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Rechte Krawalle in Großbritannien: Wie Putin es für sich nutzt


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Rechte Krawalle in Großbritannien
Putin bringt den Stein ins Rollen


05.08.2024Lesedauer: 4 Min.
Manchester: Rechtsextreme Gruppen liefern sich Straßenschlachten mit der Polizei.Vergrößern des Bildes
Manchester: Rechtsextreme Gruppen liefern sich Straßenschlachten mit der Polizei. (Quelle: Christopher Furlong)
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Fake News zur Identität des Täters einer Messerattacke schüren rechte Krawalle in Großbritannien. Russland versucht, das Chaos und die Gewalt auf den britischen Straßen weiter zu befeuern.

Brennende Autos, Rauch. Polizisten werden mit Pflastersteinen beworfen und gehen mit Knüppeln und Reizgas gegen Krawallmacher vor. Es herrscht Chaos auf den britischen Straßen. In zahlreichen Städten liefern sich rechtsextreme Gruppen Ausschreitungen mit der Polizei, demolieren ganze Straßenzüge. Im mittelenglischen Rotherham warfen am Sonntag maskierte Demonstranten die Fensterscheiben eines Hotels ein, in dem zuvor Asylbewerber untergebracht worden waren. Sie legten Feuer, versuchten das Gebäude zu stürmen.

Der Grund für die Gewaltausbrüche: Ein 17-Jähriger hatte in der nahe Liverpool gelegenen Küstenstadt Southport am vergangenen Montag drei Kinder mit einem Messer getötet und acht weitere sowie zwei Erwachsene verletzt. Dafür war der Verdächtige in ein Gebäude eingedrungen, in dem gerade ein Ferientanzkurs für Kinder zur Musik von US-Star Taylor Swift stattfand.

Schnell kursierten im Netz Falschinformationen über den Täter, was die Gewalt und den Hass der Rechtsextremen zusätzlich befeuerte. Brandstifter sind dabei nicht nur rechtsextreme Gruppen, sondern auch Russland. Das Motiv liegt auf der Hand: Kremlchef Wladimir Putin ist daran interessiert, dass Großbritannien im Chaos versinkt. Immerhin sieht er sich in der Ukraine in einem Stellvertreterkrieg mit dem Westen, und die russische Propaganda versucht, westliche Länder zu destabilisieren. In Großbritannien bietet sich Russland nun eine Chance.

Putin nutzt fremdenfeindlichen Hass

Nach dem Messerangriff reagierten Rechtsextreme umgehend. Einige Gruppen hätten nur auf eine derartige Gewalttat gewartet, um ihren Hass auf die Straßen zu tragen, heißt es von britischen Extremismusforschern. So sagte Milo Camerdord vom Institute for Strategic Dialogue der "Tagesschau": "Der Horror dieses Messerangriffs hat rechtsextreme Gruppierungen angezogen wie ein Blitzableiter den Blitz. Jemand musste die Schuld bekommen."

Es ist dieser fremdenfeindliche Hass, den sich Russland und rechtsextreme Gruppen zunutze machen. Sie schüren seit dem Messerangriff fremdenfeindlichen Hass gegen Muslime im Netz, indem sie Falschinformationen verbreiten.

Als Instrument für die russische Desinformation in Großbritannien dient Putin unter anderem die Internetseite "Channel 3 Now", die unter dem Deckmantel einer Medienseite Nachrichten im Sinne des Kreml verbreitet. Bereits kurz nach dem Angriff von Southport berichtete die Seite, dass der Täter ein syrischer Bootsflüchtling sei. Die russische Propaganda brachte den Stein ins Rollen, rechtsextreme Plattformen sprangen auf den Zug auf.

Obwohl die britische Polizei schnell widersprach, verbreiteten rechtsextreme Plattformen wie "Europe Invasion" die Falschnachricht. Rechtspopulisten wie der britische Politiker Nigel Farage warfen der Polizei vor, die Herkunft des Täters zu verschweigen. Farage erklärte: In dem Land laufe etwas "schrecklich schief". Die rechtsextreme English Defence League, eine vor 15 Jahren gegründete Anti-Islam-Organisation mit Verbindungen in die Hooligan-Szene, rief über X "Patrioten" dazu auf, das Land zu verteidigen. 24 Stunden später flogen Ziegelsteine auf die Polizei.

