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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Besonderes Bier Craft Beer im Test: Wie gut ist das edle Bier wirklich?
Craft Beer, das sind Biere aus kleinen, aber feinen Brauereien, in denen industrielle Fertigung verpönt ist und die nur erlesene Zutaten verwenden heißen. Der Trend stammt aus Amerika und Bier-Enthusiasten finden daran immer mehr Freude. t-online.de hat sich in einem großen Test die vermeintlich besten Manufaktur-Biere aus den USA angeschaut. Das Ergebnis vorweg: Die Aktion verlief trotz des Alkohols ernüchternd und war mitunter eine bittere Erfahrung. Übrigens haben wir auch europäische Edelbiere getestet.
Craft Beer ist purer Luxus: Es ist edel, teuer und liefert ganz eigene Geschmacksnoten. Häufig werden Früchte oder Gewürze beim Brauen eingesetzt oder ganz besondere Hopfen-Sorten. Und nicht selten wird ein solches Top-Produkt in einer Champagner-Flasche ausgeliefert. Grund genug, sich in einem Bier-Test dem Thema Craft Beer zu widmen.
Doch zuvor eine Begriffsklärung: Craft Beer heißt nichts anderes als handwerklich gebrautes Bier, das sich von den Produkten der großen Braukonzerne abhebt. Das ist vor allem in den USA ein Thema, wo beispielsweise Anheuser-Busch gigantische Mengen produziert, von denen deutsche Hersteller nur träumen können. Craft Bewers dagegen produzieren ein Bier, das vom Herstellungsprozess über das Marketing bis hin zum Verkaufspreis den Stempel des Designer-Produkts trägt. Ergo sind solche Biere vor allem in den hippen Metropolen New York oder Los Angeles gefragt; übrigens spiegelt sich diese Entwicklung auch in Deutschland wieder – urbane Party-People stehen auf Biere, die nicht jeder trinkt.
Manuel Giesinger vom Blog bier-entdecken.de drückt es so aus: "Wenn man unter Craft Beer ein Bier erwartet, welches man aus dem Supermarkt kennt, wird man wahrscheinlich dem "neuen" Bier zunächst abgeneigt gegenüberstehen. Aber genau das macht Craft Beer und die Bewegung, die dahinter steckt, aus. Eben keine Biere zu brauen, die möglichst vielen schmecken, sondern extreme Biere zu brauen, die nicht vergleichbar sind mit 'normalen' Bieren."
Medaillenregen für Craft Beer
In Großbritannien läuft der Trend ebenfalls auf Hochtouren. Bei den 2013 International Brewing Awards im Februar 2013 in England zählten kleine Craft Brewers zu den großen Gewinnern. Die Top-Drei von ihnen heimsten 21 Medaillen ein, das war mehr als ein Fünftel aller vergebenen Ehrungen, elf davon Gold. An der Spitze stand Samuel Adams mit neun Goldmedaillen, danach folgte Deschutes Brewing mit dreimal Gold und dann Sierra Nevada mit zwei Goldmedaillen – letzteres ist hier mit zwei Bieren vertreten. Das Sierra Nevada Pale Ale gewann in der Fass-Version einmal Gold und in der Flasche Bronze – und dennoch überzeugte es unsere Tester nicht. Doch wir greifen vor.
Für unseren großen Test stellten wir Experten die einfache Frage: "Welches ist das beste US-Craft-Beer für den Sommer?" Braufactum lieferte uns als Antwort US-Biere, die unter dem eigenen Label vertrieben werden. Wir kosteten Brooklyn Brewery Local 1, Brooklyn Brewery Sorachi Ace, Firestone Walker Pale 31 sowie Firestone Walker Double Jack.
Schließlich fragten wir Bier-Entdecken.de um Unterstützung: Das Blog lieferte uns Sierra Nevada Torpedo und Anchor Porter. Und drittens kaufte wanted.de die Marken Anderson Valley Hop Ottin, Double Dog Pale Ale, Sierra Nevada Pale Ale und Widmer Brothers Rotator. Dazu holten wir uns Rat bei einem renommierten großen Bierhändler in Darmstadt, der uns einige Craft Beers vorstellte – dem aber selbst nur deutsches Bier schmeckt. Ein böses Omen für den kommenden Test…
Bitter ist nicht gefragt
Insgesamt testeten 18 Personen die verschiedenen Schöpfungen. Alle gaben Kurzkommentare ab und vergaben Schulnoten von eins bis sechs. Und das ganze unter Alltagsbedingungen: Nach Feierabend, beim Grillen, zum Abendbrot.
Das Ergebnis fällt mau aus: Nur ein Bier, Sorachi Ace von der Brooklyn Brewery, erhielt die Bestnote Eins. Viele Tester lehnten die super-hopfigen US-Kreationen ab. Die Bitterkeit war mitunter so heftig, dass sie selbst scharfes Essen ewig überlagerte. Schade, denn die dunkel-orangene, kupferne Farbe und der aromatische Geruch machte zwar Lust auf das Bier, lockte die Tester aber ein ums andere Mal in die Bitter-Falle – statt Fruchtaromen blieb nur der Biss in den Hopfen.
Auf die Kühlung kommt es an
Offensichtlich waren einige Biere zu warm: Hopfen oxidiert in der Flasche weiter, wenn es zu warm ist. Das kapriziöse Ale kippt also um und produziert extrem bittere, zuweilen auch käsige Noten – der Trank ist also im Alltagsgebrauch ein schwieriger Patient und muss mit Eis gehegt und gepflegt werden. Aus diesem Grund dürften die Biere, die t-online.de im Bierhandel kaufte, am schlechtesten abgeschnitten haben – dort standen sie offen in den Regalen.
In den USA ist das Thema geschlossene Kühlkette offenbar schon ein wenig weiter. Dort dominiert die Unterform India Pale Ale den Markt – und die ist extra-bitter, denn das Bier wurde früher auf dem Weg in die indische Kronkolonie mit einer Sonderportion Hopfen vor dem Verderben bewahrt. Ale stammt eigentlich aus Großbritannien – dort hieß lange Zeit als Synonym für helles Bier alles Ale, was kein dunkles Porter war; deshalb auch der Name "Pale" - "bleich".
Fazit: US-Manufaktur-Biere haben bei unseren Testern einen schweren Stand. Die deutschen Gaumen sind eindeutig süßere und malzige Aromen gewohnt und schwören weiter auf ein sattes Hefeweizen im Sommer. Vielleicht sind wir auch einfach geschmacklich noch ein wenig verstaubt. Doch wer herbe Biere mag, der liegt hier genau richtig – und sollte am besten selbst unsere Ergebnisse in einem eigenen Test widerlegen.
Wir haben uns aber auch edle Biersorten aus Europa ganz genau angeschaut und verkostet. Das Ergebnis können Sie auch bei uns lesen.