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Die Totenakte Putins: War Jewgeni Prigoschin der nächste auf Putins Todesliste?


Erschossen, erwürgt, vergiftet
Die Todesliste Putins

Von t-online, sje

26.08.2023Lesedauer: 5 Min.
Wladimir Putin: Immer wieder kursieren Gerüchte, im Kreml existierten "Todeslisten".Vergrößern des BildesWladimir Putin: Immer wieder kursieren Gerüchte, im Kreml existierten "Todeslisten". (Quelle: TASS/Sergei Guneyev/imago-images-bilder)

Musste Jewgeni Prigoschin sterben, weil er den Zorn Putins auf sich zog? Zuletzt hatte er den Kreml heftig kritisiert. Er wäre nicht der Erste, dem das zum Verhängnis wird.

Jewgeni Prigoschin ist tot – vermutlich zumindest; eine offizielle Bestätigung steht noch immer aus. Nachdem am Mittwochabend der Privatflieger Prigoschins abgestürzt war – der Wagner-Chef soll an Bord gewesen sein –, kam schnell der Verdacht auf: Putin könnte seinen nächsten Gegner umgelegt haben. Schließlich startete der Chef der Söldnerarmee Wagner genau zwei Monate vor dem Flugzeugabsturz einen Aufstand gegen die russische Führung. Und bereits davor hatte er immer wieder öffentlich die Entscheidungen des Kremls im Krieg gegen die Ukraine scharf kritisiert.

Deswegen gilt Prigoschin vielen in der putintreuen Elite als Verräter – auch Putin selbst hatte ihn nach dem Aufstand als solchen bezeichnet. Der russische Präsident dankte dem Wagner-Chef am Donnerstagabend in einer Ansprache zwar für seine Verdienste in der "gemeinsamen Sache" – sagte aber auch, Prigoschin habe "schwere Fehler" begangen. Ein Zeichen dafür, dass Putin einen Anschlag gegen seinen ehemaligen Vertrauten in Auftrag gegeben hat? Viel spricht dafür, dass Machthaber Putin das Attentat minutiös vorbereitete, wie Sie hier nachlesen können.

Prigoschin wäre bei Weitem nicht der erste Kritiker, den der Kremldespot allen Anzeichen nach aus dem Weg räumen ließ. Ein Überblick über die bekanntesten Fälle.

Anna Politkowskaja

Anna Politkowskaja war Journalistin und Regierungskritikerin und starb am 7. Oktober 2006 – Putins 54. Geburtstag. Sie wurde in ihrem Wohnhaus in Moskau mit fünf Kugeln erschossen. Sie war für die kremlkritisische Zeitung "Nowaja Gaseta" tätig und hatte aus der Teilrepublik Tschetschenien über Menschenrechtsverletzungen durch russische und tschetschenische Sicherheitskräfte berichtet. Zudem hatte Politkowskaja Putin und dem Geheimdienst vorgeworfen, ein autoritäres Regime errichten zu wollen.

Fünf aus Tschetschenien stammende Männer wurden in Zusammenhang mit ihrem Tod im Jahr 2014 zu langer Haft im Straflager verurteilt. Wer den Mord in Auftrag gab, ist jedoch bis heute nicht bekannt.

Alexander Litwinenko

Alexander Litwinenko war ein russischer Ex-Geheimagent und starb am 23. November 2006 in einem Londoner Krankenhaus. Einige Tage zuvor war er mit dem hochgiftigen, radioaktiven Polonium 210 vergiftet worden, vermutlich beim Teetrinken mit dem russischen Politiker Andrej Lugowoj und dem Geschäftsmann Dmitrij Kowtun in einem Londoner Hotel. Litwinenko hatte sich mit der russischen Führung verworfen, war nach Großbritannien ausgewandert und hatte schließlich sogar die Seiten gewechselt – zuletzt war er für den MI6 tätig.

Während er im Sterben lag, machte er Putin persönlich für seinen Tod verantwortlich. Der Kreml wies die Vorwürfe zurück. Als Hauptverdächtiger gilt Lugowoj – der noch immer als Abgeordneter im russischen Parlament sitzt.

Boris Beresowski

Boris Beresowski war ein russischer Oligarch und einstiger Multimillionär. Er wurde am 23. März 2013 tot in seinem Haus in Ascot bei London gefunden. Er hatte die russische Opposition finanziell unterstützt und galt als Putins Intimfeind.

Seine Leiche wurde obduziert – demnach starb er durch Strangulation. Ein Richter erklärte ein Jahr nach Beresowskis Tod, dass nicht zweifelsfrei festgestellt werden könne, ob er Selbstmord begangen habe oder ermordet worden sei.

Boris Nemzow

Boris Nemzow war russischer Oppositioneller und starb am 27. Februar 2015. Er wurde in Moskau auf einer Brücke in der Nähe des Kremls auf offener Straße erschossen. Als früherer Vizeministerpräsident galt er zeitweise als bekanntester Oppositionspolitiker, mehrfach saß er in Haft. Immer wieder übte er scharfe Kritik an Putin und prangerte auch Russlands Aggressionen gegen die Ukraine an. 2014 war Russland zum ersten Mal in ukrainisches Gebiet einmarschiert.