Täter ist in Großbritannien geboren und Christ

Die russische Desinformationskampagne funktioniert. Der 17-jährige Messerangreifer ist weder Syrer noch Bootsflüchtling und hat auch nicht den muslimischen Glauben. Er ist laut Polizeiangaben Sohn einer Einwandererfamilie aus Ruanda und wurde in Großbritannien geboren, er ist Christ. Doch das spielt in der aufgeheizten Debatte in Großbritannien in den vergangenen Tagen kaum noch eine Rolle.

Bereits unmittelbar nach der Tat randalierten in Southport rund hundert Rechtsextreme, griffen unter anderem eine Moschee an. Später kam es in weiteren Städten zu Ausschreitungen. Nach teils gewaltsamen Protesten am Amtssitz von Premierminister Starmer in der Londoner Downing Street wurden zahlreiche Menschen festgenommen. Hunderte Moscheen in Großbritannien verschärften ihre Sicherheitsmaßnahmen.

Die Polizei machte Anhänger der English Defence League für die Gewalt verantwortlich. Unter dem Motto "Genug ist genug" wurde auf rechtsextremen Kanälen im Netz für die Kundgebungen geworben. Bei den Veranstaltungen selbst schwenkten Menschen die britische und englische Flagge und skandierten Slogans wie "Stoppt die Boote" – eine Anspielung auf Migranten, die über den Ärmelkanal nach Großbritannien kommen.

Britische Regierung kündigt Maßnahmen an

Der ehemalige Chef des britischen Geheimdienstes MI6, Richard Dearlov, warnte im Gespräche mit der britischen Zeitung "The Telegraph": Großbritannien befinde sich "im Zustand des grauen Krieges mit Russland." Dabei würden Falschinformationen über die sozialen Netzwerke verbreitet, Millionen Briten hätten so die Beiträge zur Messerattacke von Southport im Netz gelesen.

In Großbritannien scheint diese russische Taktik auf besonders fruchtbaren Boden zu fallen. Die britische Gesellschaft ist nicht erst seit dem Brexit gespalten. Schon vor dem Referendum zum britischen EU-Austritt 2016 versuchten Rechtspopulisten, mit Falschinformationen und falschen Versprechen für einen britischen EU-Austritt zu werben. Mit Erfolg. Bereits in diesem Prozess schürten rechte Gruppen Ängste in der Gesellschaft vor einem Kontrollverlust in der Migrationspolitik und befeuerten Ressentiments gegenüber Migranten.

Es liegt im großen Interesse Russlands und des Kremlchefs Wladimir Putin, die britische Gesellschaft weiter zu verunsichern. Denn die britische Regierung zählt zu den größten westlichen Unterstützern der Ukraine, und wenn das Land mit inneren Krawallen beschäftigt ist, rückt das Interesse am Ukraine-Krieg in weite Ferne. Das ist ein Teil des hybriden Krieges, den Russland gegen den Westen führt.

Im Angesicht der Krawalle steht die neue britische Regierung nun vor ihrer ersten Bewährungsprobe. Innenministerin Yvette Cooper kündigte ein entschiedenes Vorgehen gegen kriminelles Verhalten im Internet an. Die Organisation der Krawalle, das Befeuern der Spannungen und die Verbreitung von Falschinformationen seien mithilfe sozialer Medien stark befördert worden, sagte die Politikerin dem Nachrichtensender Sky News. "Wir erwarten auch ein Vorgehen gegen diejenigen, die kriminelles Material gepostet haben, und werden sicherstellen, dass die Social-Media-Unternehmen Verantwortung übernehmen", fügte Cooper hinzu.

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Doch es ist fraglich, ob diese Unternehmen sich diesbezüglich überhaupt in der Verantwortung sehen. So werfen Kritiker zum Beispiel Elon Musk vor, dass er nach seiner Übernahme von X rechtspopulistische Desinformationskampagnen sogar fördere.

Das spielt nun auch Putin in die Karten, der die sozialen Netzwerke mit Tausenden Accounts gezielt als Waffe nutzt, um die öffentlichen Debatten im Westen zu beeinflussen.

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