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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Neuvorstellungen & Fahrberichte Spektakulär gleiten im AMG GTS
Er ist da - der neue Mercedes AMG GTS begeistert. Kein Serien-Mercedes fuhr je sportlicher, kein Mercedes seit dem legendären Ur-SL aus den 50er Jahren machte mehr Spaß. Der neue Wagen ist eine Gefahr für den scheinbar unantastbaren Porsche 911 und eine Kampfansage an BMW. Ein Fahrbericht.
Es gab Zeiten, da war die deutsche Autowelt schlicht aufgeteilt. Porsche machte in kleinen Stückzahlen spektakuläre Sportskanonen, BMW versorgte die ambitionierten Familienväter und Mercedes stand für gediegenen Luxus während Audi im Niemandsland umherirrte. Doch längst verdienen die Autobauer aus Zuffenhausen das meiste Geld mit Geländewagen, BMW sucht manisch nach effizienter Dynamik von morgen und Audi hat zu dem glorreichen Premium-Herstellersegment aufgeschlossen.
Der Schocker mit Stern
Mercedes, kurzzeitig schwankend, startet ab dem Frühjahr lustvoll durch und versetzt der Konkurrenz mit dem AMG GT einen Schock. Nach dem elitären SLS-Flügeltürer kommt im März ein spektakulärer Sportwagen, den man seit Jahr und Tag aus Stuttgart erwartet. Cooles Sportwagendesign, intelligente Fahrprogramme und bis zu 510 PS >>
in einem schmucken Sportwagen, der auf der Rennstrecke genauso glänzt wie auf Küstenstraßen oder Autobahnen. Das Doppelpack aus Mercedes AMG GT und GTS ist je ja nach Staffage mindestens 115.430 respektive 134.351 Euro teuer.
Der 4,55 Meter lange Wagen ist damit immerhin rund 70.000 Euro günstiger als der SLS-Vorgänger, der ebenfalls bei AMG in Affalterbach vom Band lief. Dabei wird es nicht bleiben. Wer den klangprächtigen Achtzylinder mit seiner doppelten Turboaufladung startet, wird aus vier Litern Hubraum mit Bass-Grollgeräuschen verwöhnt.
Mercedes greift insbesondere mit dem 510 PS starken Mercedes AMG GTS nicht nur Porsche 911 und Audi R8 an und schaut belustigt auf einen dreizylindrigen Ökosportler wie den BMW i8. Vielmehr fährt der bei 310 km/h abgeregelte Krawallmacher gegen die Besten der Besten von Ferrari, Corvette, Aston Martin oder McLaren. >>
An die endlos lange Motorhaube muss man sich gerade auf der Rennstrecke oder im scharfen Galopp auf der kurvenreichen Landstraße erst gewöhnen, um über die präzise Lenkung perfekte Einlenkpunkte zu ertasten und die Vorderräder zentimetergenau zu platzieren. Der Grund liegt nicht nur im Design, sondern insbesondere daran, dass der klassenhöhere SLS ein zentrales Element dem GT und GTS vererbt hat: Der sonore Achtzylinder liegt so weit als möglich hinter der Vorderachse, um das Fahrverhalten rennstreckentauglich zu machen.
"Wir haben hier eine Gewichtsverteilung von 47:53", erklärt Entwicklungsleiter Jochen Hermann, "insbesondere auch ermöglicht durch die Aluminiumkarosse und Magnesiumelemente." Ein paar Minuten später zeigt der Mercedes AMG GTS auf der Rennstrecke von Laguna Seca, was er kann. Das Fahrverhalten ist weitgehend neutral, das Heck schwänzelt beim Vollgas am Kurvenausgang leicht und man will nur eines: nicht mehr aussteigen, nachdem man die vier Fahrdynamikprogramme durchgeschaltet und die feuchten Hände mit dem griffigen Steuer verzahnt hat. Stark auf der Geraden, lustvoll in den Kurven – vorausgesetzt, es wird nicht zu winkelig für den Zweisitzer.
Mercedes AMG GTS mit 510 PS
Dazu brüllt die grandiose Power des aufgeladenen Achtzylinders, wenn es mit 375 kW / 510 PS und 650 wild trommelnden Newtonmetern Drehmoment herauf zur legendären Korkenzieherkurve am höchsten Punkt der Strecke geht. Bei der Bergabpassage danach ist jedoch das alles andere geringe Fahrzeuggewicht zu spüren. Mit 1645 Kilogramm ist der heckgetriebene Sportwagen kein Fliegengewicht.
Das siebenstufige Doppelkupplungsgetriebe ist zur besseren Gewichtsverteilung daher an der Hinterachse verbaut. Eine Trockensumpfschmierung sorgt auch bei entsprechenden Querkräften im Grenzbereich für eine geregelte Ölversorgung. Die hungrige Bremse beeindruckt nicht weniger als der Kraftmeier unter der Endlos-Haube. >>
Eine halbe Stunde später wummert der Mercedes AMG GTS im leichten Trab Richtung Monterey, als könnte er kein Wässerchen trüben. Der müde fließende Verkehr gibt einem die Möglichkeit, sich den Innenraum genauer anzuschauen. Bereits im Renntempo fielen die lieblosen und sich analog drehenden Runduhren ins Auge. Während die Rennsitze mit verstellbaren Seitenwangen perfekt passen, sind die dominanten vier Lüftungsausritte in der gigantischen Mittelkonsole zu viel des Guten. Zwei weniger hätten es auch getan und die Becherhalter unter der Abdeckung scheinen wichtiger zu sein, als eine perfekte Anordnung von Schaltern und Getriebewahlhebel.
Selbst der Schönling hat kleine Makel
Einige Schalter befinden sich dröge inszeniert im Dach zwischen den Sonnenblenden. Noch mehr stören die mächtigen Tast- und Drehmodule am Mitteltunnel für Fahrmodi, ESP oder Start-Stopp-Automatik. Diese lassen sich am besten mit dem Unterarm bedienen, während der Getriebehebel eher wie der Kopf eines Nassrasierers anmutet. Alles nicht ideal, doch wenn stört das, wenn der doppelt aufgeladene Achtzylinder bei einem Tritt aufs Gas kräftig losspurtet? Die Daten dazu: von 0 auf Tempo 100 in 3,8 Sekunden, der Normverbrauch soll bei 9,4 Litern Super auf einer Strecke von 100 Kilometern liegen.
Das Fazit: alles in allem ein grandioser Gesamteindruck. Natürlich kursiert in der Auto-Szene sofort wieder die Rede vom "Porsche-Killer". Der neue Mercedes macht seinem Namen alle Ehre: GTS steht für Gran Tourismo Sport, der Schönling mit dem Stern ist also sowohl ein Rennwagen als ein Reisemobil, das nicht nur in der Sonne von Kalifornien einen blendenden Eindruck hinterlässt.
Die sportlichen wie die visuellen Qualitäten des doppelsitzigen Sportcoupés sind trotz des hohen Alltagsnutzens mehr als beeindruckend. Für die meisten Kunden dürfte die 462 PS starke GT-Version mit 304 km/h Höchstgeschwindigkeit und 600 Nm Drehmoment für 20.000 Euro weniger keinen nennenswerten Unterschied machen. Sein Kofferraum fasst eben auch 350 Liter, das reicht für mehr als zwei Helme und Rennanzüge. Rasante Impressionen finden Sie in unserer Fotoshow.