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Polen | Regierung gerät vor Wahlen wegen Visa-Affäre unter Druck


Korruption in Warschau?
Polens Regierung gerät wegen Visa-Affäre unter Druck

Von dpa, t-online, csi

18.09.2023Lesedauer: 3 Min.
Polens Außenminister Zbigniew Rau: "Es gibt keine Visa-Affäre".Vergrößern des Bildes
Polens Außenminister Zbigniew Rau: "Es gibt keine Visa-Affäre". (Quelle: Christoph Soeder/dpa)

Die Staatsanwaltschaft in Polen ermittelt gegen sieben Personen. Sie sollen gegen Bezahlung die Vergabe von Arbeitsvisa beschleunigt haben. Die Regierung versucht offenbar, den Vorfall herunterzuspielen.

In Polen ist die rechts-nationalistische Regierung kurz vor den Parlamentswahlen am 15. Oktober in Bedrängnis geraten. Behörden sollen laut lokalen Medien und Opposition einen illegalen Handel mit Visa betrieben haben.

Demnach sollen in polnischen Konsulaten in Ländern Afrikas, Asiens sowie im Nahen Osten Visaanträge durch Schmiergeldzahlungen genehmigt oder beschleunigt worden sein. Dabei soll es sich laut einem Bericht des "Spiegel" um Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse handeln, mit denen Menschen frei innerhalb der EU reisen können.

Auch die Staatsanwaltschaft in Polen ermittelt gegen sieben Personen wegen des Verdachts, sie hätten gegen Bezahlung die Vergabe von Arbeitsvisa beschleunigt. Drei der Verdächtigen seien festgenommen worden, sagte der stellvertretende Chef der Abteilung für Organisierte Kriminalität und Korruption, Daniel Lerman, am Donnerstag in Warschau. Untersucht würden Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe mehrerer Hundert Arbeitsvisa in mehreren arabischen Ländern sowie in Indien, den Philippinen, Singapur, Hongkong und Taiwan.

Polens Außenminister Zbigniew Rau sieht nach den Ermittlungen gegen seine Behörde keinen Anlass für einen Rücktritt. "Ich fühle mich nicht mitschuldig, ich denke nicht daran, zurückzutreten, und es gibt keine Visa-Affäre", sagte er laut Nachrichtenagentur PAP in New York. Die Regierung spricht lediglich von rund 200 fraglichen Visa.

Entlassener Vize-Außenminister ins Krankenhaus eingeliefert

Berichte polnischer Medien und Angaben der Opposition deuten dagegen auf ein sehr viel größeres Ausmaß hin. Innerhalb von 30 Monaten seien in Afrika und Asien 250.000 polnische Arbeitsvisa ausgestellt worden, sagte Oppositionsführer Donald Tusk von der liberalkonservativen Bürgerplattform (PO) am Donnerstag, allerdings ohne Angaben dazu, woher diese Zahl stammt. Tusk warf der regierenden PiS angesichts ihrer harten Haltung gegen die EU-Asylpolitik Heuchelei vor.

Ende August war der für konsularische Angelegenheiten zuständige Vize-Außenminister Piotr Wawrzyk entlassen worden. Zur gleichen Zeit wurde seine Abteilung von der Antikorruptionsbehörde CBA durchsucht. Am Freitag berichteten polnische Medien, dass Wawrzyk in einem kritischen Zustand ein Krankenhaus eingeliefert worden sei. Er soll angeblich einen Suizidversuch begangen haben.

Nach Berichten des Portals Onet und der Tageszeitung "Gazeta Wyborcza" soll Wawrzyk der Drahtzieher hinter einem System gewesen sein, bei dem Zwischenfirmen für hohe Geldsummen polnische Visa anboten. Häufig seien die Migranten aus Ländern Asiens und Afrikas auf der Basis ihres polnischen Visums im Schengenraum weitergereist – etwa nach Deutschland.

PiS-Regierung macht eigentlich Stimmung gegen Migration

Besonders begehrt waren demnach Mehrfachvisa. Denn wer ein Mehrfachvisum für den Schengenraum hat, darf auch nach Mexiko einreisen – und kann so in die USA gelangen. Den Angaben nach sollen Menschen in Indien an Zwischenfirmen bis zu 40.000 Dollar gezahlt haben, um in den Besitz eines polnischen Mehrfachvisums zu kommen.

Vor der Parlamentswahl am 15. Oktober setzt das Thema der illegalen Visa-Vergabe die PiS unter Druck. Denn die PiS-Regierung widersetzt sich dem EU-Asylkompromiss, der eine verpflichtende Aufnahme von Flüchtlingen vorsieht. Warschau will parallel zur Parlamentswahl in einem Referendum darüber abstimmen lassen. Der Ausgang der Volksabstimmung hat keinen Einfluss auf den Entscheidungsprozess innerhalb der EU. Ein illegaler Handel mit Visa würde also nicht in die einwanderungsfeindliche Rhetorik passen, mit der sich die PiS-Partei regelmäßig profiliert.

Hinweis: Falls Sie viel über den eigenen Tod nachdenken oder sich um einen Mitmenschen sorgen, finden Sie hier sofort und anonym Hilfe.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
  • wiadomosci.onet.pl: "Zbigniew Ziobro o Piotrze Wawrzyku: targnął się na swoje życie" (polnisch)
  • spiegel.de: "Schengenvisa gegen Schmiergeld" (kostenpflichtig)
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