2017 wurden fünf Männer aus Tschetschenien schuldig gesprochen, den Mord an ihm ausgeführt zu haben. Sie wurden zu Haftstrafen zwischen 11 und 20 Jahren verurteilt. An der offiziellen Darstellung gibt es jedoch noch immer Zweifel – und auch die Frage nach dem Auftraggeber bleibt bis heute ungeklärt.

Sergej Skripal

Sergej Skripal ist russischer Ex-Agent und wurde am 4. März 2018 im englischen Salisbury Ziel eines Giftanschlags. Er und seine Tochter Julia wurden dem in der Sowjetunion entwickelten Nervengift Nowitschok ausgesetzt, beide überlebten nur knapp. Skripal war zuvor in Russland als Doppelagent enttarnt und verhaftet worden. Ursprünglich hatte er für den russischen Militärgeheimdienst GRU gearbeitet, sich dann aber 1995 vom britischen Auslandsgeheimdienst rekrutieren lassen. Nach sechs Jahren Haft wurde er 2010 entlassen und zog nach England.

Nach seiner Vergiftung bezeichnete Putin Skripal als "Verräter" und "Dreckskerl". Die britische Regierung beschuldigt den russischen Geheimdienst des Anschlags auf die Skripals – die englischen Ermittler konnten die russischen Agenten enttarnen. Der Kreml wies die Vorwürfe dennoch zurück und ersann eine Geschichte, wonach die Geheimdienstler angeblich ein schwules Pärchen seien, das für die anglikanischen Kathedralen nach Salisbury gekommen war.

Selimchan Changoschwili

Selimchan Changoschwili hatte im Kaukasus gegen die russische Armee gekämpft und starb am 23. August 2019. Der Georgier tschetschenischer Abstammung wurde im Berliner Tiergarten von einem Auftragsmörder erschossen.

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Der Täter, ein Russe, wurde noch vor Ort festgenommen und 2021 zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Die Bundesanwaltschaft ging davon aus, dass "staatliche Stellen der Zentralregierung der Russischen Föderation" den Mord in Auftrag gegeben hatten. Der Kreml stritt jede Beteiligung ab.

Alexej Nawalny

Alexej Nawalny gilt als schärfster innenpolitischer Gegner von Putin. Der Oppositionelle wurde am 20. August 2020 auf einem Flug von Sibirien nach Moskau mit dem Nervengift Nowitschok vergiftet. Nach zwei Tagen in einem Krankenhaus in Omsk wurde er auf Wunsch der Familie nach Deutschland verlegt. Er überlebte knapp.

Medienrecherchen zeigten, dass wohl mindestens acht Agenten des russischen Geheimdienstes FSB an dem Anschlag beteiligt waren. Der Kreml bestreitet das. Im Januar 2021 kehrte Nawalny nach Russland zurück. Dort wurde er noch am Flughafen verhaftet und seitdem mehrfach zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Familie und Anhänger kritisieren immer wieder die unmenschlichen Haftbedingungen, die der Gesundheit des 47-Jährigen schadeten.

Wladimir Kara-Mursa

Wladimir Kara-Mursa ist ehemaliger Journalist und als Oppositioneller ebenfalls einer der schärfsten Kritiker Putins. Im Mai 2015 wurde auch er vergiftet – er war mit plötzlichem Nierenversagen in ein Moskauer Krankenhaus eingeliefert worden und lag eine Woche lang im Koma. 2017 wurde er offenbar erneut zum Ziel eines Giftanschlags, wieder überlebte er nur knapp. Kara-Mursa setzte sich im Ausland wiederholt für Sanktionen gegen Russland und einzelne Russen ein, denen er Menschenrechtsverletzungen vorwirft.

Die russischen Behörden streiten jegliche Verantwortung für die Vergiftungen ab. Im April 2022 wurde Kara-Mursa verhaftet, nachdem er den russischen Angriff auf die Ukraine kritisiert hatte. Er wurde unter anderem wegen Hochverrats zu 25 Jahren Strafkolonie verurteilt.

Nicht nur politische Gegner im Visier

Neben den politischen Gegnern Putins sammeln sich spätestens seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine im Februar vergangenen Jahres auch die mysteriösen Todesfälle in der wirtschaftlichen Elite Russlands und unter den Topmilitärs. Immer wieder gibt es daher Spekulationen, im Kreml würden regelrechte "Todeslisten" geführt. "Es mag sein, dass Todeslisten existieren", sagte Russlandexperte Fabian Burkhardt t-online dazu bereits im Mai. "Und sicherlich gibt es in manchen Fällen von oben grünes Licht."

Verwendete Quellen
  • spiegel.de: "Auf diese Kremlkritiker warteten die Attentäter"
  • sueddeutsche.de: "Tod im Schatten des Kreml"
  • sueddeutsche.de: "Spuren der Gewalt"
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