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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Brexit macht Osterpause Die Briten nehmen sich Zeit, die sie nicht haben
"Bitte verschwendet die Zeit nicht", mahnte EU-Ratspräsident Tusk nach der Brexit-Verlängerung. Und was machen die Briten? Osterpause. Die Aufgaben werden dadurch nicht einfacher.
Der Brexit macht Osterpause. Das britische Abgeordnetenhaus hat sich am 12. April in die Osterferien verabschiedet. Weiter geht es erst am Dienstag nach Ostern. Ob EU-Ratspräsident Donald Tusk das gemeint hat, als er die Briten nach der zweiten Brexit-Verlängerung mahnte: "Bitte verschwendet die Zeit nicht!"
Der ganz große Druck ist raus
Zugegeben, die Beratungen zwischen den Konservativen und der Labour-Opposition gehen weiter – Fortschritte sind dabei jedoch nicht zu entdecken. Es entsteht vielmehr der Eindruck, der ganz große Druck ist nach der zweiten Verlängerung erst einmal raus. Das könnte sich rächen. Theresa Mays bevorzugtes Ziel ist weiter ein EU-Autritt bis zum 22. Mai, damit Großbritannien nicht an der Europawahl teilnehmen muss.
Dafür hatten die Briten nach dem EU-Notfallgipfel am 10. April sechs Wochen Zeit – nach der Osterpause sind es dann nur noch etwas mehr als vier. Vier Wochen, in denen die Abgeordneten zustande bringen sollen, wozu sie über Monate nicht in der Lage waren: eine Mehrheit für das von May mit der EU ausgehandelte Austrittsabkommen.
Verhandlungen zwischen Regierung und Labour kommen nicht voran
Nun also erst einmal eine Pause vom Brexit-Irrsinn der letzten Wochen. May verabschiedete die Abgeordneten mit der Aufforderung, ihre Haltung zu überdenken: "Wir stehen vor klaren Entscheidungen und der Zeitplan ist eindeutig." Was sie damit meinte, ist unmissverständlich: Macht Pause, geht in euch und stimmt dann endlich meinem Deal zu!
Doch danach sieht es im Moment nicht aus. Nicht nur einmal war von den Verhandlungen zwischen den Tories und Labour zu hören, sie seien ins Stocken geraten. Labour wird von seiner Forderung nach einer Art Zollunion mit der EU nicht abweichen. Die wiederum ist der Albtraum schlechthin für die konservativen Brexit-Hardliner. Wie May das zusammenbringen will, ohne ihre Partei zu spalten, bleibt ihr Geheimnis.
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Zudem werden die Stimmen immer lauter, die ein zweites Brexit-Referendum fordern. Zunächst sprachen sich die oppositionellen Liberal-Demokraten dafür aus, später auch führende Politiker der Labour-Partei wie Richard Corbett, Vorsitzender der Labourfraktion im Europaparlament oder die frühere Außenministerin Margaret Becket. Ein zweites Referendum ist aber keinesfalls vor den Europawahlen machbar.
Europawahl könnte zum zweiten Brexit-Referendum werden
Und so wird immer wahrscheinlicher, was weder die Briten noch die EU will: Großbritannien wird an der Europawahl teilnehmen und gleichzeitig weiter versuchen, aus der EU auszutreten. Experten rechnen damit, dass die Europawahl in Großbritannien eine Art erneute Abstimmung über den Brexit werden könnte. Nach einer Umfrage könnten bei der Wahl vor allem die konservativen Tories der Premierministerin Theresa May abgestraft werden. Für mehr Ruhe bei den Tories wird auch das nicht sorgen.
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Kommen die Tories und Labour zu keiner Einigung, kommen sämtliche Alternativen zu Mays Abkommen in einer Abstimmung im Parlament wieder auf den Tisch. Wofür auch immer sich die Abgeordneten dann entscheiden, soll bindend für die Regierung sein, hat May angekündigt.
Das sind die Alternativen zu Mays Brexit-Deal:
- Neuverhandlung des Austrittsabkommens
- Zweites Referendum
- Neuwahlen
- Brexit ohne Deal
- Misstrauensvotum gegen May
- Rücktritt von May
- Absage des Brexits
Was immer die britischen Abgeordneten in ihrer Osterpause anstellen, sicher ist: Ab Dienstag nach Ostern geht der Brexit-Wahnwitz auch im britischen im Parlament weiter. Da keine Beruhigung der Lage erkennbar ist, werden wir ihn dann wieder hören, den durchdringenden Ordnungsruf von Parlamentssprecher John Bercow: "Order, Orr-deehr!" Ganz ehrlich: Haben Sie ihn vermisst?
- Mit Material der Nachrichtenagenturen Reuters, dpa