Neuer Bericht der Bahn So steht es um den Zustand unseres Schienennetzes

Die Bahn meldet erstmals Fortschritte bei der Instandhaltung ihrer Infrastruktur. Zum ersten Mal seit Jahren verbessern sich die Zustandsnoten – leicht.
Der Zustand des deutschen Schienennetzes hat sich erstmals seit Beginn der systematischen Bewertung im Jahr 2021 leicht verbessert. Das geht aus dem aktuellen Zustandsbericht der DB-Tochter InfraGO hervor. Die Zustandsnote des Netzes verbessert sich von 3,03 auf 3,00, wobei das Flächennetz jenseits der Hauptkorridore mit einer Zustandsnote von 2,96 besser abschneidet als die hochbelasteten Streckenabschnitte. Auch die 5.400 Personenbahnhöfe schneiden etwas besser ab als im Vorjahr und erreichen ebenfalls die Note 3,03 (statt 3,09).
Was die Noten bedeuten
Das Bewertungssystem folgt der Schulnotenlogik:
1,0 bis 1,99: Neuwertig
2,0 bis 2,99: Gut
3,0 bis 3,99: Mittelmäßig (Instandsetzung empfohlen)
4,0 bis 4,99: Schlecht (Ersatzinvestition notwendig)
5,0 bis 5,99: Mangelhaft (dringender Erneuerungsbedarf)
6,0 oder "einschränkend": Kritischer Zustand, sofortiger Handlungsbedarf
Diese Entwicklung markiert einen Bruch mit dem bisherigen Trend stetiger Verschlechterung. Der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege, sagte: "Der Netzzustand ist in etwa gleichgeblieben. Das ist noch kein Grund für großen Jubel. Aber immerhin scheint der Abwärtstrend im bundeseigenen Schienennetz gestoppt zu sein, und das ist eine gute Nachricht."
Entscheidenden Anteil daran hatten laut InfraGo insbesondere die umfangreichen Erneuerungen im sogenannten Oberbau – also bei Gleisen und Weichen – sowie das Rekordbauvolumen des vergangenen Jahres mit 19,6 Milliarden Euro. Philipp Nagl, Vorstandsvorsitzender der DB InfraGo: "Wir zeigen, dass wir mit den Investitionsmitteln, die uns zur Verfügung gestellt werden, den Instandhaltungszustand erhalten und teils auch verbessern können." Für den InfraGo-Zustandsbericht wurden mehr als 380.000 Infrastrukturanlagen bewertet.
Stellwerke und Bahnübergänge verschlechtern sich weiter
Trotz der insgesamt leicht besseren Bewertung bleibt der Handlungsbedarf laut der Bahn hoch. Besonders kritisch ist weiterhin der Zustand der Leit- und Sicherungstechnik. Die Stellwerke erreichen eine Zustandsnote von 4,12 – schlechter als im Vorjahr. Mehr als jedes zweite der rund 4.000 Stellwerke ist erneuerungsbedürftig. Laut Nagl sind diese Stellwerke jedoch die Basis für eine grundsätzliche Erneuerung des Netzes. In den kommenden Jahren will die DB deshalb 200 veraltete Stellwerke ablösen und durch moderne Technik ersetzen.
Von den insgesamt 64.014 Weichen sind 15.520 erneuerungsbedürftig, was etwa 24 Prozent entspricht. Auch bei den Bahnübergängen zeigt sich eine Verschlechterung: Ihre Zustandsnote rutscht ab auf 3,58. Die Bahn führt das darauf zurück, dass viel alte Technik immer noch im Betrieb ist. Damit verfehlt die Bahn in gleich zwei sicherheitsrelevanten Bereichen deutlich das eigene Ziel einer mindestens befriedigenden Infrastruktur.
Die ostdeutschen Bundesländer, in denen seit der Wiedervereinigung bereits umfassend in die Modernisierung des Schienennetzes investiert wurde, erzielen insgesamt bessere Zustandsnoten als die Länder im übrigen Bundesgebiet.
