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Syrien: Justizminister Shadi Al-Waisi ließ offenbar Frauen hinrichten


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Videos zeigen Taten
Syriens neuer Justizminister ließ offenbar Frauen hinrichten


Aktualisiert am 05.01.2025Lesedauer: 3 Min.
Standbild aus einem Video von 2015, das offenbar die Ermordung einer Frau unter der Aufsicht des jetzigen syrischen Justizministers Shadi Al-Waisi (M.) zeigt.Vergrößern des Bildes
Standbild aus einem Video von 2015, das offenbar die Ermordung einer Frau unter der Aufsicht des jetzigen syrischen Justizministers Shadi al-Waisi (M.) zeigt. (Quelle: Screenshot/verify-sy.com)
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Wie radikal sind Syriens neue islamistische Machthaber? Bilder von Hinrichtungen angeblicher Ehebrecherinnen lassen Schlimmes befürchten.

Nach der Machtübernahme der islamistischen HTS-Miliz in Syrien fürchten nicht nur Angehörige religiöser und ethnischer Minderheiten in dem Land um ihre Sicherheit. Auch viele Frauen fragen sich, welche Rechte sie in der neu entstehenden Ordnung haben werden. Jetzt sind in sozialen Medien zwei Videos aufgetaucht, die Schlimmes befürchten lassen – und zugleich die neuen Machthaber in Damaskus unter Druck setzen.

Die Videos zeigen offenbar die Hinrichtung von zwei Frauen 2015 in der Region Idlib. Verbreitet hat sie der syrische Journalist Rami Jarrah über den Kurznachrichtendienst Bluesky. Die Aufnahmen sollen im Abstand von einer Woche an zwei unterschiedlichen Orten entstanden sein. In beiden Videos soll Syriens Interimsjustizminister Shadi al-Waisi zu sehen sein, wie er Todesurteile wegen Ehebruchs gegen die Frauen ausspricht, bevor andere Männer sie jeweils durch Kopfschüsse töten. Umstehende bewaffnete Männer bejubeln die Exekutionen mit "Allahu akbar"-Rufen.

Syrischer Beamter äußert sich zu Vorwürfen

Fachleute des Portals "Verify-Sy" haben die Tonspuren der Videos mit Stimmaufnahmen von Shadi al-Waisi verglichen und bestätigen, dass es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um den Interimsjustizminister handelt. "Verify-Sy" konfrontierte nach eigenen Angaben mehrere hochrangige Mitglieder der neuen Regierung in Damaskus mit den Videos.

Ein hoher Beamter äußerte sich anonym zu den Vorwürfen: "Die Videos zeigen die Durchsetzung des Rechts unter den damaligen Umständen", zitiert "Verify-Sy" den Beamten. "Doch über diesen Punkt sind wir hinaus. Wir bekräftigen unsere Verpflichtung, Gerechtigkeit herzustellen und die Rechtsstaatlichkeit zu achten." Eine offizielle Stellungnahme der neuen Machthaber zu den Vorwürfen gibt es bislang nicht.

Shadi al-Waisi war 2015 Richter der Al-Nusra-Front

Die Region Idlib wurde 2015 in Teilen von der Al-Nusra-Front beherrscht, einem Ableger der Terrorgruppe al-Qaida, die sich 2017 mit anderen Islamistengruppen zur HTS zusammenschloss. Der 1985 geborene al-Waisi, der einen Abschluss in islamischem Scharia-Recht und als Pädagoge hat, soll zu dieser Zeit als Richter für die Al-Nusra-Front fungiert haben, berichhtet "Verify-Sy". Unklar ist, wie radikal al-Waisis Ansichten heute sind und welche Rolle der Islam künftig im syrischen Rechtssystem spielen wird.

 
 
 
 
 
 
 

Der vermeintliche Ausschluss von Frauen von Richterämtern in Syrien stellte sich Mitte Dezember als Falschmeldung heraus. Al-Waisi reagierte auf entsprechende Berichte mit der Klarstellung, dass weiterhin Frauen und Männer das Richteramt ausüben könnten. Unklar ist bislang aber, wie sich die islamistische Ideologie der neuen Machthaber in der syrischen Verfassung niederschlagen wird. Die aktuelle Verfassung aus dem Jahr 2012 sieht den Islam nicht als Staatsreligion vor. Es wird aber befürchtet, dass die HTS dies gegen den Willen religiöser Minderheiten im Land durchsetzen könnte.

Irritation bei Baerbocks Besuch in Damaskus

Kritik hat die syrische Übergangsregierung bereits mit Änderungen am Lehrplan auf sich gezogen. Den Kritikern zufolge wurden jegliche Hinweise auf die vorislamische Verehrung antiker Gottheiten in Syrien aus den Lehrbüchern gestrichen. Koranverse seien mit radikalislamischen Interpretationen kommentiert worden. Ein gesamtes Kapitel über die Entstehung des Lebens sei aus einem naturwissenschaftlichen Lehrbuch entfernt worden.

Das Bildungsministerium in Damaskus entgegnete, es seien lediglich Bestandteile aus dem Lehrplan entfernt worden, in denen die Regierung des gestürzten Machthabers Baschar al-Assad verherrlicht worden sei. Zudem seien fehlerhafte Interpretationen von Koranversen im islamischen Religionsunterricht korrigiert worden, teilte Bildungsminister Nasir al-Kadri mit.

Als Hoffnungszeichen für die Frauen in Syrien gilt die Ernennung von Muhsina al-Mahithaui zur Gouverneurin der südlichen Provinz Sauwaida vorige Woche. Al-Mahithaui ist die dritte Frau in einer führenden Rolle in der Übergangsregierung. Auch die geschäftsführende Direktorin der Zentralbank und die Leiterin des Büros für Frauenangelegenheiten sind Frauen. Die Rolle der Frauen im neuen Syrien war auch Thema beim Besuch von Außenministerin Annalena Baerbock (Die Grünen) in Damaskus am Freitag. Für Irritationen sorgte dabei die Begrüßung Baerbocks durch De-facto-Herrscher Ahmed al-Scharaa.

Während dieser Baerbocks französischem Amtskollegen Jean-Noël Barrot zur Begrüßung die Hand reichte, griff er sich für Baerbock mit der flachen Hand aufs Herz – unter gläubigen Muslimen in der Region eine übliche Geste zur Begrüßung zwischen Mann und Frau. Während manche Beobachter in der Szene eine Herabwürdigung Baerbocks sahen, bemühten sich später sowohl die Ministerin als auch die Regierung von al-Scharaa, die kurze Szene zu relativieren. Gleichwohl betonte Baerbock in einem Interview nach der Reise, dass Europa nicht "Geldgeber für eine Islamisierung" der syrischen Gesellschaft sein werde.

Verwendete Quellen
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