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Großbritannien: Militärmacht als Nato-Joker? Britische Armee hat Probleme


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Militärmacht Großbritannien
Die Kräfte gehen aus


Aktualisiert am 14.02.2024Lesedauer: 5 Min.
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Britische Soldaten bei einer Übung (Archivbild): Die Armee hatte zuletzt mit einigen Problemen zu kämpfen. (Quelle: Rafael Ben-Ari/Chameleons Eye/imago-images-bilder)

Nach den Drohungen von Donald Trump rücken innerhalb der Nato die Atommächte Frankreich und Großbritannien in den Fokus. Doch die britische Armee kämpft mit einigen Problemen.

Sascha Zastiral berichtet aus London.

Als gäbe es nicht schon genug Grund zur Sorge vor einer zweiten Amtszeit von Donald Trump, legte der amerikanische Reality-TV-Star und Ex-Präsident am Wochenende nach: Im Fall einer Rückkehr ins Weiße Haus in Washington würde er Russlands Machthaber Wladimir Putin dazu einladen, Nato-Staaten anzugreifen, die den USA nicht genug für ihren Schutz gezahlt hätten. "Tatsächlich würde ich sie ermutigen, zu tun, was auch immer sie wollen", sagte Trump vor Anhängern. "Ihr müsst bezahlen. Ihr müsst eure Rechnungen bezahlen."

Video | Bei Wahlkampfauftritt: Trump droht NATO-Staaten
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Quelle: reuters

Die Aussicht auf eine baldige Schutzgelderpressung durch das Weiße Haus wirft nun innerhalb der Nato die dringende Frage auf, welche anderen Nato-Mitgliedstaaten einspringen könnten, falls der impulsive Ex-Präsident nach einem Wahlsieg im November seinen Freund Putin in einen weiteren Krieg in Europa hetzt.

Ganz oben auf der Liste steht dabei neben Frankreich Großbritannien. Die ehemalige Weltmacht hat seit dem Verlust ihres Empire großen Wert darauf gelegt, weiterhin weltweit militärische Stärke projizieren zu können. Das klappte mal schlechter – zum Beispiel in der Suezkrise in den 1950ern – und mal besser, etwa im Falklandkrieg gegen Argentinien 1982.

Atomwaffen und moderne Flugzeugträger

Auch danach nahmen britische Soldaten wiederholt an Militäreinsätzen teil. So stellte sich Großbritannien während der beiden US-geführten Kriege gegen den Irak 1991 und 2003 als auch in Afghanistan an die Seite der USA und entsandte Truppen. Bis heute unternimmt die Royal Air Force, Großbritanniens Luftwaffe, regelmäßig Flüge über dem Irak und über Syrien, um die versprengten Überreste des sogenannten Islamischen Staates in Schach zu halten. Nicht zuletzt bei den Einsätzen gegen die Huthi-Milizen im Jemen in den vergangenen Wochen war es keine Überraschung, dass die USA ihren britischen Bündnispartner zur Hilfe gerufen haben. Großbritannien war in der Lage, diesem Aufruf zu folgen.

Auf dem Papier sehen die britischen Streitkräfte zunächst gut aus: Das Land hat ein Atomwaffenarsenal und zwei moderne Flugzeugträger, Frankreich hat dagegen nur einen. Die britische Armee hat in den vergangenen zehn Jahren mehr als 60.000 ukrainische Soldaten ausgebildet und Soldaten in mehreren Nato-Staaten stationiert. Nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine zögerte London nicht lange und schickte kurzfristig reichlich Munition, Fahrzeuge und andere Ausrüstung in das in Bedrängnis geratene Land.

Hohe Militärausgaben

Großbritannien liegt in Europa bei den Militärausgaben vorne und belegt weltweit den sechsten Rang. In diesem Jahr gibt London 52 Milliarden Pfund für Verteidigung aus, was 2,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entspricht. Das ist mehr als die zwei Prozent, die Nato-weit angepeilt werden. Ben Barry, Experte für Landkriegsführung bei der Denkfabrik "International Institute for Strategic Studies" (IISS), sagte dem britischen Magazin "The Economist": "Trotz des Erbes des Irak und Afghanistans haben die britischen Streitkräfte mit der Unterstützung der britischen Öffentlichkeit eine Bereitschaft, Gewalt gegen Feinde einzusetzen, die tief in ihrer DNA verankert ist und in Europa nur in Frankreich ihresgleichen findet."

Dessen ungeachtet nehmen viele andere Nato-Staaten das Vereinigte Königreich als zunehmend schwächelnde militärische Macht wahr – und das aus gutem Grund: Es klemmt und hapert an allen Enden: So hat die britische Marine heute weniger Fregatten und Zerstörer als Japan, Südkorea oder Frankreich. Auch personalmäßig wird es zunehmend schwierig. Die britische Armee hatte zuletzt nur noch ein reguläres Vollzeitpersonal von etwas mehr als 75.000 – so wenig wie seit Jahrhunderten nicht mehr.

