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Europawahl: Wichtiger wird es nicht – die Bedeutung der Wahl in drei Minuten


Entscheidung im Mai
Wichtiger wird es nicht – die Bedeutung der Wahl in drei Minuten

Von t-online, js

Aktualisiert am 20.05.2019Lesedauer: 4 Min.
Der Leuchtturm von Cabo da Roca, am westlichsten Punkt des EU-Festlands: In der EU leben bald noch etwa 446 Millionen Menschen.Vergrößern des BildesDer Leuchtturm von Cabo da Roca, am westlichsten Punkt des EU-Festlands: In der EU leben bald noch etwa 446 Millionen Menschen. (Quelle: Paulo Amorim/imago)

Das Leben von 446 Millionen Menschen, das bedeutendste Amt der EU, die Mitsprache jedes Einzelnen: Warum die Europawahl so wichtig ist, erklärt in drei Minuten.

Ohne Großbritannien leben in der EU immer noch 446 Millionen Menschen in 27 Staaten, die sich im Alltag in mehr als 30 Sprachen und Dialekten unterhalten, von Cabo da Roca im Westen Portugals bis zum See Virmajärvi an der finnischen Grenze zu Russland im Osten. Ende Mai wählen sie das Europaparlament.

Dort arbeiten aktuell noch 751 Abgeordnete in Brüssel und Straßburg an europäischen Gesetzen. Was sie tun, hat jeden Tag Folgen für das Leben der Menschen in Europa.

Das Europaparlament ist längst nicht mehr machtlos – im Gegenteil

Das Europaparlament ist eine von drei zentralen Institutionen: zusammen mit der EU-Kommission (die als einzige Gesetze initiieren kann) und dem Ministerrat (oder Rat der Europäischen Union, in dem Minister aus den Mitgliedsstaaten zusammenkommen) ist es für die Gesetzgebung zuständig. Im Regelfall ist es mit dem Rat gleichberechtigter Gesetzgeber. Die Vorstellung, es sei machtlos, ist falsch.

Verbraucherschutz, Binnenmarkt, Asyl, Verkehr, Landwirtschaft, Umwelt: Große Teile des Alltags in Deutschland wird von Regeln aus der EU beeinflusst. Und fast alle europäischen Richtlinien und Verordnungen, die den Alltag prägen, müssen vom Europaparlament beschlossen werden. Wichtiger wird es nicht. Das Parlament kann außerdem die EU-Kommission geschlossen absetzen und es kann den Haushalt ablehnen. Es hat nicht alle Rechte, die andere Parlamente haben, aber mittlerweile wirklich viele. Es kann nicht allein entscheiden, aber ohne das Parlament geht fast nichts in der EU.

Von der Wahl hängt das wichtigste Amt der EU ab

Das Parlament wählt formal den Kommissionspräsidenten, der aber vorher von den Staats- und Regierungsschefs der Mitgliedsstaaten im so genannten Europäischen Rat vorgeschlagen wird. Aber wer dort vorgeschlagen wird, hängt mittlerweile direkt von der Europawahl ab. Der Spitzenkandidat der stärksten Fraktion soll vorgeschlagen werden – vor fünf Jahren war das der Konservative Jean-Claude Juncker.

Diesmal könnte es der CSU-Politiker Manfred Weber werden, der Sozialdemokrat Frans Timmermans aus den Niederlanden oder der Spitzenkandidat oder die Spitzenkandidatin der Liberalen. Damit bestimmten die EU-Bürger mit ihrer Wahl über das wahrscheinlich wichtigste EU-Amt mit. Und auch andere Spitzenämter wie das des Hohen Vertreters für Außenpolitik werden nach Parteifamilienproporz besetzt.

Der direkteste Weg, gehört zu werden

Brüssel wird oft als sehr weit weg beschrieben, als Blase, in der sich Politiker und Lobbyisten mit sich selbst beschäftigen. Das ist nicht ganz falsch – aber auch nicht ganz richtig. Die Abgeordneten werden über Listen gewählt, nicht direkt in Wahlkreisen, aber sie haben ein Büro in der Region, für die sie sich zuständig erklären. So sind Abgeordnete plötzlich ziemlich nah. In ihren Büros sind Mitarbeiter erreichbar, man kann sich mit Anliegen an sie wenden wie an Bundestagsabgeordnete auch. Man kann Mail schreiben oder anrufen und so Entscheidungsprozesse beeinflussen. Erfolgreiche Kampagnen rufen immer wieder genau dazu auf.

Es gibt auch andere Möglichkeiten, als einfacher Bürger die eigenen Anliegen an die EU heranzutragen, etwa die Ombudsperson, Petitionen oder die Europäische Bürgerinitiative. Aber Kontakt zu Abgeordneten ist wahrscheinlich der einfachste, direkteste und effektivste Weg, sicherzustellen, dass man zumindest gehört wird.

Das Parteiensystem wandelt sich – die Wahl entscheidet wie

Es ist fast schon eine Floskel: Die Zeit der Volksparteien ist vorbei. Aber tatsächlich verlieren Konservative und Sozialdemokraten auch im Europaparlament beständig Sitze. Die Sozialdemokraten verlieren mit Labour aus Großbritannien voraussichtlich eine starke Kraft. Die Liberalen dürften dafür diesmal so stark werden wie nie, wenn sie sich wirklich mit Emmanuel Macrons "En Marche" verbinden. Auch die extreme Rechte, die im Europaparlament bisher zersplittert und auf drei Gruppen und Fraktionslose verteilt ist (dazu sitzt Viktor Orbans Fidesz noch in der konservativen EVP), könnte sich konsolidieren und zu einer großen Fraktion werden.

Eine Mehrheit der Sitze wird keine Parteienfamilie auch nur ansatzweise erreichen. Feste Koalitionen gibt es im Europaparlament nicht. Bündnisse werden von Thema zu Thema neu geschmiedet. Damit etwas entschieden werden kann, müssen sich wahrscheinlich mindestens drei Fraktionen einigen. Wie einflussreich die Europagegner der extremen Rechten, wie stark jeweils die anderen Fraktionen sind, wird deshalb konkrete Folgen haben.

Die EU muss sich nach dem Brexit neu sortieren

Wenn sich das neue EU-Parlament zum ersten Mal trifft, wird wahrscheinlich gerade zum ersten Mal ein Mitgliedsstaat die EU verlassen haben. Die EU wird lernen müssen, wie es ist, zu schrumpfen. Die Machtverhältnisse innerhalb der und zwischen den Fraktionen werden sich verschieben, auch die Machtverhältnisse zwischen den Staaten. Skeptiker wollen weniger Kompetenzen für die EU, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat wiederholt für mehr Rechte geworben, die Debatte wird weitergehen. Das EU-Parlament entscheidet zwar über Änderungen der EU-Verträge nicht bindend, aber seine Entschließungen haben trotzdem Gewicht. Die EU muss sich ändern und sie wird sich verändern. Wie? Das hängt auch von der Europawahl ab.

Verwendete Quellen
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