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JVA Preungesheim: Kinder leben bei ihren Müttern im Gefängnis


Sofia wohnt mit Mama im Knast
"Die Kinder sollen so wenig Gefängniseindrücke wie möglich haben"

Der Gefängnistrakt, in dem die Frauen mit ihren Kindern leben, ist festlich geschmückt. Die Kinder sollen so normal wie möglich aufwachsen. "Nicht die Kinder sind in Haft, sondern die Mütter", sagt Michaela Wasemüller, die Leiterin des zentralen hessischen Frauengefängnisses Frankfurt III. "Das Kindeswohl ist das Wichtigste." Trotzdem waren die Feiertage für alle besonders schwer.

Aktualisiert am 29.12.2014|Lesedauer: 5 Min.
dpa, Ira Schaible
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Zwei Gefangene sitzen am Esstisch in der Küche - ihre Kinder auf dem Schoß. Normalerweise wären die beiden Frauen, Melanie und Laura, jetzt an ihrem Ausbildungsplatz in der Gefängnis-Gastronomie und ihre Kinder im Kinderhaus am anderen Ende des Geländes. Doch Sofia und Noah (alle Namen geändert) sind heute krank. Zum Kinderarzt bringt sie eine Erzieherin. Die Mütter dürfen nicht mit. Sie sitzen im geschlossenen Vollzug.

Frauengefängnis: Das einjährige Mädchen wächst bei seiner inhaftierten Mutter in der JVA Frankfurt-Preungesheim auf.Vergrößern des Bildes
Spielplatz mit Stacheldraht: Das einjährige Mädchen wächst bei seiner inhaftierten Mutter in der JVA Frankfurt-Preungesheim auf. (Quelle: Frank Rumpenhorst/dpa-bilder)

Die Mutter-Kind-Plätze im Knast sind immer belegt

Das Mutter-Kind-Heim, das Mitte der 70er Jahre von der damaligen Anstaltsleiterin Helga Einsele eröffnet wurde, hat bundesweit Schule gemacht. Am Anfang stand die Anteilnahme mit dem Schmerz der Frauen, die sich von ihren während der Haft entbundenen Babys trennen mussten. Zehn ähnliche Einrichtungen gibt es inzwischen in Deutschland, die meisten aber im offenen Vollzug. Fünf Mütter mit ihren Kleinkindern können im geschlossenen Vollzug in Frankfurt III unterkommen. "Die Plätze sind eigentlich immer belegt", berichtet der Leiter des Mutter-Kind-Heims der JVA, Klaus Hermes. Dazu kommen noch 18 Plätze für Frauen mit Kindern im offenen Vollzug. 13 Häftlinge mit 15 Kindern im Vorschulalter sind dort gerade untergebracht.

Ein Mutter-Kind-Haus im geschlossenen Vollzug sei mit Blick auf die Kinder aus pädagogischer Sicht umstritten, sagt Wasemüller. "Wir könnten sonst aber keine Frau mit einem schweren Delikt zusammen mit ihren Kindern unterbringen." In jedem einzelnen Fall werde jedoch genau geprüft, ob für das Kind eine andere Unterbringung besser ist als bei der Mutter im Knast.

Bindung an die Kinder gibt inhaftierten Müttern Halt

"Wir wollen nicht, dass die Mütter während ihrer Haftzeit die Bindung zu ihren Kindern verlieren", sagt Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU), der das Mutter-Kind-Haus nach eigenen Worten sehr am Herzen liegt. "Wir wollen auch, dass die Kinder ihre Beziehung zu ihren Müttern weiterentwickeln." Die Kinder seien für die Frauen auch ein Anker. "Es gibt etwas zu verlieren."

Die 38 Jahre alte Melanie sitzt wegen bandenmäßigen Diebstahls seit März, ihr fast zweijähriger Sohn Noah ist bei ihr. Der Vater, der gemeinsam mit Melanie verurteilt wurde, ist in Hünfeld in Haft. Die Gefangene hat in Freiheit noch zwei erwachsene Töchter und einen elfjährigen Sohn, der bei seinem Vater, einem früheren Partner, lebt. "Alle Kinder haben den Kontakt zu mir abgebrochen", erzählt sie.

Im April 2017 wird Melanie zwei Drittel ihrer Strafe abgebüßt haben, dann ist Noah schon vier Jahre alt. Melanie wird voraussichtlich vorher mit ihm in den offenen Vollzug wechseln, denn im geschlossenen sollen die Kinder nicht älter als drei Jahre sein. Sie werden auch nicht getrennt von ihren Müttern untergebracht oder ohne sie entlassen. Daher kommen auch nur Frauen mit ganz kleinen Kindern infrage. "Nach dem Gesetz müssen wir schulpflichtige Kinder entlassen", sagt Hermes.

