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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Hustender Nachbar Bahnreisen in Corona-Zeiten: Ist Wegsetzen unhöflich?
Wer kann, meidet die Bahn – derzeit vor allem wegen der Infektionsgefahr. Dabei hat das Unternehmen viel getan, um das Risiko einer Ansteckung für seine Fahrgäste zu verringern. Trotzdem bleiben einige Fragen.
Inhaltsverzeichnis
- Putzt die Bahn jetzt öfter?
- Kann man Hände überall waschen und desinfizieren?
- Wie kontaktlos ist Bahnfahren wirklich?
- Tragen alle Masken?
- Bleibt der Nachbarplatz bei Sitzplatzreservierung garantiert frei?
- Kann die Abstandsregel überall eingehalten werden?
- Macht die Luft im Abteil krank?
- Ist es unhöflich, sich wegzusetzen?
- Wie gefährlich ist Bahnfahren nun wirklich?
Die Bahn leidet. Wer derzeit reisen muss, nimmt lieber das Auto. ICE- und IC-Züge sind durchschnittlich zwischen 30 und 40 Prozent ausgelastet. Im Regionalverkehr erreicht die Nachfrage im Schnitt rund 75 Prozent des Vor-Corona-Niveaus. Das Image der Mittelmäßigkeit fällt der Bahn jetzt auf die Füße und viele Fahrgäste fragen sich:
Putzt die Bahn jetzt öfter?
Diese Frage kann eindeutig mit "Ja" beantworten werden. Im Fernverkehr wurde die Zahl der sogenannten Unterwegsreiniger auf 600 verdoppelt. Schwerpunkt sind WCs und alle Kontaktflächen, die in der Regel alle zwei Stunden gereinigt werden. In Regio-Zügen werden diese Bereiche im Schnitt dreimal pro Tag geputzt. Um zu verhindern, dass potenzielle Virenquellen wie Griffe und Klinken angefasst werden müssen, öffnen sich – wenn technisch möglich – beim Halten nun immer alle Türen automatisch.
Kann man Hände überall waschen und desinfizieren?
Passagiere packen sicherheitshalber eigene Handdesinfektion ein, denn Sprühspender wie in Hotels und Geschäften gibt es nicht in allen Zügen. Wer das Bedürfnis hat, sich die Hände zu waschen, tut dies unverändert auf der Toilette. Zusätzlich hat die DB an 20 großen Bahnhöfen die Waschgelegenheiten vor der Bezahlschranke zu den Toiletten für jeden geöffnet.
Wie kontaktlos ist Bahnfahren wirklich?
Schon heute muss kein Gast mehr im Zug irgendetwas berühren, außer die Toilettentür oder die Klappe des Abfalleimers. Denn im Idealfall wurde das Ticket bereits online gebucht und der Schaffner muss nur noch mit seinem Gerät den QR-Code vom Handy oder Ausdruck abscannen. Überall da, wo noch etwas per Hand über die Theke geht, wie Essen und Trinken im Bordrestaurant, sorgen hochgezogene Plexiglasscheiben für Spuckschutz.
Tragen alle Masken?
Auf Bahnhöfen und im Zug herrscht für Fahrgäste und Zugbegleiter gleichermaßen immer Maskenpflicht. Lediglich zum Essen und Trinken darf sie abgenommen werden. Zurzeit wird täglich in 120 Fernzügen und schwerpunktmäßig im Nahverkehr kontrolliert, ob sich alle an die Vorschrift halten. Der DB zufolge tragen rund 95 Prozent der Reisenden Gesichtsschutz, der Rest wird höflich dazu aufgefordert. Die Vorfälle, bei denen sich jemand geweigert hat, die Maske aufzusetzen und deswegen den Zug verlassen musste, kann man an einer Hand abzählen.
Bleibt der Nachbarplatz bei Sitzplatzreservierung garantiert frei?
Nein, aber die Bahn hat in diesen Zeiten die Zahl der Reservierungen sowieso stark pro Zug begrenzt. Im Internet unter bahn.de oder auf der DB-App wird außerdem angezeigt, sobald ein Zug zu mehr als 50 Prozent ausgelastet ist. Dadurch können Fahrgäste selbst entscheiden und gegebenenfalls zu einer anderen Zeit fahren. Rechnet das Unternehmen damit, dass ein Zug extrem voll werden könnte, wird er entweder mit einem weiteren verlängert oder der Verkauf von Tickets ausgesetzt. Bei Einzelreisenden, die einen Platz buchen, ist zurzeit immer der Fensterplatz voreingestellt. Der Gangplatz bleibt also – wenn möglich – unbesetzt.
Kann die Abstandsregel überall eingehalten werden?
Wer schon mal Bahn gefahren ist, weiß, wie schmal die Gänge sind. Zu Engpässen kommt es also ständig. Doch in so einem Fall ist Rücksicht angesagt. Ausweichen, warten, weitergehen – wo ist das Problem? Der Sprecher des Vorstands der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene e.V., Peter Walger, selbst Internist und Infektiologe, weist in einem Interview mit der "Apotheken Umschau" darauf hin, dass Bahnfahren kein größeres Risiko darstellt als andere Lebenslagen. Wichtig ist allerdings, sich an die AHA-Regeln zu halten. In diesem Fall also die Maske zu tragen und dem Vordermann nicht zu dicht auf die Pelle zu rücken.
Macht die Luft im Abteil krank?
Schon vor Corona-Zeiten herrschte meist dicke Luft in den Waggons. Vor allem im Winter, wenn die Heizung lief. Aber der Mief macht nicht krank, solange er regelmäßig in Intervallen durch Frischluft ausgetauscht wird. Offene Fenster genügen bereits. Der Bahn zufolge erledigt die Klimaanlage in den Abteilen diesen kompletten Luftaustausch alle sieben Minuten. Das ist reichlich, um mögliche Virenlasten so zu verdünnen, dass sie nicht mehr schaden – vorausgesetzt die Klimaanlagen fallen nicht wegen Überlastung aus ?
Ist es unhöflich, sich wegzusetzen?
Die Befindlichkeiten in Sachen Corona sind sehr unterschiedlich. Wenn dem Nachbarn die Maske an seinem Sitzplatz ständig von der Nase rutscht, dann kann das verunsichern. Genauso wie der Passagier, der die Reihe vor oder hinter einem munter durch die Gegend hustet. In so einem Fall ist Wegsetzen kein Affront, sondern Selbstschutz. Angesichts der Tatsache, dass die Züge derzeit nie ganz ausgelastet sind, dürfte das auch kein Problem sein. Die Schaffner sind dazu angehalten, bei der Sitzplatzsuche zu helfen.
Wie gefährlich ist Bahnfahren nun wirklich?
Eines hat die Deutsche Bahn schon einmal in Brief und Siegel: Zugreisen per se sind kein Superspreader-Event. Das ist das vorläufige Fazit einer noch bis zum Februar 2021 angelegten Vergleichsstudie der Charité unter rund 1.100 Bahn-Mitarbeitern. Demzufolge hatten 1,3 Prozent der Mitarbeiter mit viel Kundenkontakt Antikörper im Blut gegenüber 2,7 Prozent der Kollegen ohne Kundenkontakt. Das heißt, dass Zugbegleiter (und somit alle Bahninsassen), obwohl sie ständig mit Fahrgästen zu tun haben, keinem größeren Covid-19-Risiko ausgesetzt sind als andere Angestellte der Bahn.
- SRT-Redaktion