Experten-Tipps Gebrauchte Oberklasse: Wo ist der Luxus bezahlbar?
Der V8 säuselt unter der langen Motorhaube. Im Innenraum verwöhnen Leder und Holz den Fahrer, dazu ist reichlich Platz. Oberklasse-Limousinen bieten viel Luxus, kosten aber auch viel Geld. Erst nach mehr als zehn Jahren fallen hier die Preise. Experten raten jedoch, nicht vorschnell zu kaufen, sondern ruhig abzuwägen.
Für Jan Hennen muss ein historisches Auto vor allem einem selbst gefallen. "Bei Oberklasse-Fahrzeugen ist es reine Geschmackssache, für welches Fahrzeug sich Autofahrer interessieren. Limousinen sind generell interessant, weil sie alltagstauglicher als Cabrios oder Sportwagen sind", erklärt der Vizepräsident vom Bundesverband Oldtimer-Youngtimer (Deuvet).
Die Auswahl im Oberhaus ist groß
Modelle gibt es etwa von Audi, BMW, Chrysler, Cadillac, Maserati, Mercedes, Jaguar, Rolls-Royce aber auch von VW, den Phaeton zum Beispiel. "Wie bei anderen Fahrzeuggattungen gibt es gute und schlechte Fahrzeuge. Wichtig ist, dass die Autos regelmäßig gepflegt wurden und sich das nachvollziehen lässt", sagt Hennen. Aber nicht vergessen: Bei großvolumigen Motoren steigen die Unterhaltskosten – für Kraftstoff, Steuer, Versicherungsprämie und Reparaturen.
Hans Gerd Brauneiser von der Rheinlandgarage in Köln empfiehlt ungern Fahrzeuge der Oberklasse. "Interessenten müssen sich bewusst machen, dass Oberklasse-Autos auch Oberklasse-Geld kosten. Jede Reparatur ist teurer als bei einem Klein- oder Kompaktwagen", sagt er.
"Dazu kommt je nach Modell und Jahrgang viel Elektronik, die anfällig sein kann." Fahrzeuge bis 1995 würden aber noch weitgehend auf viele elektrische Motoren wie für Sitzverstellung, Fensterheber oder Klimaanlage verzichten – von einigen Ausnahmen abgesehen.
Auch digitale Geräte können Probleme machen: "Schon für die ersten Navigationsgeräte mit Pfeildarstellung gibt es heute keine Software mehr", sagt Brauneiser.
Nicht die Nische nutzen
Generell rät er zu bekannten und häufig gebauten Fahrzeugen wie von Mercedes oder BMW und weniger zu Nischenmodellen. "Die Ersatzteilversorgung ist in der Regel besser, die Teile auch häufig günstiger – im Vergleich zu Exoten wie einem Lexus", sagt er. Dennoch sollten Interessenten für die nächsten drei Jahre ein paar Tausend Euro für Reparatur und Wartung bereithalten. "Mit dem Kauf ist es nicht getan. Je nachdem wie das Auto eingesetzt wird, werden Reparaturen kommen – und die sind teuer", sagt der Experte.
Interessenten sollten bei der Besichtigung auf ein bis zuletzt ausgefülltes Inspektionsheft bei einer Fachwerkstatt achten. Auch prüfen sie besser alle elektrischen Bauteile. "Wenn Sitzverstellung, Fensterheber und die Mikrobirnchen an den Lüftungsdüsen alle leuchten, ist das Auto meist gepflegt", sagt Brauneiser.
Auch an den Reifen erkennt der Fachmann den Pflegezustand: Wenn das Auto auf No-Name-Billigpneus steht, ging dem Vorbesitzer anscheinend das Geld aus. Dann heißt es weitersuchen oder zu einem kleineren Modell greifen.
Ausgereifte Katzen, Amis und die deutsche Oberklasse
Ein reizvolles Oberklasse-Fahrzeug für wenig Geld sieht Martin Puthz im Jaguar XJ der Baureihe X300. "Die Autos sind ausgereift, die Reihensechszylinder und das ZF-Automatikgetriebe nahezu unkaputtbar", sagt der Experte der Zeitschrift "Auto Bild Klassik".
Doch auch andere Modelle hält er für eine gute Wahl: einen Buick Park Avenue mit 3,8-Liter-V6 zum Beispiel. "Der Buick bietet viel Ami-Flair, verlässliche Technik und ein europataugliches Fahrverhalten", sagt er. Die Mercedes S-Klasse W 126 sei zwar kein Geheimtipp, durch die lange Bauzeit und die hohen Stückzahlen aber zahlreich im Angebot. Vom spartanischen 280er bis zum vollausgestattetem 560er bietet der Gebrauchtwagenmarkt alles.
