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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Europawahl 2019 Das steht im Wahlprogramm der Linken
Wie stellen sich die Linken die Zukunft der EU vor, was sagen sie zur Migrationspolitik? Das sind ihre Ideen für Europa, mit denen sie in den Wahlkampf gehen.
Am 26. Mai, einem Sonntag, wählen die Deutschen und in Deutschland lebenden EU-Bürger die deutschen Abgeordneten des Europaparlaments. Die wichtigsten Fragen zur Wahl haben wir schon beantwortet, die Bedeutung beschrieben. Hier fassen wir die zentralen Forderungen der Bundestagsparteien zusammen.
Das sind die Ideen der Linken für Europa, die mit Özlem Demirel und Martin Schirdewan an der Spitze in den Wahlkampf gehen.
Arbeit & Soziales
Die einleitende Losung gibt die Marschrichtung vor: Für ein solidarisches Europa der Millionen, gegen eine Europäische Union der Millionäre. Dafür sollen in ganz Europa Mindestlöhne geschaffen werden, die "zum Leben und für eine armutsfeste Rente reichen".
Davon sei Deutschland weit entfernt: Löhne sollen hierzulande angehoben werden und sich an der Produktivität ausrichten. Es soll ein Recht auf schriftlichen Arbeitsvertrag vom ersten Tag an geben. Auch für einen gleichen Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort bei gleichen Sozialabgaben und -leistungen setzt sich die Linke ein.
Die Partei will die Leiharbeit abschaffen. Arbeitsverhältnisse sollen unbefristet, tariflich bezahlt und sozial abgesichert werden. Es soll ein Recht auf Teilzeit – mindestens 22 Stunden bis 35 Stunden – geben. Anstatt Rettungsschirme für Banken soll es welche für Beschäftigte geben. Wenn in Krisen die Arbeitslosigkeit steigt, müssten Sozialleistungen europaweit garantiert werden. Deshalb soll eine europäische Arbeitslosenversicherung eingerichtet werden.
Den Bau von Sozialwohnungen will die Partei stärken: Europaweit sollen Enteignungen und der Rückkauf von Wohnungen durch öffentliche sowie gemeinnützige Träger die Wohnungsnot mindern. Mitgliedsstaaten sollen nach Ansicht der Linken einen festen Anteil an Sozialwohnungen nachweisen müssen. Unternehmen, die mit Wohnraum spekulieren, soll die Börsenzulassung entzogen werden. In Deutschland soll eine echte Mietpreisbremse – flächendeckend, bundesweit, unbefristet und ausnahmslos – eingeführt werden.
Umwelt & Klima
Die Linke will einen europaweiten Kohleaustieg bis 2030. Der Strukturwandel soll dabei sozial abgefedert werden. Große Energiekonzerne sollen vergesellschaftet werden. Gegen die Klimakrise hat die Partei ambitionierte Ziele: Die Emissionen in der EU sollen bis 2030 um 65 Prozent und bis 2050 um 95 Prozent reduziert sein. Dabei helfen sollen erneuerbare Energien, die bis 2030 mindestens 40 Prozent und bis 2040 den gesamten Verbrauch ausmachen sollen. Zudem fordert die Linke den sofortigen europaweiten Atomausstieg.
Es soll keine öffentlichen Investitionen mehr in Konzerne geben, die mit fossilen Rohstoffen Geschäfte machen. Die Linke fordert eine CO2-Steuer für alle Industriezweige und Branchen. Kryptowährungen sollen wegen ihres hohen Energieverbrauchs verboten werden.
Die Partei setzt auf nachhaltige Landwirtschaft mit regionalen Kreisläufen. Zudem soll es eine drastische Reduzierung von chemischen Unkrautvernichtern geben. Die Linke ist dementsprechend gegen die Verlängerung der Zulassung von Glyphosat. Landgrabbing, also Aufkauf großer Landflächen durch Großunternehmen, die dann für Monokulturen genutzt werden, soll verboten werden. Es soll keine Gentechnik in der Landwirtschaft geben. Der Großteil des Güterverkehrs soll auf die Schienen verlagert werden. Statt auf Highspeedstrecken soll die Bahn auf flächendeckenden Verkehr setzen. Innenstädte sollen möglichst autofrei sein, ticketlosen ÖPNV will die Partei fördern.
Außenpolitik & Verteidigung
Die Linke sieht Militärinterventionen als Kriegsursache und will sie deshalb beenden. Sie fordert die Auflösung der EU-Krisenreaktionskräfte und der EU-Verteidigungsagentur. Rüstungshaushalte sollen gestrichen werden. Verpflichtung der EU-Staaten, künftig mehr Geld für das Militär auszugeben, sollen revidiert werden. Die Linke peilt eine atomwaffenfreie EU an, dafür ist der Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland notwendig.
Die EU-Rüstungskontrollpolitik hat versagt, Regeln werden ständig übergangen, Waffen oder auch Dienstleistungen werden in Konfliktregionen exportiert. Deshalb: Stopp aller Rüstungsexporte, wer Vorschriften für Waffenexporte nicht einhält, muss sanktioniert werden; keine Förderung der Rüstungsindustrie; Verbot vollautonomer Waffensysteme und deren Ächtung; Rüstungsagentur abschaffen.
