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Krise in Österreich: Sebastian Kurz könnte sogar die SPD retten


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Gestärkt aus der Krise?
Sebastian Kurz könnte sogar die SPD retten

MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

Aktualisiert am 31.05.2019Lesedauer: 5 Min.
Sebastian Kurz in Wien: Aus dem Debakel nach der Ibiza-Affäre von FPÖ-Mann Heinz-Christian Strache könnte er gestärkt hervorgehen.Vergrößern des Bildes
Sebastian Kurz in Wien: Aus dem Debakel nach der Ibiza-Affäre von FPÖ-Mann Heinz-Christian Strache könnte er gestärkt hervorgehen. (Quelle: imago-images-bilder)
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Viel los in der Alpenrepublik: Kanzler Kurz ist sein Amt los. Aber für wie lange? Die FPÖ könnte den Sturz des Jungsspunds noch bereuen.

Momentan bin ich in Wien, eigentlich aus familiären Gründen, aber wenn eine Regierung auseinander bricht, ein Bundeskanzler gestürzt wird und "Überturbulenz" herrscht, wie sie hier sagen, dann kann ich schlecht wegschauen.

Zu den interessantesten Figuren in Europa gehört zweifellos Sebastian Kurz. Bei einem Mittagessen fragte ich Florian Klenk, was er von ihm hält. Klenk ist der Chefredakteur des "Falter", ein kluger Journalist mit bestem Ruf, erfahren und abgewogen. Auch sein Blatt veröffentlichte das Video, auf dem Heinz-Christian Strache, der FPÖ-Anführer, in schönstem Imponiergehabe die angebliche Oligarchentochter umschwänzelt.

Klenk meint: Kurz ist ein begabter Kommunikator, der genau weiß, was er sagen muss und wie er es sagen muss, damit die besten Fernsehbilder entstehen. Zu seinen staunenswerten Umdeutungen gehört, dass er jetzt so tut, als hätten SPÖ und FPÖ gemeinsam regiert. Das kann er, weil die beiden Parteien die denkbar seltsamste aller Koalitionen eingingen, um ihn zu stürzen.

Bilder haben Macht

Kurz nahm den Abschied mit Gleichmut. Er gab sich cool und unbeeindruckt: Ich bin für ein paar Wochen weg und dann gestärkt wieder da, ihr werdet schon sehen. Von seinem Auszug aus dem Kanzleramt gibt es ein perfekt inszeniertes Foto wie aus einem Western: Er geht beschwingt im Sonnenglast voran, fächerartig gefolgt von seinen strahlenden Mitarbeitern. Ein jugendlicher John Wayne bricht mit seinem Gefolge auf, um die räudigen Gesellen aus Tombstone zu verjagen.

Kurz’ Stärke ist die Macht der Bilder. Seine Schwäche ist aber, dass er Bilder mit Substanz verwechselt. Als wäre es selbstverständlich, ging er eine Koalition mit den bestenfalls nationalkonservativen Schmuddelkindern von der FPÖ ein und schwadronierte genau so wie sie über Asylanten und Flüchtlinge, die das Land bedrohen würden. Auf mich wirkt das, als hätte er Thilo Sarrazin inhaliert und wiederholte dessen xenophobe Thesen. Ist er überzeugt davon? Vielleicht, vielleicht auch nicht, jedenfalls kann er bestimmt anders, wenn es sein muss.

Kurz ist ein Solitär. Immer kontrolliert, immer bestens vorbereitet, erzählte mir abends eine Runde aus Bankern, Managern und Unternehmern. Kein Bruder Leichtfuß, kein Spieler, kein Clown. Ein Talent, an das in Österreich niemand heranreicht, sogar charismatisch, sagen sie.

Kurz als Retter der ÖVP

Mit Kurz ist in Deutschland niemand vergleichbar. Am nächsten mag ihm noch Jens Spahn kommen, wenig älter und ähnlich überehrgeizig, aber viel vorsichtiger im Vorgehen und der Wortwahl. Markus Söder hat versucht, den Sarrazin-Kurz auf Bayern zu übertragen, und ist damit gegen die Wand gelaufen.

Österreichist anders und auch nicht. Große Koalitionen haben hier weit über ihre Verfallszeit hinaus regiert und als Folge ist das Parteiensystem zerbrochen. Die konservative ÖVP hat der blutjunge Sebastian Kurz gerettet, indem er sie begraben hat. Die sozialdemokratische SPÖ macht es wie die SPD in Deutschland: immer weiter abwärts, panisch und fatalistisch. Die rechte FPÖ hat faschistoide Einsprengsel wie die AfD und kann als Beispiel dafür gelten, dass Mitregieren bedeutet: Wir machen, was wir wollen, daran kann uns niemand hindern und der Bundeskanzler schon gar nicht.

Christian Strache war bislang der Held der österreichischen Rechten. Einer von unten, der es denen da oben gezeigt hat und mitregiert, was ihm die Bewunderung von Alexander Gauland wie Marine LePen einbrachte. Er hat sich für "die b’soffne G’schicht" in Ibiza, wie er das nennt, bei seiner Frau entschuldigt und stellte sich flugs als Opfer finsterer Mächte dar, die ihn in eine Falle lockten, aber damit nicht ausschalten können.