Auch der BMW 7er E32 sei eine gute Wahl, allerdings nur mit Sechszylinder oder V8. Puthz mahnt zur Vorsicht bei Autos, die technisch komplex sind. Dazu zählt er unter anderem einen hohen Elektronikanteil, V12-Motoren, Luftfederung und adaptive Fahrwerke.
Zu billig kann schnell zu teuer werden
Von Luxusautos zu extremen Schnäppchenpreisen rät Puthz ab. "Nichts ist teurer als ein billiger Rolls-Royce. Günstige Fahrzeuge haben oftmals einen Wartungsstau, der teure Folgekosten nach sich ziehen kann", erklärt er. "Außerdem gibt es kaum Spezialisten, die die Fahrzeuge reparieren können."
Auch ein Jaguar XJ12 mit seiner schwer zugänglichen Technik werde bei Reparaturen teuer. Bei Modellen wie Lexus LS und Lancia Thesis sieht er die Ersatzteilversorgung problematisch, beim VW Phaeton und einer vollausgestatteten Mercedes S-Klasse W 140 die Vielzahl an technischen Spielereien.
Mit Ruhe und Recherche zum richtigen Modell
Bei der Suche nach dem passenden Klassiker empfiehlt Puthz, nichts zu überstürzen und sich in Ruhe mehrere Autos anschauen. Außerdem sollte man sich Informationen von Clubs, in Foren oder von Fachleuten holen und mehrere Autos Probe fahren.
Ein Fahrzeug mit Wartungsstau würde er stehen lassen, weil sich die Reparaturen nur schwer abschätzen lassen. Auch die reine Fixierung auf den Kaufpreis hält er für falsch. "Weil das nur die halbe Wahrheit ist. Für Reparaturen und Instandsetzung sollte man finanzielle Reserven in der Hinterhand behalten", sagt er.
Fahrfreude und Besitzerstolz als größte Rendite
Generell sollten sich Interessierte klar machen, worauf sie sich einlassen. "Ein Oberklasse-Fahrzeug bleibt Oberklasse, auch wenn es nur noch einen Bruchteil seines einstigen Neupreises kostet. Teile und Reparaturkosten haben diesen Wertverlust nicht mitgemacht, und eventueller Wertzuwachs wird die Kosten nicht auffangen", sagt er. Wer an einem großen, älteren Auto Spaß hat, sollte es als Hobby verstehen. Die größte Rendite sind Fahrfreude und Besitzerstolz.
Denn der Markt der Klassiker sei kein Geheimtipp mehr, sagt Frank Wilke, Geschäftsführer von Classic Analytics, einem Unternehmen zur Marktbeobachtung und Bewertung von Oldtimern. Es gebe bei Youngtimern noch erschwingliche Autos: "Einen Jaguar XJ der XJ40-Baureihe gibt es in einem guten Zustand für rund 10.000 Euro. Die Limousinen bieten viel Fahrkomfort, ausreichend Leistung und wenig Elektronik. Außerdem werden die Autos nicht mehr billiger."
Dazu kommen die Mercedes S-Klasse und Jaguar XJ der Baureihe X300. Aber auch Rolls-Royce Silver Spirit oder Bentley Turbo R bieten viel Luxus gepaart mit solider Mechanik und wenig Elektronik für rund 25.000 Euro. Fahrzeuge ab Mitte der 1990er-Jahre sind für Wilke weniger empfehlenswert. "Der Einsatz von Elektronik macht die Autos zur Wundertüte. Modelle können 25 Jahre problemlos fahren, andere stehen alle drei Wochen mit einem anderen Defekt in der Werkstatt."
Von Fahrzeugen wie Mercedes S-Klasse W220 rät er im Hinblick auf einen möglichst reibungslosen Alltagsbetrieb ebenso ab wie vom Audi V8, Cadillac Seville oder Lexus GS. Bei dem Mercedes sei die Qualität in fast allen Bereichen mager und bei den anderen die Ersatzteilversorgung schlecht.
Beim Kauf sieht Frank Wilke auch ein Risiko bei sehr hoher Laufleistung. "Wie bei Klassikern üblich sind Fahrzeuge mit wenig Laufleistung, wenig Vorbesitzern und einem lückenlosen Scheckheft immer die bessere Wahl."
- Nachrichtenagentur dpa