommission unter dem Druck der AKP die Wahl. Der Istanbuler Lokalpolitiker ließ sich durch die umstrittene Entscheidung jedoch nicht entmutigen lassen, sondern stürzte sich erneut in den Wahlkampf. Der 49-jährige Familienvater präsentierte sich dabei als bodenständiger und zupackender Politiker, der die Sorgen der Bürger kennt.
Sein straff organisierter Wahlkampf fokussierte sich auf soziale Probleme wie Armut, Arbeitslosigkeit, Kinderbetreuung und die hohen Lebenshaltungskosten. "Wo Imamoglu ist, ist Hoffnung", stand auf dem Bus, mit dem er wochenlang durch Istanbul tourte. Da die meisten Medien von der AKP kontrolliert werden, nutzte sein Team soziale Medien wie Twitter, Facebook und Instagram, um seine Botschaft zu verbreiten.
Der Sohn aus einer frommen Familie vom Schwarzen Meer bemühte sich, die Polarisierung zu überwinden, die seit Jahren die türkische Gesellschaft prägt. Imamoglu, dessen Name "Sohn des Imam" bedeutet, betonte immer wieder seine religiöse Sozialisierung. Angesichts der Vorbehalte konservativer Türken gegenüber der säkularen Ausrichtung der einstigen Staatspartei CHP zeigte er sich demonstrativ beim Gebet.
"Kampf für die Demokratie"
Imamoglu ist im Istanbuler Stadtteil Beylikdüzü aufgewachsen, in dem viele religiöse und konservative Zuwanderer von der Schwarzmeerküste leben. In dem Viertel am Westrand der Metropole begann der passionierte Amateurfußballer auch seine Laufbahn in der Baufirma seiner Familie. Als er 2014 zum Bezirksbürgermeister von Beylikdüzü gewählt wurde, erwarb er sich rasch einen Ruf als lösungsorientierter Politiker.
Für Imamoglu ging es am Sonntag "nicht allein um eine Kommunalwahl", sondern um "den Kampf für die Demokratie". Die Opposition wirft Erdogan schon lange vor, mit seiner Politik die Demokratie zu untergraben. Die Annullierung der Wahl Ende März erschütterte ihr Vertrauen weiter. Die Abstimmung am Sonntag galt daher als Test, ob es in der Türkei noch einen Machtwechsel durch freie Wahlen geben kann.
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Mit seinem Wahlsieg hat sich Imamoglu binnen weniger Monate von einem praktisch unbekannten Kommunalpolitiker zum neuen Star der Opposition entwickelt. Manche sehen ihn schon als künftigen Herausforderer Erdogans. Dieser hatte 1994 selbst seine Karriere als Bürgermeister in Istanbul begonnen. "Wer Istanbul gewinnt, gewinnt die Türkei", sagte er einmal. Viele CHP-Anhänger hoffen nun darauf, dass Imamoglu auch dies gelingt.
- Nachrichtenagentur afp