Strache ist nach dem eiligen Bußgang fast schon wieder der alte. Aufgeben? Jetzt erst recht, tweetet er.

Was war das eigentliche Ziel?

Korruption schadet der Rechten nicht. Größenwahn noch weniger. Affären oder Skandale deuten sie in Intrigen und Mordversuche um. Ihre Anhängerschaft ist treu ergeben. Es ist das Trump-Phänomen: Wir wissen, die anderen sind hinter dir her, aber egal was sie dir anhängen wollen – wir stehen zu dir.

Aber wer hat das Video gedreht? Wer hat das Komplott erdacht und finanziert?

In Wien kursieren viele wilde Gerüchte: Vielleicht ging es ja ursprünglich gar nicht darum, Strache als antidemokratischen Schwadroneur zu entlarven? Vielleicht ging es wirklich um die "Kronen Zeitung", das politisch wirkungsmächtige Boulevardblatt? Wer es besitzt, übt Macht in diesem kleinen Land aus, kann Strache und Kurz und wen auch immer hoch schreiben oder herunter schreiben.

Die "Krone" ist die ultimative Beute. Anscheinend versucht ein anderes österreichisches Junggenie, das Blatt an sich zu reißen: René Benko, 42 Jahre alt, Milliardär, Unternehmer und Investor, auch in Deutschland, wo er Karstadt und Galeria Kaufhof erwarb. Strache plauderte in Ibiza in Andeutungen, aber kundig mit der falschen Oligarchentochter über die Besitzverhältnisse des Blattes: Sie sagt, sie wolle bei der "Krone" einsteigen und ihn, Strache, noch größer machen, als er es ohnehin schon ist, was ihm seine Zunge vollends löst.

In Wien sagen sie: Passt scho

Die interessanteste Version des Abends auf Ibiza geht so: Die Oligarchentochter ist wirklich eine Oligarchentochter. Sie will wirklich in Österreich investieren und interessiert sich wirklich für die "Kronen Zeitung". Sie persönlich ließ das Video drehen, um Strache auf seine Zusagen festzunageln.

Alles klar?

Die Frage, die immer gestellt wird, wenn sich ein Rätsel nicht lösen lässt, lautet: Wem nützt das Ganze? Natürlich der Opposition, der SPÖ, und schon klagten einige Schnelldenker die geschrumpfte Partei an, die sich aus eigener Kraft nicht aufrichten kann. Und hatte sie nicht im Wahlkampf vor 15 Monaten mit einem israelischen Spindoktor zusammengearbeitet? Passt scho, sagen sie in Wien.

Passt nicht. Bei der Europawahl am vorigen Sonntag verlor die SPÖ wieder. Eindeutiger Gewinner war die ÖVP, also Sebastian Kurz.

Die SPÖ-Vorsitzende heißt Pamela Rendi-Wagner. Sie ist telegen, Ärztin, und seit acht Monaten dazu verdammt, den Laden zu retten. Ihr fehlt, was Andrea Nahles auch fehlt: Glück, Phantasie, Ausstrahlung.

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Den Niedergang sollen die Frauen aufhalten

Nicht zu übersehen ist in diesen Tagen, dass die Männer den Frauen den Vortritt lassen, wenn es bergab geht. Theresa May erbte den Brexit, musste sich demütigen lassen und wollte nicht aufgeben. In wenigen Tagen hat sie den Irrsinn hinter sich, der dann vollends ausbrechen darf, wenn ihr ein Clown wie Boris Johnson nachfolgt.

Andrea Nahles trat das Erbe von Martin Schulz und Sigmar Gabriel an. Ihr mangelt es an Intuition und Geschick, schon wahr, aber weder ist sie ein schlampiges Talent wie Gabriel noch aus pompösem Styropor wie Schulz. Beide lassen jetzt wissen: Wir können es besser, holt uns gefälligst zurück. Wer sollte das wollen? Womöglich die SPD in ihrer Verzweiflung.

Pamela Rendi-Wagner ist so glücklos wie Nahles. Aber wer da glaubt, dass der Niedergang an ihr oder Nahles liegt, ist tollkühn. So wie die Sozialdemokratie ist, wie sie geworden ist, lässt sie sich nicht hochreißen, nicht sanieren, nicht rehabilitieren. Sie müsste sich neu erfinden.

Was man auch immer von Sebastian Kurz halten mag: Er hat seine konservative Partei neu erfunden, die Helden von gestern beiseite geschoben und sich zum Gestirn erklärt, um das alles kreisen soll. Darin liegt der Grund für seinen Erfolg. Er ist ein Machtmensch, der den Wind drehen kann. Deshalb dürfte er auch nach der Wahl im September wieder Bundeskanzler sein, vermutlich sogar gestärkt. Florian Klenk traut der ÖVP 40 Prozent zu. Dann kann Kurz wahrscheinlich mit den Grünen regieren und hat auch noch den Drachen getötet, die FPÖ. Ziemlich viel in ziemlich wenigen Jahren.

In Wien bin ich übrigens, weil meine Großnichte Elena an einem nationalen Redewettbewerb teilnahm. Zweite ist sie geworden, großartig. Die Ehrung fand gestern im Parlament statt. Die Familienministerin der Regierung Kurz sollte die Preise überreichen. Das konnte sie nicht, sie ist ja auch nicht mehr im Amt.

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