Bunte Tierbilder an der Gefängnismauer

In den Zellen gibt es neben der Pritsche für die inhaftierten Mütter auch ein Kinderbett, einen Wickeltisch und eine Krabbelunterlage. Gitter an den Fenstern gibt es nicht. Die Inhaftierten werden auch nicht in ihre Hafträume eingeschlossen, sondern haben eigene Schlüssel. Die Vollzugsbediensteten wie Doreen Weiss tragen zivil. "Keine Mutter wird zusammengestaucht, wenn das Kind dabei ist", nennt Hermes einen anderen Grundsatz, der dazu beitragen soll, dass die Kinder im Gefängnis unbeschadet aufwachsen.

An jeder Zellentür hängt eine bunte Zeichnung von zwei Tieren. Diese Motive finden sich auch auf der knallbunten Wand im Hof wieder. Der sieht aus wie ein ganz normaler Spielplatz - bis auf die Stacheldrahtrollen hoch oben auf der Mauer. "Die Kinder sollen so wenig Gefängniseindrücke wie möglich haben", sagt Hermes.

Hafturlaub zu Hause ist nicht immer harmonisch

Für die Inhaftierten und die Mitarbeiterinnen ist die Weihnachtszeit belastend. "Es hängt immer von der Gruppe ab, wie Weihnachten wird, ob sich die Frauen zusammen durchbeißen und sich gegenseitig trösten oder die Konflikte hochkochen", berichtet die Vollzugsbedienstete Weiss. Auch im offenen Vollzug mussten einige Frauen an Weihnachten allein im Knast bleiben. Andere durften draußen bei ihren Familien feiern. Manche kommen nach einigen Tagen Urlaub jedoch sehr angespannt zurück, wie Erzieherin Katrin Haudel berichtet. Denn: "Oft ist nicht alles so unkompliziert zu Hause, wie man sich das vorgestellt hat."

"Wir leben im Knast" - das verschweigen manche Mütter

Nicht alle Kinder wissen, dass sie im Gefängnis aufwachsen, sagt Hermes. "Wir wirken auf die Mütter ein, ihren Kindern zu sagen, wo sie sind. Das machen aber nicht alle. Letztlich ist es die Entscheidung der Frauen." Manche schweigen - meist aus Scham. "Die Kinder wissen oft mehr, als die Mütter denken, nehmen aber Rücksicht auf die Mütter." Das Wort "Knast" würden fast alle kennen.

Wie stecken die Kinder die Erfahrungen weg? Untersuchungen des Instituts für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (ISS) aus den 80er Jahren hätten gezeigt: "Umso jünger die Kinder und umso gelockerter der Vollzug, desto weniger belastet es sie", sagt Hermes. "Manchmal meldet sich jemand bei uns und sagt, ich habe erfahren, dass ich hier gelebt habe, und möchte mir das mal anschauen", berichtet Wasemüller.

Väter besuchen ihre Kinder im Gefängnis

Jeden Morgen werden die Kleinen aus dem geschlossenen Vollzug mit einem Transporter über das Anstaltsgelände in das Kinderhaus im offenen Vollzug gefahren. Dort werden sie bis zum Nachmittag betreut - zusammen mit den Kindern aus dem offenen Vollzug. Es sieht aus wie in einer normalen Kita: Spiel-, Schlaf- und Speiseraum - bunte Möbel, Spielzeug, Krabbelzimmer und Weihnachtsbasteleien. Der Garten ist nur mit einem Sichtschutz von den Reihenhäusern in der Nachbarschaft getrennt.

Zur Freiheit aller Kinder gehören Ausflüge mit den Erzieherinnen und - wenn möglich - Kontakt zu Verwandten draußen. "Wenn es Väter gibt, dürfen die ihre Kinder immer sehen", sagt Hermes. So wie bei Laura. Der Vater der 14 Monate alten Sofia kommt regelmäßig, um seine kleine Tochter für ein paar Stunden zu sehen.

Laura sitzt schon seit eineinhalb Jahren im geschlossenen Vollzug. Die 25-Jährige wurde wegen besonders schweren Raubs zu drei Jahren und vier Monaten Gefängnis verurteilt, ihre Tochter kam während der Haft zur Welt. Mit dem Vater ist sie noch zusammen. "Am vergangenen Wochenende hat die Kleine zum ersten Mal beim Vater übernachtet. Das fiel mir sehr schwer", sagt Laura. "Nicht, dass es ihr da schlecht ginge, aber für mich war es eine große Umstellung."

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