Weg frei für Sanktionen EuGH weist Rechtsstaats-Klagen von Ungarn und Polen zurück
Der Europäische Gerichtshof hat die Klagen von Polen und Ungarn gegen den EU-Rechtsstaatsmechanismus abgewiesen. Den Ländern drohen nun empfindliche finanzielle Sanktionen.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat eine neue Regelung zur Ahndung von Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit in der EU für rechtens erklärt. Die Richter in Luxemburg wiesen am Mittwoch Klagen von Ungarn und Polen ab und machten damit den Weg für die Anwendung des sogenannten Rechtsstaatsmechanismus frei.
Damit wächst der Druck auf die zuständige EU-Kommission von Ursula von der Leyen, schnell gegen beide Länder vorzugehen. Die Bundesregierung begrüßte das rechtskräftige Urteil, Budapest und Warschau kritisierten es hingegen als Angriff auf die Freiheit und warfen der EU Machtmissbrauch vor.
Empfindliche Sanktionen möglich
Das im vergangenen Jahr eingeführte Instrument sieht die Möglichkeit vor, bei Rechtsstaatsverstößen EU-Gelder zu kürzen, wenn deren Missbrauch droht. Auch wenn der EU-Kommission bereits alle rechtlichen Voraussetzungen zur Verfügung standen, mögliche Sanktionen gegen Ungarn und Polen zu erwirken, verständigten sich die Mitgliedsstaaten Ende 2020 auf einen Aufschub – bis der EuGH den Mechanismus überprüft habe.
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Ob und wie schnell die EU-Kommission nun den Mechanismus auslöst, ist unklar. Zum einen muss sie unter Berücksichtigung des Urteils noch die Leitlinien zur Anwendung des Instruments fertigstellen. Hinzu kommen politische Erwägungen: Polen ließ zuletzt vorsichtige Signale einer Annäherung an Brüssel erkennen. In Ungarn steht Anfang April die Parlamentswahl an. Sollte die EU-Kommission zuvor den Rechtsstaatsmechanismus auslösen, könnte dies als Einmischung in den Wahlkampf verstanden werden.
Ungarn wirft EU "Machtmissbrauch" vor
Ungarn reagierte mit schweren Vorwürfen auf die Entscheidung des EuGH. Das Gericht habe einen "politisch motivierten Spruch" gefällt, weil Ungarn jüngst ein Gesetz zum Kindesschutz in Kraft gesetzt habe, schrieb Justizministerin Judit Varga am Mittwoch auf ihrem Twitter-Konto. "Die Entscheidung ist ein lebender Beweis dafür, wie Brüssel seine Macht missbraucht."
Varga spielte auf ein vergangenes Jahr verabschiedetes Gesetz an, das Kinder und Jugendliche in Ungarn vor bestimmten Inhalten und Darstellungen zur Sexualität schützen soll. Kritiker sehen darin das Bestreben, homosexuelle und transsexuelle Menschen auszugrenzen und Jugendliche von Informationen zu diesen Themen abzuschneiden.
Der deutsche Justizminister Marco Buschmann dringt nach dem Urteil hingegen auf das Handeln der EU-Kommission: Diese habe die Möglichkeit, effektiv gegen Rechtsstaatsverstöße vorzugehen, die den Haushalt und den Schutz der finanziellen EU-Interessen gefährden. "Nach meiner festen Überzeugung muss sie dies auch tun", sagte Buschmann der dpa.
- Nachrichtenagenturen AFP und dpa