OSZE soll Zentrum für eine gesamteuropäische, gemeinsame Sicherheitsarchitektur werden (in ihr sind neben den europäischen Staaten auch Kanada und die USA, die Türkei, vor allem aber auch Russland und die Sowjet-Nachfolgestaaten) – Nato obsolet machen; perspektivisch Nato auflösen; Entspannung in den Beziehungen zu Russland, Ende der EU-Sanktionen, keine Manöver in russischer Grenzregion.
Migration & Grenzen
Die Linke kritisiert, dass die EU Entwicklungszusammenarbeit vor allem dazu einsetzt, Migration zu unterbinden und "Abschottung" zu finanzieren. Die Partei fordert, dass keine Entwicklungsgelder für Grenzschutz und Migrationskontrollen ausgegeben werden dürfen. Zudem soll die Entwicklungszusammenarbeit neu ausgerichtet werden: Im Zentrum sollen die Bedürfnisse der unterstützten Länder stehen. Sie soll Instrument globaler Umverteilung im Sinne sozialer Gerechtigkeit sein.
Die EU-Grenzschutzbehörde Frontex will die Linke auflösen und durch ein ziviles Seenotrettungsprogramm ersetzen. Sie will legale und sichere Einreisemöglichkeiten in die EU ermöglichen. Dafür müssen EU-weite einheitliche Asylstandards geschaffen werden. Regelungen über sichere Drittstaaten- oder Herkunftsländer will die Partei abschaffen und Asylrechte auch auf Armuts-, Umwelt- und Klimaflüchtlinge ausweiten. Die EU soll Finanzierungslücken des Welternährungsprogramms und der Weltgesundheitsorganisation stopfen.
Wirtschaft & Finanzen
Abkommen wie Ceta oder das angestrebte TTIP unterwerfen nach Ansicht der Linken zentrale Bereiche des Lebens. Markt und Wettbewerb und seien antidemokratisch. Derartige Abkommen will sie deshalb ersetzen durch Abkommen über Partnerschaft und fairen Handel – Abkommen mit sozialen, demokratischen und ökologischen Mindeststandards. Die EU soll sich zum Schutz von Menschenrechten und Arbeitsrechtsnormen in Unternehmen verpflichten und umweltgerechte Produktionsmethoden und menschenwürdige Arbeitsbedingungen als Norm für Handelsverträge ansehen.
Auf kommunaler Ebene und in den Ländern sollten nach Ansicht der Linken nur Unternehmen zur Ausschreibung von öffentlichen Aufträgen zugelassen werden, die nach Tarif oder mindestens 12 Euro in der Stunde bezahlen. Managergehälter will die Partei deckeln: Sie sollen nur das Zwanzigfache des niedrigsten Gehalts im Unternehmen betragen dürfen.
Europäische Union: Der Staatenbund besteht aus 28 Mitgliedsstaaten. Seine Vorgänger hatten sich bereits nach dem Zweiten Weltkrieg gebildet.
Europäisches Parlament: Das Parlament mit Sitz in Brüssel und Straßburg bildet die Volksvertretung der EU. Die Bürger der Mitgliedsstaaten wählen alle fünf Jahre das Parlament. Damit ist es das einzige EU-Organ, das direkt gewählt wird.
Europäischer Ministerrat: Der Rat verfügt gemeinsam mit dem EU-Parlament über die Gesetzgebungskompetenz in der EU. Jeder EU-Staat schickt einen Vertreter, der die Befugnis hat, an Abstimmungen teilzunehmen. Die Länder wechseln sich beim Vorsitz alle halbe Jahre ab.
Europäische Kommission: Die Kommission in Brüssel ist mit der Regierung in Deutschland zu vergleichen. Sie sorgt außerdem dafür, dass das Recht von den EU-Staaten eingehalten wird. Geleitet wird sie von einem Präsidenten, der die Befugnis hat Kommissare aus ihrem Amt zu entlassen.
Mit Blick auf den Klimawandel und die wachsende Ungleichheit will die Partei Schlüsselindustrien kollektivieren, "um die Wirtschaft nach den Bedürfnissen von Mensch und Natur auszurichten". Unternehmen sollen Erlöse dort versteuern müssen, wo sie erbracht werden und öffentlich über soziale und ökologische Standards bei der Herstellung informieren müssen. Europäische Konzerne sollen verpflichtet werden, sich weltweit an soziale und ökologische Standards zu halten.
Inneres & Sicherheit
Die Linke blickt besorgt auf die Gesellschaft: Rassismus, Antisemitismus und Menschenverachtung seien gesellschaftsfähig geworden. Sie will, dass europaweite Programme finanziell gestärkt werden, die Mittel für Initiativen und Projekte gegen Rassismus und andere Formen der Diskriminierung bereitstellen. Die Linke fordert zudem das Verbot aller faschistischen Zusammenschlüsse überall in Europa.
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Zukunft der EU
Die Linke will ein Initiativrecht für das EU-Parlament. Bürger sollen das Recht erhalten, Bürgerbegehren durchzuführen und EU-weite Volksabstimmung anzustreben. Die Partei will neue Verträge, die vom Neoliberalismus der Maastrichter und Lissaboner Verträge befreit sind. Die EU soll mit einer eigenen Verfassung einen Neustart wagen. Es soll künftig ein verbindliches, für jedermann digital einsehbares Lobbyregister geben. Das unter Protest beschlossene neue Urheberrecht will die Partei nochmal komplett neu verhandeln.