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Brigitte Bierlein: Diese Frau wird Österreichs erste Bundeskanzlerin


Verfassungsrichterin Bierlein
Diese Frau wird Österreichs erste Bundeskanzlerin

Von dpa
30.05.2019Lesedauer: 4 Min.
Österreichs designierte Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein: Eigentlich wollte die Top-Juristin Kunst studieren.Vergrößern des Bildes
Österreichs designierte Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein: Eigentlich wollte die Top-Juristin Kunst studieren. (Quelle: Lisi Niesner/reuters)

Bislang hat sie in Österreich das Verfassungsgericht geleitet, nun wird Brigitte Bierlein Bundeskanzlerin. Ihr werden gute Kontakte zu ÖVP und FPÖ nachgesagt. Wer ist die 69-Jährige?

Wenige Tage nach dem Sturz der Regierung von Ex-Kanzler Sebastian Kurz hat Österreichs Bundespräsident die Verfassungsrichterin Brigitte Bierlein als künftige Kanzlerin auserkoren. Die 69-Jährige wird damit die erste Frau in Österreich in diesem wichtigen Staatsamt. Bierlein – eine Spitzenjuristin mit tadellosem Lebenslauf – war bisher Präsidentin des österreichischen Verfassungsgerichtshofs.

Bierlein wechselt ins Kanzleramt, nachdem SPÖ und FPÖ am Montag die gesamte Regierung von ÖVP-Chef Sebastian Kurz per Misstrauensvotum im Parlament abberufen hatten. Kurz hatte davor nach dem Skandal-Video rund um Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache die Regierung aus Österreichischer Volkspartei ÖVP und Freiheitlicher Partei (FPÖ) aufgekündigt. Damit verlor er die Mehrheit im Parlament.

Lob vom Bundespräsidenten

"Ich habe Frau Präsidentin Bierlein in den letzten Jahren und Monaten als umsichtige, weitsichtige und in höchstem Maße kompetente Persönlichkeit kennen und schätzen gelernt", sagte Bundespräsident Alexander Van der Bellen über die künftige Kanzlerin. "Ich beauftrage somit Frau Präsidentin Bierlein mit der Bildung einer Bundesregierung."

Bierlein selbst erklärte in einem ersten, sehr ruhig und konzentriert vorgetragenen Statement, dass sie es als ihre staatspolitische Verantwortung ansehe, "in dieser bisher einmaligen Situation in der Geschichte der Zweiten Republik meinen Teil beizutragen und diese hohe Verantwortung zu übernehmen". Sie wolle das Vertrauen der im Parlament vertretenen Parteien gewinnen. "Ebenso gilt das für Sie, geschätzte Österreicherinnen und Österreicher." Das wichtigste Ziel sei derzeit, zur Beruhigung und zum wechselseitigen Vertrauensaufbau beizutragen.

"Einige Stunden Bedenkzeit erbeten"

Die 69-Jährige gab zudem ganz offen zu, dass die vergangenen Tage auch für sie eine Herausforderung waren. Richter seien ja üblicherweise selten um Worte verlegen. Als der Bundespräsident ihr das Kanzleramt angeboten habe, sei das für sie "zu diesem Zeitpunkt ein wenig anders" gewesen. "Ich habe mir einige Stunden Bedenkzeit erbeten und bin zum Ergebnis gelangt, dass ich für das Wohl Österreichs diese so verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen werde."

Der Sturz des 32 Jahre alten bisherigen Kanzlers war der vorläufige Höhepunkt der schweren Regierungskrise, die mit dem skandalösen "Ibiza-Video" ihren Anfang genommen hatte. Der Bundespräsident hatte nach dem Sturz der Regierung die Aufgabe, eine Übergangskanzlerin zu finden, die in den kommenden Monaten eine neue Regierung anführen soll. Die Amtszeit von Bierlein endet damit voraussichtlich nach der Bildung einer neuen Koalition nach der Neuwahl im September.

Eigentlich wollte sie Kunst studieren

Bierlein, am 25. Juni 1949 in Wien geboren, wollte eigentlich Kunst studieren, wurde dann aber doch Juristin. 1975 legte sie ihre Richteramtsprüfung ab und wurde zunächst Richterin am Bezirksgericht in der Wiener Innenstadt. Von 1977 an arbeitete sie dann als Staatsanwältin, von 1990 bis 2002 war sie Generalanwältin in der Generalprokuratur, der höchsten Staatsanwaltschaft der Alpenrepublik. Anschließend folgte der Wechsel an den Verfassungsgerichtshof, wo sie von 2003 bis 2018 zunächst Vizepräsidentin und dann Präsidentin war.

Der 69-Jährigen werden gute Kontakte zur ÖVP und auch zur FPÖ nachgesagt. In österreichischen Medien wurde spekuliert, dass SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner zugestimmt haben könnte, weil so die erste Frau ins Kanzleramt rückt. Dass Bierlein Kanzlerin wird, hatte der Bundespräsident zuvor auch mit dem designierten FPÖ-Chef Norbert Hofer und mit Ex-Kanzler Kurz besprochen.

Ernennung in den kommenden Tagen

"Vielen Dank an Brigitte #Bierlein für die Bereitschaft, sich noch stärker in den Dienst unseres Landes zu stellen, so etwas ist nicht selbstverständlich", twitterte Kurz.

Ihre offizielle Ernennung zur Kanzlerin wird nach den Worten Van der Bellens in den nächsten Tagen stattfinden, eine Abstimmung im Parlament ist dazu nicht nötig. Bis dahin begebe sie sich auf die Suche nach Kandidaten für ihr Kabinett, sagte Bierlein, die freundlich und bestimmt wirkte. Außerdem werde sie noch vor der Ernennung aus ihrem Amt als Präsident des Verfassungsgerichtshofs ausscheiden. "Frau Bierlein und ich haben uns darauf verständigt, dass vor allem erfahrene Beamte mit ausgezeichnetem Expertenwissen die Amtsgeschäfte führen werden", sagte der Bundespräsident.

Kabinett nimmt Gestalt an

Zwei Personalien sind schon fix. Der ehemalige Präsident des Verwaltungsgerichtshof, Clemens Jabloner, wird neuer Vizekanzler und Justizminister. Neuer Außen- und Europaminister wird Alexander Schallenberg, derzeit Leiter der Europa-Sektion im Bundeskanzleramt.

Auslöser der Regierungskrise waren die von "Spiegel" und "Süddeutscher Zeitung" am 17. Mai veröffentlichten Aufnahmen von 2017, die den damaligen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache im Gespräch mit einer angeblichen russischen Investorin zeigen. Strache stellt dabei unter anderem Staatsaufträge für Wahlkampfhilfe zugunsten der FPÖ in Aussicht und spekuliert über die vorteilhaften Folgen eines Kaufs der einflussreichen "Kronen-Zeitung" durch die Investorin.


Strache trat einen Tag nach der Veröffentlichung von allen politischen Ämtern zurück, die ÖVP-FPÖ-Regierung zerbrach. Die von Kurz angeführte Übergangsregierung hatte dann keine Mehrheit mehr im Parlament, weil die Opposition ihm nicht zuletzt eine gewisse Mitverantwortung an der Regierungskrise nach dem Skandal-Video vorwarf. Außerdem soll er bei der Bewältigung der Krise nicht ausreichend auf die anderen Parteien zugegangen sein.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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