Riedbahn als Blaupause für Sanierungsstrategie
Wie eine gezielte Sanierung wirken kann, zeigt die Strecke zwischen Frankfurt/Main und Mannheim. Dort wurde 2024 die erste Generalsanierung nach dem neuen Infrastrukturkonzept umgesetzt. Das Ergebnis: Die Zustandsnoten für Gleise, Weichen, Stellwerke und Bahnübergänge verbesserten sich auf der Riedbahn im Schnitt von 4,20 auf 1,52. Allerdings ließen sich aufgrund der hohen Auslastung der Strecke nicht alle Störungen ausschließen – die Anlage funktioniere aber stabiler als vorher, so Nagl.
Erneuerungen 2024
Insgesamt hat die DB InfraGO im vergangenen Jahr rund 2.000 Kilometer Gleise, 1.800 Weichen und 120 Brücken mit einer Fläche von etwa 35.000 Quadratmetern sowie 3.500 Stelleinheiten der Leit- und Sicherungstechnik erneuert oder modernisiert. Darüber hinaus wurde an mehr als 870 Bahnhöfen gebaut. Dabei wurden unter anderem über 200 Fahrtreppen und Aufzüge ausgetauscht oder instand gesetzt, rund 150 Bahnsteige barrierefrei umgebaut und 1.600 Monitore und Anzeiger zur Reisendeninformation erneuert.
Bahnhöfe: Verbesserungen, aber großer Nachholbedarf
Die Bewertung der Personenbahnhöfe verbessert sich mit der Note 3,03 leicht, insbesondere durch Investitionen in Barrierefreiheit, Informationssysteme und Fahrgastkomfort. 113 Bahnhöfe wurden im Rahmen des Programms "Zukunftsbahnhöfe" modernisiert. Diese Stationen erreichen im Schnitt eine Note von 1,73.
Trotzdem ist der Bedarf weiter enorm: Der zustandsbasierte Nachholbedarf für Verkehrsstationen stieg auf 20,27 Milliarden Euro. Besonders betroffen: Empfangsgebäude, Informations- und Telekommunikationstechnik wie Anzeigen, Lautsprecher und Kameras), Aufzüge und Fahrtreppen. Allein für veraltete Empfangsgebäude liegt der Erneuerungsbedarf bei 12,89 Milliarden Euro.
Wachsende Lücke zwischen Zustand und Finanzierung
Mit 109,8 Milliarden Euro beziffert die Bahn den Investitionsstau ihres Netzes – ein Anstieg um 17,6 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahr. Hintergrund ist unter anderem die allgemeine Kostenentwicklung.
Zu den Baukostensteigerungen sagte Nagl, die Bauindustrie habe durch mangelnde Investitionen in den vergangenen Jahren keine ausreichenden Kapazitäten. Mit wieder steigender Nachfrage steigen die Kosten entsprechend, bis entsprechende Kapazitäten aufgebaut seien. Nagl gab sich aber optimistisch, dass durch entsprechende Verhandlungen und Investitionen die Preise sinken. "Dieser Weg ist für mich unausweichlich", sagte er.
Dirk Flege sieht einen wichtigen Hebel in der Politik: "Wir gehen davon aus, dass das Sondervermögen für die Infrastruktur hier haushaltspolitische Spielräume schafft, um den Investitionsstau in den kommenden zwölf Jahren abzuarbeiten. Ebenso wichtig dafür ist die bereits im Koalitionsvertrag angekündigte Schaffung eines Eisenbahninfrastrukturfonds. Durch den Fonds könnten Mittel für Sanierungs- und sonstige Baumaßnahmen planbar und beschleunigt abgerufen werden, weil dann die Mittelvergabe nicht mehr allein vom jährlichen Bundeshaushalt abhängt."
Die Bahn betont, dass nur eine dauerhaft gesicherte Finanzierung den Investitionskurs aufrechterhalten kann. Nagl: "Jetzt kommt es darauf an, diese Mittel langfristig zu verstetigen – dann kann eine echte Trendwende gelingen. Denn trotz des jetzigen Erfolgs sind viele unserer Anlagen und Bahnhöfe unverändert in keinem guten Zustand."
- Pressemitteilung der Deutschen Bahn
- InfraGo-Zustandsbericht 2023 und 2024
- Statement der Allianz pro Schiene