Unsicherheit wegen Wehrpflicht

Bei der Rekrutierung hapert es ordentlich: Sämtliche Teile der Streitkräfte suchen händeringend nach Personal. Es gibt zu wenig Piloten und Ingenieure, die man bräuchte, wenn man die Zahl der Flugzeuge erhöhen wollte. Die Royal Navy, Großbritanniens Marine, musste schon Boote stilllegen, weil nicht genug Personal vorhanden war.
Als Armeechef Patrick Sanders kürzlich zur Aufstellung einer "Bürgerarmee" aufrief, löste er damit einen Aufschrei aus.

Viele Briten befürchteten die Rückkehr der Wehrpflicht. Ein Regierungssprecher musste die Öffentlichkeit beschwichtigen und versicherte, dass es keine Pläne hierfür gebe. Der Armeechef habe lediglich "hypothetische Szenarios" beschrieben, erklärte ein Sprecher von Premier Rishi Sunak vorsichtig. Auch das Verteidigungsministerium ruderte zurück.

Ein großes Problem für die britischen Streitkräfte sind knappe Geldmittel. Der teuerste Teil des britischen Verteidigungsapparats ist das "Trident"-Atomwaffenprogramm, das sich das Land unbedingt als Abschreckung bewahren möchte. Allein hier landet jedes Jahr ein Fünftel des gesamten Verteidigungshaushalts.

Probleme beim neuen Schützenpanzer

Das Geld ist auch deswegen knapp, weil die Armee in den vergangenen Jahren mit mehreren Rüstungsprojekten kostspielige Bauchplatscher hingelegt hat: Ein Beispiel ist der Schützenpanzer Ajax, den das Rüstungsunternehmen General Dynamics UK baut. Der sollte eigentlich ab 2018 das gepanzerte Fahrzeug Warrior ersetzen. Die Armee verlangte von dem Hersteller, der auch andere Armeen in anderen Ländern beliefert, allerdings 1.200 Änderungen an den ursprünglichen Bauplänen. Es kam zu massiven Verzögerungen. Bei den Tests der ersten Modelle, die gemäß den geänderten Anforderungen gebaut wurden, war es im Innenraum allerdings so laut, dass Passagiere fast ihr Gehör verloren. Hinzu kamen dermaßen starke Vibrationen, dass niemand Lust hatte, in den Fahrzeugen zu sitzen. Bis die Probleme beseitigt waren, dauerte es Jahre.

Schaut man sich man diese und viele andere Probleme an, dann überrascht es nicht, dass der Verteidigungsausschuss des Parlaments kürzlich zu einem ernüchternden Schluss kam: Käme es zu einem großen Krieg gegen einen anderen Staat, könnte die Kampffähigkeit der britischen Streitkräfte bereits nach zwei Monaten erschöpft sein.

"Nicht genügend Beachtung gefunden"

Jeremy Quin, der Vorsitzende des Ausschusses, sagte dazu: "Während (die Armee) in der Lage ist, kurzfristig Truppen einzusetzen und Verpflichtungen zu erfüllen, hat unsere Untersuchung ergeben, dass die Einsatzbereitschaft für einen völligen, langanhaltenden Krieg nicht genügend Beachtung gefunden hat und einen intensiven fortlaufenden Fokus erfordert." Die Bilanz des Ausschusses: Die weitreichenden Kürzungen bei den Staatsausgaben seit dem Amtsantritt von Premier David Cameron im Jahr 2010 hätten die Streitkräfte "ausgedünnt" und die Fähigkeit des Landes, Kriege zu führen, untergraben.

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Auch bei den beiden Flugzeugträgern häufen sich die Probleme: So sollte die mehr als drei Milliarden Pfund teure HMS Queen Elizabeth – das 2014 stolz in Betrieb genommene Flaggschiff der britischen Marine – eigentlich eine zentrale Rolle bei der gewaltigen Nato-Übung "Steadfast Defender 2024" einnehmen, die derzeit anläuft. Doch die Teilnahme wurde wegen eines mechanischen Problems vergangene Woche in letzter Minute gestoppt. Am Sonntag wurde auch das geplante Auslaufen des zweiten Flugzeugträgers HMS Prince of Wales, der die Queen Elizabeth vertreten sollte, aus dem Hafen von Portsmouth kurzfristig abgesagt. Der Schreck war groß – und wohl auch die Erleichterung, als die Prince of Wales am Montag doch noch verspätet ablegen konnte.

Führende Marineoffiziere und wohl auch Regierungspolitiker dürften derzeit trotzdem wohl eher unruhig schlafen. Denn erst 2022 blieb die "Prince of Wales" vor der Isle of Wight vor der britischen Küste liegen. Der Flugzeugträger musste abgeschleppt werden, es folgten teure Reparaturen, die mehrere Monate dauerten. 2019 musste auch die HMS Queen Elizabeth dringend zurück ins Dock. Ein internes Wasserrohr war geborsten. Insider erzählten der BBC, dass der Besatzung in einigen Teilen des Schiffs das Wasser "bis zum Hals" gestanden habe.
Dieses Gefühl könnte sich im Fall einer Rückkehr Trumps ins Weiße Haus unter Europas Militärchefs und Politikern rasch ausbreiten.

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